Kapitel 1

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Kamie

„Neunzehn Jahre lang habe ich das gemacht, was ihr wolltet. Irgendwann darf ich doch wohl auch mal das machen, was ich will, oder?!", ich bin sauer. Das einzige was ich möchte, ist, auf ein normales College zu gehen. Kein Privatcollege. Ich will doch einfach nur einmal normal leben. Wie jede andere Person auch.

„Kamora, sei vernünftig. Das ist kein Leben, was die dort führen. Das ‚normale' College ist ein Ort, an dem Partys und unanständige Dinge getan werden. Wir wollen nicht, dass dir etwas passiert.", sagt Mum besorgt. Wenn es denn Sorge ist. Vielleicht ist es auch nur ein Sorgenvoller Blick, damit ich mich schlecht fühle. Denn ich habe mich ohne ihr Einverständnis an einem College eingeschrieben und heute die Zusage bekommen, welche meinen Eltern versehentlich in die Hände gerutscht ist.

Diese Diskussion führen wir bereits seit einer halben Stunde. Und ich werde definitiv nicht nachgeben. Komme was wolle.

„Ich will neue Leute kennenlernen, Freunde finden, mich an die Gesellschaft anpassen können. Warum lasst ihr mich nicht? Wie soll ich denn sonst jemanden finden, den ich irgendwann mal heiraten kann?", dass spiele ich eben die Karten.
„Du sollst auch nicht irgendwen heiraten. Er sollte vernünftig und gut bedient sein. Du wirst keinen von einem Arme-Leute-College nehmen. Das kommt nicht in Frage. Und Freunde wirst du auch an dem privaten College kennenlernen. Wir wollen nur das beste für dich.", sagt mein Dad mit starrer Miene.

„Gut. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich schaffe das auch alleine. Vielleicht bekommt ihr ja garnicht mit, dass ich weg gehe. Vielleicht bin ich auch morgen schon plötzlich weg. Wer weiß...", sage ich und drehe mich um, um den großen, schlicht eingerichteten Raum zu verlassen.

„Okay, du kannst gehen. Aber nicht alleine.", gibt mein Dad nach.
Siegessicher drehe ich mich wieder um und werfe meine Haare hinter meine Schultern.
„Gut. Wer kommt mit? Du?", frage ich, versuche dabei aber so ernst wie möglich zu klingen. Natürlich kommt nicht er mit. Das ist mir klar.
„Wir besorgen dir einen Bodyguard, der vierundzwanzig Stunden am Tag bei dir ist. Nur dann darfst du gehen.", verkündet mein Dad.

Das ist halb so schlimm. Ich bin es gewohnt, von Bodyguards umgeben zu sein. Ich kenne schon so ziemlich alle, die in meiner Familie arbeiten, beziehungsweise gearbeitet haben. Beispielsweise Lorenzo Ramirez, welcher mich seit meiner Kindheit begleitet hat und mir immer wieder die wichtigsten Dinge eingetrichtert hat: Sei niemals zu offen; gib niemandem deine Handynummer; sag keinem wo du wohnst und wer du bist; vertraue nicht zu schnell. Und noch vieles mehr. Gott, wie oft ich mir von ihm anhören musste, dass ich zu unfähig sei, die Dinge zu tun, von denen ich geträumt habe.

„In Ordnung.", gebe ich zurück und drehe mich schwungvoll um, um auf mein Zimmer zu gehen. Ich bin stolz auf mich. Ich habe gegen meine Eltern erfolgreich angekämpft. Endlich.

Ich bin frei.

Mein großer Bruder hatte nie Probleme dabei, sich aus den Fängen meiner Eltern zu befreien. Aber nun habe ich es auch geschafft.

Ich werde nächsten Monat am Saint Augustine's College studieren. Ich werde endlich normale Leute kennenlernen. Ich werde ein normales Leben führen können.
Ein normales Leben ohne reiche Schnösel und Möchtegern Barbies.

Mein Bruder ist sicher stolz auf mich. Er hatte selber keine Probleme, seinen Willen durchzusetzen. Entweder lag es daran, dass er der ältere ist, oder einfach nur an seinem Geschlecht. Ich weiß es nicht.

Ganz ehrlich, als Mann hat man es doch eigentlich sowieso leichter, oder? Man kann sich eher durchsetzen, braucht nicht so viel Angst haben, alleine im Dunkeln durch die Straßen zu wandern, verdient besser und kann sich leichter wehren. Außerdem werden Männer schneller ernst genommen, haben ihre Tage nicht und können jemanden schwängern, ohne dass sie sich zwingend um das Baby kümmern müssen. Unfair. Einfach unfair.

Wie dem auch sei. Ich möchte hier ja nicht lästern.
Ich bin eher eine Person, welche sich auf das wichtigste beschränken muss. Bedeutet so viel wie: Ich habe keine Freunde.

Meine Eltern sehen den Sinn an einer Freundschaft nicht, weshalb ich nie die Möglichkeit hatte, eine aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Die einzigen „Freunde", die ich hatte, waren die Kinder von Geschäftspartnern meines Dads. Diese waren aber immer nicht so ganz das gelbe vom Ei, wenn ich das so formulieren darf. Abgesehen von diesen „Freunden", hatte ich noch die Haushälterinnen, welche mich durch meine Kindheit begleitet haben und mit mir und meinem Bruder immer mal wieder gespielt haben.

Umso mehr freue ich mich auf mein neues Leben am College, mit normalen Leuten und Freunden, die ich mir selber aussuchen darf.

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