"Mein lieber zukünftiger Ehemann,
lieber Unbekannter,
Ich schreibe doch noch am Abend, weil ich einiges an Zeit habe.
Der Mond scheint wirklich hell über den Mooren von Rose Valleys. Ja, ich bin in den Mooren, falls Du das annimmst. Zwar noch am Rande, aber ich habe einen weiten Weg vor mir. Die Besprechung brachte doch einige unerwartete Folgen mit sich.
Kurz vor Ende fragte Mr. Alden den Pfarrer, was sie wegen dem Verschwinden seiner Frau tun sollten. Außer ihm schien es niemanden zu interessieren, was überhaupt mit ihr geschieht.
Gelangweilt stützte ich meinen Kopf auf meiner Hand ab und tupfte mir mit meinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Konnte Mr. Alden nicht alles selbst tun? Selbst nach ihr suchen? Nein, seine Angst spiegelte sich in jedem einer Schritte wieder. Eine Angst, welche er aber schon lange vor dem Kennenlernen mit mir haben musste, da sie schon fast sein Merkmal war. Es war kein Wunder, dass ihn seine Frau nie ernst nahm, wenn er niemals Rückgrat zeigte. Vielleicht sollte er es aber auch nicht, denn das würde nur zu Streit führen. so wie damals...
"Freu dich Richard. Dann musst Du sie nicht mehr wiedersehen", Mr. Fosters Lachen brachte ihm selbst einen bösen Blick seiner Frau ein. Wie konnte er nur solch etwas sagen? Und kannten sie sich wirklich so gut, dass sie einander mit Vornamen anredeten und sich duzten? Verräter. Ich mochte Mr. Alden von Moment zu Moment weniger, was mich leider nicht ein wenig weiterbrachte.
"Das ist nicht lustig, Marc!", etwas gekränkt wandte er sich zur Seite. Vielleicht war er doch nicht so schlecht, wie ich von ihm dachte.
"Da niemand nach Lucy suchen möchte, werde ich mich auf den Weg machen müssen", verkündete ich, ohne dabei selbst zu wissen, was ich sagte. Während die Worte schneller kamen, als der Zweck dahinter, sahen mich alle fassungslos an. Diesmal brauchte selbst Mr. Foster einige Minute, bis er zu lachen begann.
"Sie? Auf der Suche nach jemandem in ihren Kleidern? In einem Moor?", so überzeugt war doch nicht.
"Aber natürlich. Ich ändere meine Entschlüsse nie. Nur zwei Dinge brauche ich noch. Erstens, ein wenig Proviant, da dieses Moor laut der Karte mehrere hundert Meilen Fußweg umfasst. Zweitens, noch ein anderes Paar Schuhe, mit Stöckelschuhen kommt man hier nichts sonderlich weit."
Erstaunte Blickte trafen mich. Allein dieses Erstaunen war meinen plötzlichen Entschluss wert gewesen. Man konnte zum ersten Mal hier in jedem einzelnen Gesicht ablesen, was sie dachten.
Mr. Foster fand einfach keine Antwort, was ihn tief beschämte. Er hielt mich wohl für etwas Minderes, auf all seine möglichen Gründe möchte ich nicht eingehen.
Mrs. Foster sah mich erstaunt an, sie hatte viel weniger Mut von mir erwartet, wie auch, wenn wir nur stritten, sobald sie meinen Weg kreuzte?
Ms. Foster verschränkt bloß die Arme und sah mich schmollend an. Sie wollte nicht noch ihre zweitgrößte Rivalin wiedersehen. Wo die eine in ihrem Augen schon zu viel war.
Selbst der Pfarrer stand und da und konnte meine Worte nicht fassen. Rede ich so unverständlich? Ich glaube nicht, schließlich haben sie mich alle gehört.
Mr. Alden. Mr. Alden stand einfach nur da. Man konnte ihm ansehen, dass er selbst gegangen wäre, wäre nicht seine Angst. Seine Angst vor allem und jedem. Seine Angst, zu riskieren und doch zu verlieren. In diesem einen Moment freute ich mich, dass ich diese Angst nicht hatte, sondern er. Was wäre aus Lucy geworden, wenn er jedes Mal einen Streit angefangen hätte, wenn ihm etwas nicht passte? Sie hätte niemals, wie so viel Frauen hier, einfach nachgegeben. Genau deshalb war sie mir auch so ähnlich.
Ja, ich konnte viel riskieren, hohe Einsätze waren schon immer mein Leben. Aber was sollte ich schon verlieren? Da gab es nichts. Leonore hatte ich verloren, indem ich nett und brav war. Indem ich vor Risiken scheute. Außer Leonore konnte ich nie etwas verlieren. Geld hatte ich immer genug, schöne Kleider auch, Rose Village hätte ich mir auch kaufen können, wenn es mein Plan wäre. Mut kann man nicht kaufen, man hat ihn oder nicht. Lucy sollte nicht einfach irgendwo verloren gehen wie Leonore.
"Dann...dann hole ich Ihnen Proviant und ein paar Schuhe", ein kleines Lächeln machte sich auf Mr. Aldens Gesicht breit.
Ich stolzierte breit grinsend hinter ihm her, auch wenn ich durch meine Schuhe um einige Zentimeter größer wirkte, was nicht sonderlich schön aussah.
"Bildet sich was ein, diese Frau. ich wette, sie kommt nach ein paar Stunden heulend wieder zurück, weil es zu dunkel war."
Mister Foster. Immer musste er einen Kommentar abgeben, wenn auch ein paar Stunden zu spät. Wenn seine Frau dann reumütig zur Seite sah, dann sollte er sich nicht wundern.
Aber nun konnte ich erst recht nicht heulend nach ein paar Stunden zurückkehren. Bis zum bitteren Ende würde es nun gehen, um es dramatisch auszudrücken. Aber so bin ich eben, wenn es um hohe Einsätze wie ein Leben geht; Entscheidung gefallen und kein Weg zurück. Entweder finde ich sie bald, oder ich kehre nie ehr zurück.
Vor dem Laden traf ich den jungen Alden, James. Er hatte alles durchs Fenster mitbekommen. keine Manieren, kommt eindeutig nach seinem Vater.
"Miss Relish?", am liebsten hätte ich ihm geantwortet, dass ich so heiße, aber ich unterließ es lieber. In einem Gespräch dürfen nicht beide Seiten den Charakter eines Kindes einnehmen. Also musste ich ernst bleiben.
"Mr. Alden. Was wünschen Sie?"
"Sie suchen wirklich nach Mutter?", er zweifelte meine Standfestigkeit mehr an, als ich es tat.
"Natürlich. Und Sie lauschen wohl an Türen."
"An Fenster. das ist etwas anderes. Soll ich in einer halben Stunde schauen, ob sie schreiend Nachhause rennen", er war einfach nur kindisch. Würde dieser junge Mann nie erwachsen werden?
"Nein. Ich werde erst dann wieder kommen, wenn ich Lucy gefunden habe."
"Erst dann? Dann brauchen Sie sicherlich noch Jahre, bei ihrem Orientierungssinn ist sie sicherlich schon irgendwo in die andere Richtung unterwegs. Kaum jemand wird sie hier vermissen. Sie sind wohl ihre beste und einzige Freundin", wie viel davon erst ernst meinte und wie viel gescherzt war, konnte ich nicht genau heraushören. James mit seinem kindlichen Charakter war auch der einzige, bei welchem ich nicht an den Augen erkennen kann, wie er etwas meint.
"Natürlich bin ich ihre beste Freundin. Es scheinen schließlich nicht viele Leute genug Stil zu haben. Wenn Sie erlauben, dass ich mich nun verabschiede", ich brach das Gespräch ab, da Mr. Alden mit dem Proviant zurückkam und ich meine lange Reise beginnen wollte.
"Sie sind ihr wirklich ähnlich."
"Vielen Dank für das Kompliment. Sie leider nicht."
"Und darüber freue ich mich", mit diesen Worten von James ging mein letztes Gespräch in Rose Village zu Ende und ich machte mich auf den Weg in die Moore. Dieser Sturkopf!
Nun sitze ich hier, mit verdrecktem Kleid und zerzaustem Haar und frage mich, aus welcher Richtung ich kam. Laut der Karte bin ich aber nicht sonderlich weit gegangen. Irgendwann, jedenfalls hoffe ich das, kehre ich Nachhause zurück.
Nun habe ich aber kein Licht mehr, bei dem ich schreiben kann, weshalb ich es nun aufgebe.
Auf Wiedersehen
Deine
Elisabeth"
Die Blätter rauschten in Wind und ein Tier lief an ihr vorbei. Elisabeth zog ihre Beine näher an den Körper.
Hatte sie sich richtig entschieden? Würde sie wirklich dabei bleiben? Viele Fragen und keine Antwort.
Sie hatte sich entschieden, auch wenn sie lange damit haderte. Zurück blieb nur die Hoffnung.
Manche Entscheidungen, an denen man zweifelt, werden vom Leben übernommen. Doch würden diese auch mit dem Leben ausgehen?
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Rose Village-der Duft von Rosen
Historical FictionLangsam hatte ich Rose Village satt. Von wegen rosiges Leben - die reinste Tortur! Streit, Hass und Eifersucht, wohin man nur blickt. Und ich im Mittelpunkt von alledem. Ich war Lady Sky, doch ließ mich wie der letzte Dorftrottel behandeln. Weshalb...