Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase und ich öffnete langsam meine Augen.
Ich lag komplett ohne Decke im Bett. Seufzend, da ich ich eh nicht mehr schlafen konnte, stand ich auf und schleppte mich ins Bad.
Als ich fertig war ging ich runter in die Küche. "Guten Morgen, Schlafmütze", sagte Ryan fröhlich und drückte mir im vorbei gehen einen Kuss auf die Wange. Ich murmelte als Antwort so etwas wie 'Morgen' und ließ mich auf den Barhocker vor der Kücheninsel fallen. "Schon vergessen, dass wir heute umziehen?", fragte Ryan als er den nächsten leeren Karton anschleppte. "Ne. Aber willst du das alles mitnehmen?" Er sah sich um. Alles war leergeräumt. "Theoretisch gehört das alles mir." "Hast du mit deinen Eltern darüber gesprochen, dass du ausziehen willst?" Er schüttelte den Kopf und packte weiter alles ein, was er in die Finger bekam. "Ich mach mal Frühstück", seuftzte ich und stand auf.Eine Stunde später waren wir mit Frühstücken und packen fertig. Jetzt luden wir alles in Ryans Auto und fuhren los.
In der Wohnung strichen wir die Wände, bauten Schränke und so auf und räumten alles wieder da rein.
Völlig erschöpft ließ ich mich auf das Sofa plumpsen und schützte meinen Kopf auf meiner Hand ab. Ryan räumte noch die letzten Vasen in eine Vitrine und setzte sich dann neben mich. Ich knabberte an meinen Fingernägeln, obwohl ich damit aufhören wollte. "Ich hab Angst, dass ich es nicht schaffe." "Du kriegst das hin. Ich glaub an dich." Das half mir zwar nicht wirklich weiter aber ich fühlte mich schon viel besser nachdem er das gesagt hatte. Was, wenn ich ihr nicht helfen konnte? Wenn ich diese Pflanze nicht finden würde? Ich machte mir jetzt schon Vorwürfe. Das eine schlimme war ja, dass Mira dann vermutlich...sterben würde. Das andere war, dass Mom und Dad ewig sauer auf mich war.
Da fiel mir ein, dass ich Mom ja noch anrufen wollte aber was sollte ich ihr sagen? Ich meine ich konnte ihr ja schlecht erklären, dass Mira heute Abend vielleicht gerettet wird und das ausgerechnet von mir.
Was sollte ich eigentlich mit der Blume machen, wenn ich sie hatte? Sie, samt Dornen, an Mira verfüttern? Kochen? Einen Tee aus dem Saft der Blüten machen?
Eine Stimme, die mich rief, riss mich plötzlich aus meinen Gedanken. "Evelyn?", fragte sie. "Kathleen?", faragte ich zurück. "Die Tür stand offen und eure Klingel funktioniert nicht." Ich nickte und sagte:"Ich weiß." "Wollen wir los?" Ich nickte erneut.
Ich stemmte mich hoch. "Tut mir leid, dass ich an Silvester, unserem ersten gemeinsamen Abend in diesem Haus, nicht hier sein kann", sagte ich betreten zu Ryan. "Das macht nichts, Hauptsache du kannst Mira helfen", sagte er und drückte mich einmal fest an sich. Ich lächelte, zog meine Jacke und meine abgetragenen Schuhe an. Kathleen saß schon im Auto und wartete auf mich. Ich setzte mich neben sie und schnallte mich an. Wir fuhren los.
"Wie soll ich Mira die Blume den eigentlich geben? Soll ich sie kochen oder Tee machen?" Ein kurzes Schweigen breitete sich aus. "Ich weiß es nicht, Evelyn. Wir müssen es einfach nach Gefühl machen." Na toll. "Okay", antwortete ich zuversichtlich.
In Gedanken versunken malte ich Zeichen an die Beschlagene Scheibe und wische sie dann mit dem Ärmel wieder weg. " Wir sind da", holte Kathleen mich nach einer Weile aus meinen Gedanken zurück in das hier und jetzt. Ich öffne die Beifahrertür und steige aus. Es war schon dunkel und der helle Halbmond warf gruselige Schatten auf die Straße. Wir gehen einen kleinen Pfad der sich geschickt durch das Gebüsch schlängelte und zu einem großen See führt. Kleine Wellen plätschern an das Ufer, der See glitzerte geheimnisvoll in dem Mondlicht. Ich erkenne den See, hier war ich öffters als kleines Kind mit Paul, meinem Sandkastenfreund, oder meinen Cousinen baden. Versonnen erinnerte ich mich an meine glückliche Kindheit.
Paul war früher mal in mich verliebt, er hat es mir unzählige Male gesagt und irgendwann, als wir älter waren, wollte er mit mir gehen und ich habe 'Nein' gesagt, weil ich einfach nicht in ihn war. Aber irgendwann sind er und seine Familie weggezogen und gerade da mochte ich ihn richtig gerne...Eigentlich war es verwunderlich, dass ich so oft in der Nähe von meiner echten Mom und meinen anderen Verwandten war aber sie nie gesehen habe. Mittlerweile kam Kathleen mir nicht mehr wie meine Mutter vor sondern eher wie eine große Schwester oder eine gute Freundin, die nur einfach ein paar Jahre älter als ich war. Ich fragte mich gerade wie alt sie eigentlich war, da sie ziemlich jung aussah, als sie mich aus meinen Gedanken riß.
