Kapitel 30

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Alessandro

Ich weiß, es ist falsch. Aber es ist mir egal. Ich will diese Frau so sehr, dass es wehtut. Aber es tut eben nicht genug weh, um meinen Job aufzugeben und mit ihr durchzubrennen. Aber zumindest doch so sehr, dass ich meinen Job bewusst riskiere.

Es tut genug weh, um sie zu küssen. Denn das fühlt sich gerade mehr als gut an. Es ist, als wäre ich frei. Unbeschwert. Und glücklich.

Sie ist toll. Wunderschön. Süß. Einfach perfekt in meinen Augen - bis auf die Unpünktlichkeit.

Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass sie der Traum eines jeden Mannes ist.
Und trotzdem weiß ich, dass dieser Kuss alles ist, was ich ihr jemals geben kann.

Denn ich liebe meinen Job.

Ich genieße den Moment mit ihr. Sie auf meinem Schoß. Bei Sonnenuntergang. Ihre Lippen auf meinen. Ihre Hände in meinen Haaren. Ich liebe es. Das hier mit ihr reicht schon aus, um mir eine Latte zu verpassen.
Ich könnte ewig so weitermachen. Aber ich darf nicht. Ich will diesen Moment nicht kaputt machen. Aber ich muss.

Also löse ich mich schweren Herzens von ihr und lege meine Stirn gegen ihre. Ich schließe meine Augen.
Ich will nicht, dass dieser Moment kaputt geht.

Ihre Hände liegen bereits wieder auf meinen Schultern.

„Kamie", beginne ich, doch sie hält mir den Mund zu.
„Sag es nicht. Ich weiß das. Aber ich will es nicht hören."
Ich muss kurz auflachen. Dann lehne ich meinen Kopf in ihre Halsbeuge und atme ihren Duft ein.

Ich kann nicht realisieren wie dumm ich eigentlich bin.
Ich gefährde meinen Job tatsächlich bewusst wegen einer neunzehnjährigen, reichen, frechen Frau.
Und anstatt sie jetzt von mir zu stoßen, wie ich es sonst immer mache, fange ich an, mit ihr zu kuscheln.

Und ich genieße es.

Sie streicht über meine Haare, was mir eine wohlige Gänsehaut verpasst.
„Kurze Frage", murmle ich und schaue sie wieder an, streiche ihr dann eine Haarsträhne von der Schulter und gebe ihr dann einen Kuss auf das Kinn.
„Warum mussten wir uns so kennenlernen?", spreche ich meine Frage aus.

Sie zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber anders wären wir uns vermutlich nicht aufgefallen."

Ich schaue sie irritiert an. „Anders wären wir uns nicht aufgefallen? Im Ernst?"
Sie zuckt wieder mit den Schultern.
„Kamie, du würdest mir unter Millionen von Menschen auffallen."

Sie schaut mich lange an und sagt nichts. Garnichts. Ich tue es ihr nach.

Und dann ertönt ein lautes knacken hinter uns. Ich drehe mich ruckartig um.
„Hast du das auch gehört?", frage ich alarmiert und sie springt sofort von meinem Schoß runter.
„Was war das?", fragt sie panisch.
„Hört sich an als wären wir hier nicht alleine. Irgendwer ist auf einen Stock getreten.", sage ich und sehe mich um. 

Jemand ist hier. Und wenn dieser jemand ein Wichser ist, kann er mein Leben zerstören.
Panik steigt in mir auf.

„Wir müssen hier weg.", meint Kamie ängstlich.

Aber ich bleibe sitzen. Wer auch immer das ist, wird uns nicht wehtun, zumindest nicht körperlich. Da bin ich mir sicher. Ich habe nur das ungute Gefühl, dass diese Person jemandem das Leben zur Hölle machen will.

„Was machst du??", fragt sie irritiert.
„Jetzt ist es sowieso schon zu spät um abzuhauen. Er oder sie hat uns eh schon gesehen. Vielleicht haben wir Glück und es ist jemand, der uns nicht kennt."

„Wie kannst du so ruhig sein?", fragt sie unruhig.
„Was soll ich denn machen?"
„Weg von hier, verdammt!"
„Warum denn? Kamie, es ist zu spät. Egal wer es ist, wir müssen darauf hoffen, dass wir Glück haben."
„Es tut mir so leid.", murmelt sie schließlich und ich sehe, wie ihr Tränen in die Augen schießen. Sofort stehe ich auch auf und ziehe sie in meine Arme, um ihr behutsam über die Haare zu streichen.

