einundzwanzigstes Kapitel: Jenny Alden

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

Lieber Unbekannter, 

da es noch nicht Zeit ist, und ich Dir versprach, weitere Aufsätze niederzuschreiben, sende ich Dir diesmal den Aufsatz von Jenny. 

Mein Wochenende in Aldenland Originalität hat sie jedenfalls, das steht fest. 

Ein Wochenende wie schon die vorigen fünftausend, die ich das Glück hatte zu erleben. Zwei Tage voller zahlloser Stunden, die ich mit Sticken und Häkeln verbrachte, wie auch dem Lesen von Büchern. Es gibt eine Menge an hochinteressanter Literatur, die schon durch den Laden wanderte, von der es nicht eine Ausnahme gibt, die bei uns nicht im Regal steht. Recht interessant, was dieses Mädchen schreibt. Mit den fünftausend Wochenenden müsste ich sie eigentlich verbessern, denn laut meiner Rechnung sollten es einige mehr sein. 

Mein Schal scheint schon fast fertig zu sein, allerdings wird Mutter keinen Käufer finden, der dieses hässliche Ding. Wie sie mir schon mehrfach erklärte, sei er wunderschön und doch nichts, das sie zu ihrer Kleidung tragen könnte, womit er also nicht annähernd vornehm war. Man konnte es Lucy wirklich nicht verübeln - ich kenne Jennys Häkelarbeiten und grausam scheint nur ein freundliches Wort zu sein, wenn man damit auch die Straße müsste. 

Mich störte es nicht, im Gegenteil. So würde mich Mutter zu keiner weiteren Häkelarbeit zwingen, da diese völlig sinnlos und noch dazu anstrengend sind. Ich für meinen Teil liebte Häkeln und Stricken seit eh und je, also konnte ich ihre Reaktion nicht nachvollziehen. Sie war eben eine Mischung aus wohlerzogener Dame und zickiger Prinzessin. 

Nach der ganzen Arbeit, die mich zutiefst ermüdete, gab es natürlich aus die kleinen Spaziergänge durch den Laden. Auf die Straße zu gehen wäre bei diesem Wetter bloß ein Gräuel - meine wunderschön blasse Haut würde noch ganz verbrannt werden! So ließ ich es lieber, bevor ich noch wie eins dieser seltsamen Bauerkinder aussehen würde. Nicht auszudenken, wie schlimm das wäre! Jenny hatte ihren eigenen Schreibstil, der mir wirklich gefiel. Vieles konnte ich wirklich nachvollziehen, wenn auch nicht alles. 

Nun, da Du sicherlich nicht den gesamten Aufsatz hören möchtest, der zwanzig Seiten umfasste, springe ich nun einige Seiten nach vorne. Diese eine Stelle in ihrem Aufsatz war diejenige, die mich am meisten erschreckte. Ich hätte Jenny nicht so eine Kälte und Eifersucht zugetraut, wo sie doch immer die perfekte Dame zu sein schien. 

Zum Abendessen kam, wie jeden Tag, Miss Elisabeth Relish. Ja, Sie, Mam, da Sie, wie Sie gut wissen, jeden Abend kommen. Wie das Abendessen verlief, muss ich Ihnen also nicht so detailliert schildern wie die Bücher, die ich las. Sie wissen es schließlich. Es war mir noch unverständlich, was sie mit ihrem Text bezwecken wollte. Alles hatte einen gemeinen Ton, den ich anfangs nicht ganz deuten konnte. 

Mam, ich will keineswegs unhöflich wirken, wenn ich meine, dass Sie nicht mein liebster Gast sind, da ich mir keinen Gast vorstellen kann, der mir genehm ist. Doch - wie könnte man jemanden mögen, der von heute auf morgen da war und nie mehr gehen würde? Sie kamen einfach an, wurden sofort von der Familie mehr oder weniger herzlich aufgenommen und jeder hier im Dorf scheint Sie schon zu "uns" zu zählen. Doch, auch wenn ich Ihnen für Mutters Rettung dankbar bin und auch nicht Ihre Fähigkeit zu unterrichten in Frage stellen möchte, das sind Sie nicht. Langsam fiel mir fast der Text aus den Händen. Jenny wirkte immer freundlich und höflich, doch nun? Sie versuchte mich zu verscheuchen, ohne ihre grandiosen Noten zu verlieren. 

Sie sind eine Fremde, die einfach hier ankam, von der wir nicht das Geringste wissen, und jetzt noch ganz Rose Village verändern will. Mutter mag ihre Pläne sehr willkommen heißen, was jedoch nicht heißt, dass sie sich aufführen müssen, als würde es Ihnen besitzen. Rose Village gehört den Aldens und dabei wird es immer bleiben - Sie gehören nicht dazu. Und auch wenn Sie sich noch aufführen, als würden Sie zur Familie gehören, niemals! Sie sind nicht meine Schwester, sondern nur meine Lehrerin. 

Falls Sie mir hierauf als Dank eine schlechte Note geben, werde ich noch dafür sorgen, dass meine Familie Sie hassen wird. Immerhin würde ich meine, dass meinen Aufsatz fehlerfrei ist. Glauben Sie mir, ich bin nicht so dämlich und naiv, wie alle denken. 

Danach widmete sie sich nur simplen Gerede über nichts. Ich hatte kaum aufnehmen könne, was ich da las. Morgen würde dieses Mädchen sicherlich wieder in die Schule kommen und lächelnd auf ihren Stuhl sitzen. 

Sollte ich sie mit einer schlechten Note bestrafen? Nein. Nicht, weil sie mir drohte, sondern weil es nicht korrekt wäre.  Und ich habe immer großen Wert auf Korrektheit gelegt. 

Vielleicht hatte sie mit ihrem Aufsatz sogar recht. Ich meine, ich kam hier an und stellte mich sofort zu ihrer Familie. Vermutlich war ich einfach nur zu aufdringlich mir einzubilden, dass sie mich wirklich mögen würden. Das ist auch wieder uninteressant. Ich werde sowieso bald heiraten, dann werde ich den Aldens nicht mehr zur Last fallen. 

Viele liebe Grüße 

In Liebe 

Deine 

Elisabeth" 

Manchmal trügt der Schein, doch auch die Wahrheit kann als trügerischer Schein interpretiert werden--- 

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