48 - Charlottes erstes Doppel-D...ate

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In dem violetten Licht, das auf mein Essen scheint, sieht die vegane Ente auf dem Teller nicht sonderlich appetitlich aus. Allerdings sind diese UV-Strahler an der Decke über den geleckt polierten Tischen aus Acryl auch nicht das Einzige, was an diesem Restaurant fragwürdig ist. Elektronische Musik hämmert aus den Lautsprechern, als wolle man gar nicht, dass die Gäste miteinander plaudern. Es ist mir ein Rätsel, warum Didi ausgerechnet diesen Albtraum der modernen Einrichtung für unser Doppeldate ausgesucht hat. Denn gemütlich geht auf alle Fälle anders.

Neben mir rückt Vincent mit seinem Stuhl ein Stück nach hinten, um den enormen Brüsten der Kellnerin auszuweichen. Sämtliches Personal ist in knappen Lederkostümen unterwegs und bei ein paar davon bin ich mir fast sicher, sie im Online-Sexshop meines Vertrauens schon mal auf einem ausladenden Werbebanner erspäht zu haben. Die Dame stellt einen Teller vor meinem Freund ab, auf dem ich Erbrochenes vermuten würde, wenn ich nicht wüsste, dass Vincent das vegetarische Ragout gewählt hat. Er wirft mir einen schrägen Seitenblick zu. Geschocktes Erstaunen spiegelt sich in seinen Zügen und es ist, als würde er mich stumm fragen: Wo zur Hölle sind wir hier bloß gelandet?
„Danke", tut er der Höflichkeit Genüge. Doch die Mühe hätte er sich nicht erst machen brauchen. Ich schätze, auch die Bedienung versteht kaum ein Wort. Der Beat ist zu laut. Jedenfalls wendet sie sich ohne Weiteres den Gästen am Nebentisch zu.

„Ist es nicht krass hier?" Ich blicke in die funkelnden Augen meiner Freundin. Didi wirkt so aus dem Häuschen. Mich überkommt ein so schlechtes Gewissen, dass ich in einem Schluck meines perfekt ausbalancierten Cosmopolitan ertränke. Die Drinks sind lecker, das gebe ich zu. „Es gibt nichts Vergleichbares, die Atmosphäre ist so geil!", schwärmt meine Kollegin derweil.
„Weißt du, Didi ...", probiere ich es sanft, auch wenn ich beinah brüllen muss, damit sie mich hört. „Wenn ich in eine Disco will, gehe ich in eine; und wenn ich essen will, dann gehe ich ... eigentlich nicht in Discos. Verstehst du, was ich meine?" Es geht nicht anders, Didi kennt mich und weiß, dass ich meine ehrliche Meinung so gut wie nie verschweige. Während meine Kollegin mich ratlos anschaut, und ich mich frage, ob ich doch hätte schreien sollen, schaltet ihr Freund sich dazwischen.
„Der Schuppen ist ziemlich verrückt. Wir sind ein Risiko eingegangen, das als Location vorzuschlagen, das haben wir vorher gewusst." Tja, vielleicht hat mich niemand an diesem Tisch verstanden. Mit Ausnahme von Vincent, der mittlerweile sein Besteck in die Hand genommen hat und das Gericht auf seinem Teller observiert als handle es sich dabei um eine extraterrestrische Lebensform.
Ich lächle Jay überfordert an. Didis Freund trägt eine schneeweiße Cap, die er nicht abgesetzt hat, als wir vorhin zu viert das Restaurant betreten haben und langsam glaube ich, das wird er auch nicht mehr tun. Die ganze Zeit muss ich das Teil anstarren. Vielleicht hat er einen Bad Hair Day. Auf alle Fälle strahlt die Kopfbedeckung hier drinnen mit der Kraft von tausend Sonnen.

„Vielleicht versteckt sich im Essen irgendwo 'ne Happy Pill." Vincent dreht mir den Kopf zu, er grinst und ich schmunzle automatisch. „Dann könnte ich mich an den Vibe gewöhnen." Jetzt, wo wir ohnehin hier sind, sollte ich mir wohl ein Beispiel an ihm nehmen und zumindest ein bisschen lockerer werden. Jay lacht über den Joke, den Vincent in Bühnenlautstärke zum Besten gegeben hat, und ich wende mich dem Partner meiner Freundin zu. Didi ging es ja auch darum, dass ich mir heute einen Eindruck von ihm verschaffe.
„Seid ihr öfter hier?", frage ich, diesmal noch lauter und höre Vincent neben mir lachen. „Was?", hake ich nach.
„Seid ihr öfter hier?", wiederholt er meine Frage in zweideutigem Tonfall und wir lachen uns darüber kaputt.
„Also, falls ihr Interesse habt ...", beschließe ich meinen Freund zu ärgern, als unsere Runde sich eigentlich wieder beruhigt hat, und es zeigt Wirkung – Vincent legt mir einen Arm um die Schultern und hält mir den Mund zu.
„Mal im Ernst, das ist echt speziell. Wie seid ihr auf den Laden gestoßen?", will er wissen. Ich manövriere seine Hand derweil von meinem Gesicht weg.

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