Sie krallt sich an mir fest, als wäre ich das einzige, was sie gerade hier hält.

„Was ist los?", frage ich leise und lege mein Kinn auf ihren Kopf. Sie weint. Und das sorgt dafür, dass sich etwas in meinem Brustkorb schmerzhaft zusammenzieht.

„Ich zerstöre dein Leben. Ich sorge dafür, dass du deinen Job verlierst. Ich sorge ja sogar dafür, dass du danach nie wieder deinen Traumjob machen kannst. Ich-", beginnt sie, doch ich unterbreche sie.

„Kamora. Ich habe dich geküsst. Ich bin das Risiko eingegangen. Du hast an nichts davon Schuld. Außerdem ist ja auch noch nichts passiert. Vielleicht war das auch einfach nur ein normaler, nichts ahnender Spaziergänger. Gib dir nicht die Schuld für etwas, für das du nichts kannst.", beruhige ich sie.

Natürlich habe ich Angst, meinen Job zu verlieren. Dieser Job ist mein Traum. Ich liebe es, Bodyguard zu sein.

Aber ich kann nichts gegen die Gefühle für Kamie tun. Ich kann nicht abstreiten, dass da mittlerweile Gefühle sind. Wenn auch nur schwache. Aber sie sind da. Ich habe vorhin nach meinem Herzen gehandelt, und das hat geschrien, dass ich sie küssen soll.

Auch wenn mein Kopf genau wusste, dass ich einen Fehler mache.

Sie beruhigt sich langsam wieder. Dann schaut sie zu mir hoch. Ihre Augen sind noch ganz glasig vom weinen. Sie schaut erst in meine Augen, dann über meine Wangen zu meinen Lippen.
„Oh mein Gott.", murmelt sie langsam.
„Was ist los?", frage ich alarmiert. Sie fängt wieder an zu weinen.
„Ich bin so eine Schlampe.", meint sie leise und lässt mich los, entfernt sich ruckartig von mir.
„Was?", frage ich, unschlüssig ob ich sie gerade richtig verstanden habe.

„Ich habe... ich war gerade eben noch auf einem Date mit Jason. Jetzt habe ich dich geküsst. Ich bin eine Schlampe.", keucht sie erschrocken und mir bleibt der Atem weg.
Ich schlucke schwer. Dann blinzle ich ein paar Mal und gehe wieder auf sie zu.

Ich umfasse ihr Gesicht mit beiden Händen und zwinge sie somit, mich anzusehen.
„Sage sowas nie wieder.", sage ich ernst. Es macht mich wütend, dass sie sich selbst so beschimpft.
„Aber es stimmt.", eine Träne löst sich aus ihrem Augenwinkel und ich wische sie mit meinem Daumen weg.

„Nein. Hör auf sowas zu sagen. Du bist keine Schlampe. Nur weil du dein Leben lebst, heißt es nicht, dass du eine Schlampe bist. Hör auf dir das einzureden. Wenn ein Mann sowas tut, denkt niemand daran. Also warum sollte eine Frau eine Schlampe sein, weil sie verdammt nochmal ihr Leben lebt?"

Sie schluchzt und sieht mich erschrocken an. Dann nickt sie. „Du findest mich nicht eklig?", fragt sie unsicher.
„Was?! Nein! Kamie. Ich habe dich geküsst. Nicht andersrum. Warum zum Teufel sollte ich dich eklig finden?", ich bin irritiert. Wer hat ihr sowas eingeredet?

„Können wir wieder zurück?", fragt sie schluchzend, woraufhin ich nicke und ihre Hand in meine nehme und mit ihr zurück zum Campus gehe.

Ich will nicht, dass sie weint. Ich will nicht, dass sie denkt, sie sei eklig, weil sie zwei Männer am selben Tag küsst. Ich will, dass sie glücklich ist.

Natürlich macht mich der Gedanke wütend, dass jemand anders sie geküsst haben könnte und dass jemand anders ihr so nahe war. Aber es ist ihr Leben. Ich habe ihr nichts zu sagen. Und wenn sie so leben möchte, dann darf sie das. Sie darf ihr Leben genießen. Nein, sie soll es genießen. Und es soll ihr niemand im Weg stehen. Auch ich nicht.

Auch wenn das bedeutet, dass ich mein Ego vergraben muss.

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