„Seit drei Tagen wache ich auf und habe sofort schlechte Laune. Dann schlurfe ich aus dem Schlafzimmer in die Küche, koche mir einen fucking Erkältungstee, der nach getragenen Socken stinkt, und ziehe um auf die Couch. Da lieg ich dann und telefoniere den lieben langen Tag. Was soll ich auch sonst machen? Ich verabscheue es, krank zu sein", beklage ich mich bei Didi, die mir ohne Unterbrechungen oder Einwürfe zuhört. Das Taschentuch, das ich in der Hand halte, zerknülle ich und werfe es zu den anderen zwanzig. Vor meinen Füßen türmt sich mittlerweile ein flacher Hügel auf. Dummer grippaler Infekt. Was soll das überhaupt sein? Schlimmer als eine Erkältung, aber keine vollwertige Grippe - sozusagen der Göffel unter den Krankheiten. Der Gedanke lässt mich schmunzeln. Diesen Vergleich hätte auch eins zu eins mein fester Freund anbringen können. Mit uns läuft es fantastischer denn je. Mich emotional zuletzt so bei ihm fallenzulassen, hat sich gelohnt. Warum das Universum mich nun aber mit dieser Möchtegern-Grippe bestraft, entzieht sich meiner Kenntnis.
„Klingt ja schrecklich", lässt meine Freundin gelangweilt verlauten und ich lenke meine Aufmerksamkeit zurück in die Gegenwart. Irgendwas ist seltsam. Vielleicht verschluckt der schlechte Lautsprecher meines Handys die Tonnuancen, doch ich meine zu hören, dass mit meiner Kollegin etwas nicht stimmt.
„Was ist los?", frage ich sie ernst und ziehe dabei die Stirn kraus. Ihre helle Stimme lässt die für sie so typische Unbeschwertheit vermissen. „Nerve ich dich?", rate ich ins Blaue hinein. Didi schnaubt.
„Tust du." Vor Überraschung wirft meine Stirn gleich noch ein paar Falten mehr. „Du willst dich doch bloß bei mir auskotzen", brummt sie angesäuert.
„Aber das ist doch nicht verboten", erwidere ich perplex.
„Schön, dass du mich wieder mal so unverblümt daran erinnerst, welchen Stellenwert ich in deinem Leben habe, Charlotte."„Wieso bist du sauer auf mich?", möchte ich von ihr wissen, setze mich auf und drücke dabei aus Versehen einige Tasten auf meiner Fernbedienung. Die Flimmerkiste springt an und posaunt die Star-Wars-Filmmusik durch meine Wohnung. „'Tschuldige", sage ich zu Didi und schniefe, angle nach einem neuen Papiertaschentuch, während sie mich aufklärt: „Ich weiß, es ist länger her, aber ich hab festgestellt, dass es mich doch wurmt: Du hast mich komplett ignoriert, als ich mit dir über meinen letzten Streit mit Jay reden wollte." Ich verdrehe die Augen und schalte den SciFi-Streifen stumm, der über meinen Bildschirm flackert.
„Didi, komm schon, hab ein bisschen Verständnis dafür. Vincent und ich waren auf dem Weg zu seinen Eltern. Ich nehme mir gern Zeit für dich, wenn ich sie denn habe, aber an dem Abend hat's einfach nicht gepasst." Sie lacht gekünstelt.
„Weißt du, was ich gerade mache? Ich sitze in der Kaffeeküche der Redaktion und überziehe meine Mittagspause, indem ich mit dir telefoniere, während mein aufgewärmtes Essen kalt wird."
„Ich wollte nicht stören", murre ich. Ich verstehe ihren Aufriss gar nicht. Schließlich ist sie nicht von mir dazu verpflichtet worden, sich mein Gejammer heute reinzuziehen - so wie sie mir anscheinend die Pflicht aufbürden wollte, mich von ihrem Kummer nach dem doofen Streit mit Jay überschütten zu lassen. Dass sie scheinbar schon länger ihre Wut unterdrückt, erklärt allerdings auch, warum sie mir gegenüber in der Redaktion eher reserviert war, bevor mich der Vorbote des Todes in Form einer fiesen Göffel-Erkrankung ereilt hat. Offenbar steckt mehr dahinter, als ich erwartet hätte.
„Das hat mich echt enttäuscht, als du mich mit nichts weiter als einer groben Nachricht vertröstet hast. Ich dachte, du entschuldigst dich vielleicht mal dafür."
„Jetzt noch? Zwei Wochen später?", wehre ich mich empört. Ich höre Didi übertrieben melancholisch aufseufzen.„Tut mir leid", entschuldigt sie sich nun plötzlich bei mir. „Ich höre dir natürlich zu, wenn du mich brauchst, aber du musst selbst einsehen, dass ein verbaler Erguss über dein aktuelles Krankheitsbild mir meine Pause nicht versüßt."
„Mir tut es auch leid", entschuldige ich mich automatisch ebenfalls. „Möchtest du mir von deinem Tag erzählen?" Sie zögert, dann tut sie es aber doch.
„Es geht mir zurzeit nicht sonderlich gut. Ich möchte eigentlich nur nach Hause. Die Arbeit hier ist ohne dich anstrengender für mich. Du bist so zielstrebig und boostest sonst immer meine Moral, ich vermisse das. Dadurch lasse ich mich für gewöhnlich weniger leicht ablenken." Ich lächle, ihre Worte schmeicheln mir. „Aber besonders heute geht mir irre viel im Kopf rum", fährt sie fort. „Mein Vater soll bald an der Hüfte operiert werden. Für die Zeit danach werden wir eine Pflegekraft einstellen müssen, und höchstwahrscheinlich bleibt das an mir hängen, weil meine Eltern von ihrer spärlichen Rente nur einen kleinen Teil entbehren können."
„Schaffst du das sicher mit dem Geld?", hake ich ein, denn ich kann mir vorstellen, dass das nicht billig für sie wird.
„Jay möchte mir mit seinen Ersparnissen aushelfen. Darum ging's in unserem Streit. Das würde bedeuten, dass ich mich solange finanziell von ihm abhängig machen müsste. Ich hätte Schulden bei ihm."
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So genial
Fanfiction"Manchmal verlieben sich Menschen ineinander, ist das nicht genial? Ich meine, das ist doch der glücklichste Zufall von allen, oder? Du triffst diese eine Person und auf einmal wird dir wieder bewusst, wie viel Liebe du eigentlich im Herzen tragen k...