"Alles okay?", fragte sie vorsichtig. Ich wischte die Tränen, die mir leise die Wange hinunter liefen weg und nickte. Wieso weinte ich jetzt? Vielleicht aus Angst vor dieser Nacht oder wegen meinen Erinnerungen?Kathleen führte mich zu einer nahegelegenen Wiese. Wir liefen hindurch. "Ist es die Wiese?" Ich nickte und sah mich um. Sie war echt riesen groß und ich hatte keine Ahnung, wie ich das schaffen sollte in höchstens einer Stunde abzusuchen. Ich konnte mich noch nicht mal an den Geruch von der merkwürdigen Rose erinnern. Ich wusste nur, wie sie aussah. Mehr nicht.
"Wie spät ist es?", fragte ich und spürte wie mein Herz klopfte. "Sieben Uhr. Wir haben noch massig Zeit." "Und was machen wir so lange?" Kathleen zuckte mit den Schultern.
Die ersten Raketen explodierten über unseren Köpfen. Wir waren weit genug weg so, dass sie nicht all zu laut waren. Doch schon bald hörte ich, wie angetrunkene Jugendliche einen Bollawagen zum See zogen, die hatten garantiert Raketen dabei.
"Jaaa! Woho!", rief einer und ich sah ihn in der Dunkelheit auf das Gebüsch zu taummeln wo er sich übergab. Angeekelt sah ich weg. Kathleen kümmerte sich nicht darum und setzte sich an einen Picknicktisch am Rande der Wiese und bedeutete mir mich neben sie zu setzten. Ich ließ mich auf das harte, feuchte Holz fallen, als sie eine Flasche Sekt aus einem Beutel zog. Ich sah sie fragend an. "Besser du bist beschwipst, dann ist es nicht so schwer", sagte sie und lächelte.Ich wurde jede Minute nervöser. Ich sah ständig auf mein Handy und versuchte vergeblich nicht an das zu denken, was in ein paar Stunden sein könnte und was nicht.
Die Teenager störten uns nicht weiter, da, wenn sie betrunken waren, eh nicht auf einen Wolf achteten, der ziellos durch die Wiese lief. Das einzig, was uns sorgen bereitet, waren die grellen Lichter und der Lärm. Es war viel schlimmer, als wir es uns vorgestellt hatten und viel lauter. Wir übten ein paar mal, wobei hauptsächlich Kathleen ihre gewünschte Form, als Wolf, behielt. Ich hingegen war vollkommen unorientiert und unfähig, wenn ich es wollte, ein Wolf zu bleiben. Erschöpft setzte ich mich auf die Bank und trank in einem Schluck den restlichen Sekt, aus der Flasche, aus.Nur noch eine halbe Stunde...mein Magen zog sich zusammen...
Nur noch zwanzig Minuten...ich öffnete die zweite Flasche Sekt und trank sie fast halb aus...
Nur noch fünfzehn Minuten...nervös krallte ich meine Fingernägel in das Holz...
"Evelyn? Wir sollten anfangen", Kathleen nickte mir zu und wir stellten uns nebeneinander, jetzt wurde es ernst, für Mira und mein Gehör.
Ich konzentrierte mich und schaffte es tatsächlich mich zu verwandeln. Ich lief auf leisen Samtpfoten auf und ab. Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt. Es war bestimmt...Kathleen jauelte auf, und auch ich konnte ein Knurren nicht unterdrücken, die Raketen schossen hell und laut in den Himmel. Verzweifelt sah ich mich um, Kathleens Fell sträubte sich und auch mir fiel es zunehmend schwerer, überall waren laute Knalle zu hören, der ganz Himmel schien zu brennen, er war voll mit bunten Lichtern. Ich lief durch das nasse Gras und hielt mich, so gut es ging, unten. Meine Nase immer voraus rannte ich so schnell es ging, aber doch darauf bedacht die Blume nicht zu zertreten, auf der Wiese hin und her. Irgendwann wurden es immer weniger Raketen und dann hörte es ganz kurz auf, es musste Mitternacht sein. Das hieß gleich würde es noch lauter als vorher werden. Verzweifelt suchte ich.
Ich hörte, wie sich mir Schritte näherten und sah schlagartig auf. Es war Kathleen, die sich langsam von mir weg bewegte. Sie hatte sich schon zurück verwandelt und das, obwohl jetzt der beste Zeitpunkt war um sich auf die Suche nach der Blume zu machen. Sie blieb stehen und sah mich an, meinem Instinkt nach wollte ich laufen, weg von ihr aber irgendetwas in mir blieb vernünftig und beachtete sie nicht weiter sondern machte sich auf die Suche nach etwas von dem ich nur wusste, wie es aussah nicht wie es roch oder wie man es sonst finden könnte. Ich schlich hin und her, die Nase am Boden, in der Hoffnung das ich etwas ungewöhnlich roch, und beeilte mich. Ich hatte nicht mehr viel Zeit und dann blieb ich plötzlich wie erstarrt stehen, ich konnte nicht glauben, was ich da sah...Hallo :)
Die Suche ist zwar nicht spannend, so wie ich es mir selber vorgestellt hatte, aber wie findet ihr es?Hel, euer Gummibärchen ♡ ♥ ♡
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Und alles ist anders
WerewolfEvelyn und Mira, die beiden Geschwister, leben mit ihren Eltern in London. Eigentlich ist alles perfekt, doch es gibt ein Problem; Mira ist Todkrank, sie macht unzählige Therapien aber es bringt nichts, Evelyn ist am verzweifelt. Mira selbst scheint...