Das Familienoberhaupt

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Ihm kullerten dicke Tränen über die Wangen, trotz dass er krampfhaft versuchte sie zurück zu halten.
Ich legte zaghaft meine andere Hand auf seinen Kopf.
Er blickte unweigerlich in meine Augen und schlurzte weiter.
Ich weiß nicht wieso, aber ich nahm ihn instinktiv in meine Arme.
Er klammerte sich um meinen Körper und weinte bitterlich.
Ich konnte seine Sorgen, Ängste und auch die Freude in ihm spüren.
Sein Bruder hatte in den jungen Jahren schon einen gewissen Schmerz in sich, den jemand in seinem Alter nicht mal annähernd erfahren sollte.
Kyojuro schaute erst verwundert, aber dann erleichtert.
„Beruhige dich. Ich habe mein bestes getan.
Aber... weißt du auch was ich bin?"
Fragte ich den Jungen.
Senjuros große Augen schienen mir tief in die Seele zu schauen.
„Das ist mir egal! Für mich bist du ein Mensch, der meinem geliebten Bruder das Leben gerettet hat!"
Seine Worte waren so ehrlich und klar, wie es nur Kinder sagen können. Das berührte mein Herz zutiefst.
„Ich danke dir für deine Worte. Sowas hat noch nie jemand zu mir gesagt."
Ich nahm meinen Hut ab sodass er meinen Kopf nun komplett sehen konnte.
Senjuro lächelte und schaute zu seinem Bruder.
„Ich werde uns einen Tee aufsetzen und Vater holen! Ruht euch solange aus."
Er stürmte sofort los und ließ mich mit Kyojuro allein.
„Er mag dich sehr! Ich hab ihn selten so zutraulich erlebt. Du bist wirklich was besonderes Ava!"
Ich schaute in seine lodernden Augen die mich sehr sinnlich anschauten.
Ruckzuck lief ich wieder rot an und hielt mir meinen Hut vor das Gesicht.
„Ich bin nicht so besonders wie du denkst. Ich bin bloß merkwürdig und ziemlich eigen."
Er nahm den Hut runter um mein Gesicht zu sehen.
„Verstecke dein Gesicht nicht vor mir! Dafür sehe ich es zu gern!"
Die schon fast romantische Unterhaltung wurde von einem gewaltigen poltern unterbrochen. Die Aura die so voller Wut und Trauer steckte, kam immer näher zusammen mit Senjuro.
„ICH HOFFE DU HAST MEINEN SAKE DABEI! ZU MEHR BIST DU AUCH NICHT GUT!"
Die Tür vor uns bewegte sich und ein Mann mittleren Alters, mit den selben äußerlichen Merkmalen wie Kyojuro und Senjuro stand nun vor uns.
Er hatte scheinbar seine besten Tage hinter sich und schaute mich mit einem Blick an der töten könnte.
„Huh? Wer ist die Braut da?! Seit wann bringst du ein Mädchen mit?! Sieht dir nicht ähnlich! Wo ist mein Sake?!"
Hatte er allen Ernstes grade Braut zu mir gesagt?!
Was stimmt mit dem Mann nicht?!
„Vater das ist Ava Hinamori. Sie hat mein Leben gerettet im Kampf gegen einen zunehmenden Mond. Sie ist mein Gast für diese Nacht!"
Kyojuro sprach mit ihm freundlich und zuvorkommend, doch seinem Vater schien das nicht zu interessieren.
Der Stampfte auf mich zu und betrachtete mich abwertend.
„Du taugst auch zu garnichts! Wenn schon ein Bauer wie sie, stärker ist als du, bist du wirklich erbärmlich!"
Er zückte eine große Flasche Sake und kippte diese in seinen Mund.
Warum ist er so ekelhaft zu Kyojuro? Er ist doch sein Sohn?
Hier hängt der Haussegen wirklich schief und dass nicht erst seit heute.
„Freut mich Sie kennen zu lernen. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft!"
Ich verneigte mich höflich vor ihm und wollte es auf dem netten Weg versuchen.
Kyojuro hatte mich ja gewarnt, dass er viel trinkt und Dinge sagt die nicht so gemeint sind, aber hinter dieser Verachtung steckt was ganz anderes. Da bin ich mir sehr sicher, denn auf mein Bauchgefühl ist immer Verlass.
„Geh mir aus den Augen! Auf deine Nettigkeit kann ich verzichten!"
Er stieß mich beiseite und riss Kyojuro die Sakeflasche aus der Hand.
„Entweder sie schläft in deinem Raum oder im Garten! Mir egal wo sie bleibt, aber morgen ist sie verschwunden klar?!"
Er zog sich wieder dahin zurück wo er hergekommen ist und würdigte uns keines Blickes mehr.
„Tut mir leid Ava. Meinem Vater geht es nicht so gut. Nimm es dir nicht so zu Herzen."
Kyojuro legte seine Hände auf meine Schultern und schaute mich beschämt an.
„Entschuldige dich nicht! Dein Vater ist allein für seine Worte verantwortlich und ich wusste ja dass sowas passieren kann. Immerhin hast du mich ja auch vorgewarnt."
Er lächelte mich an und wuschelte durch mein Haar.
Dann zeigte er mir das Haus und den Garten.
An sich war es echt schön hier und man konnte prima in den Nachthimmel schauen.
Ich beschloss erstmal allein ein Bad zu nehmen, um mir den dreck vom Kampf völlig ab zu waschen.
Obanai war nicht grade halbherzig ran gegangen und mein Rock war etwas zerschlissen.
Dann klopfte es an der Badtür.
„Entschuldige Ava, aber ich hab saubere Kleidung für dich! Sie gehörten unserer Mutter, ich hoffe sie passen dir! Ich leg sie hier vorne ab!"
Senjuro war echt niedlich. Er hatte mir sogar Sachen gebracht und war richtig fürsorglich.
Aus ihm wird mal ein wunderbarer Mann werden auf den man stolz sein kann.

Das Familienoberhaupt
Ende

Löwe & DahliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt