siebtes Kapitel: Rose School

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

lieber Unbekannter, 

Heute war mein erster Tag an der Rose School. 

Ich kann Dir versichern, schlechtere Schüler habe ich niemals in meinem Leben gesehen! Außer über Farmarbeit wissen sie nichts, allerdings werden wir das grundlegend ändern. 

Ist es etwa eine Ausrede, dass fast alle später Farmer werden? Für mich jedenfalls nicht, denn ich habe hier schließlich kennengelernt, dass fehlende Schulbildung auch die Intelligenz der Menschen erniedrigt und ein unerhörtes Benehmen hervorruft. Das beste Beispiel dafür ist Mr. Foster. 

Nicht, dass ich etwas gegen Leute habe, welche nicht in der Schule waren, ich bin dort nie gewesen, hatte es aber auch nicht nötig, da ab dem zwölften Lebensjahr Hauslehrer kamen. Lesen und Schreiben habe ich natürlich schon davor fließend beherrscht, also sollten es auch die andere lernen können. 

Nur Jenny ist allen weit voraus. Was könnte man auch anders erwarten, bei dieser Abstammung. Sie erhält meist hundert Punkte, die vollständige Punktzahl und das sogar ohne mein Zutun. Sie ist wirklich die einzige Schülerin, welche der Leistung ihrer Altersgruppe entspricht. Auf den Rest der Klasse wird noch sehr viel Arbeit warten. 

 Der schlechteste in der Klasse ist Theodor. Theodor Foster. Wie hätte man sich das auch anders denken können. Am liebsten hätte ich ihn einfach grundlos in die Ecke gestellt, doch dann hätte sein lieber Vater sicherlich einen Aufstand gemacht. Also dokumentiere ich jede einzelne seiner Bewegungen, sowie auch die der anderen Schüler, und setze schöne Strafen aus. 

Als Dank für sein Benehmen darf er bis siebzehn Uhr in der Ecke stehen, sowie auch die drei folgenden Tage. Nicht, dass ich ihm keine Chance zum Lernen gebe, seine Aufgaben erledigt er an der Wand, da er leider nicht an die Tafel schauen darf, muss er sich auch jedes einzelne Wort von mir notieren. Zuhause warten außerdem noch Hausaufgaben, welche er beim besten Willen nicht vor dem Schlafengehen erledigen kann. Für jede einzelne verpasste Aufgabe stehen eine halbe Stunde in der Ecke stehen auf dem Plan, welchen ich mir gemacht habe. 

Zu meinem Ärger haben wir nur vier Ecken im Raum, selbst wenn ich alle vollständig besetze, bleiben immer noch Schüler übrig, welche ihrer Bestrafung entrinnen. Wohl oder übel muss ich morgen bis achtzehn Uhr, oder gar länger, bleiben, um alle Kinder ihre Zeit ausstehen zu lassen. Die Hausaufgaben dürfen sie natürlich nicht währenddessen erledigen. 

Mir kamen schon Gerüchte zu Ohren, dass ich die Kinder einer entsetzlichen Qual aussetzen würde, doch ich weiß nicht, wem das Stehen in der Ecke bisher geschadet hat. Wenn sie sich benehmen würden, müssten sie auch nicht tun. 

Doch im Gegensatz zu den ersten zwei Stunden, Lesen wohlbemerkt, verbesserte sich das Benehmen von Stunde zu Stunde rapide. Am Ende bemühten sich ganze fünf Schüler, meinem Unterricht zu folgen. 

Nur Theodor macht immer noch nicht das, was ich ihm befehle. Andauernd dreht er sich in der Ecke um, tuschelt mit den weiter vorne sitzenden Kindern und zeigt mit, wenn ich mich gerade umdrehte, die Zunge. 

Damit war es nach kurzer Zeit wirklich zu viel und ich drehte mich zu ihm: "Theodor! Umdrehen!" 

Hektisch drehte er sich im Kreis, als ob er meinem Befehl als Scherz empfinden würde. Doch damit war endgültig Schluss, also packte ich ihn heftig an den Schultern und hielt ihn fest, bis er mich endlich ansah. 

"Du wirst Dir nie wieder diese Scherze mit mir erlauben. Verstanden?" 

"Aber ich erlaube mir die Scherze doch", er zuckte mit den Schultern und die Klasse lachte. 

"Das war keine Frage, Theodor. Du wirst es nicht mehr, oder willst Du, dass ich Dich hier über Nacht einschließe?", seine Spielchen gingen einfach so sehr auf die Nerven, dass ich so laut sprach, wie ich konnte, nur damit meine Hand nicht ausrutschte. 

Der Junge schluckte. Über Nacht wollte er vermutlich nicht bleiben. Also war damit alles beendet. 

Ich überlege, ob ich morgen mein Lineal mitbringen sollte. Ein Schlag würde die Ruhe im Raum sicherlich wieder herstellen, dabei bin ich sicher. Doch vermutlich würden viele Eltern ihre Kinder vollständig zurückziehen, wobei mir dann die schönen Bestrafungen erspart bleiben, deshalb lasse ich es lieber. Ich würde eigentlich auch bis Mitternacht in der Schule bleiben, nur um die Kinder zu beaufsichtigen, doch mein Abendessen bei den Aldens möchte ich auf keinen Fall verpassen. 

Falls es Dich interessiert, möchte ich mit Dir meinen neuen Plan besprechen. Ja, ich habe wieder vor, alles zu ändern. Rechnen, Lesen und Schreiben sind einfach nicht genug für die älteren Kinder. Wieso quälen wir sie dann nicht noch mit Musik, Französisch und Latein? Ich weiß, ein Farmer braucht kein Musik, Französisch und Latein, allerdings hoffe ich damit etwas Intelligenz unter das einfache Volk zu mischen, welches schon mit simplem Aufgaben hilflos überfordert ist. Schließlich muss ich nach Ms. Foster das Niveau erheben, da sie dazu nicht in der Lage war, ich aber nicht vorhabe für immer Lehrerin zu bleiben. 

Ja, Du hast recht gehört. Sobald ich meine Arbeit hier erledigt habe, werde ich meine Stelle aufgeben. Es ist immerhin unter meiner Würde, jeden Tag bis zur Dämmerung in der Schule zu verbringen. 

Nun habe ich aber eindeutig genug über meinen ersten Arbeitstag, denn das war er, geredet. Doch ich habe noch ein weiteres Thema mit Dir zu besprechen. 

Dr. Cavendish, dieser Mann mit dem Augenproblem, fragte mich, ob er mich zum Essen einladen dürfe. Da niemand in der Nähe war, welcher mich vor ihm hätte retten können, sagte ich zu. Nun muss ich am  Donnerstag mein wertvolles Familienessen verpassen, nur um stattdessen diesen seltsamen Mann etwa eine Stunde lang aushalten zu müssen. 

Lucy meint, ich solle hingehen, doch schon nach so kurzer Zeit wie möglich verschwinden. Ein Verehrer mit der Stelle eines Doktors sei etwas, womit man hier angeben könne, doch wenn ich früh genug gehe, könnte ich noch rechtzeitig zu den Aldens kommen. Ich denke, ich werde ihren Vorschlag wirklich annehmen und schnell wieder gehen. 

Außerdem verriet sie mir, dass das einzige Restaurant in dieser Kleinstadt schrecklich sei. Es gäbe kaum etwas auf der Menükarte und erst recht nichts, was man ohne Bedenken essen könnte. Alles in allem wird es noch ein lustiger Abend, nach dem, was ich so höre. Mehr als tausend Gründe, verfrüht zu gehen. 

Also dann bis morgen. 

Auf Wiedersehen 

Deine 

Elisabeth" 

Rose Village-der Duft von RosenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt