vierzigster Brief: Freundinnen

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

Lieber Unbekannter, 

Lilly scheint immer überzeugter von ihrem Plan zu sein, weshalb ich meine Abmachung auch eingehalten habe. Ich habe einen kleinen Widerruf auf Seite zwei drucken lassen, den hoffentlich niemand liest. Die, dieses Mal unspektakuläre, erste Seite sollte schon nicht viel Aufmerksamkeit auf die Zeitung an sich werfen. Denn auch wenn ich sie schon beinahe akzeptiert habe, so will ich meinen Stolz nicht von selbst fortgeben. 

Mutter wäre so stolz auf mich. Ich bin genau das, was sie immer wollte. Intrigant, gemein und nur auf mich selbst bedacht. So wie sie in meinem Alter. Perfekt eben. 

"Im Gegensatz zu bisher gedruckten Exemplaren steht nun in Frage, ob all die Behauptungen über Lilly Foster wahr sind. In der momentanen Situation scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass diese vollständig zutreffen. Offenbar handelt es sich dabei um ein Missverständnis." 

So schlicht, so präzise und so nichtssagend. Ich habe mich dabei fast übertroffen. Wie Mutter immer zu sagen pflegte: "Die wenigsten Worte mit einer eindeutig erscheinenden Meinung und einer zweiten Bedeutung für den Unwissenden sind immer die perfekten." Ich zitiere sie wirklich gerne, da ihre Sprüche einfach für jede Lebenslage zu gebrauchen sind. Und auch wenn sie nicht mehr stolz auf mich sein kann, so wird es Lucy sein. Lucy ähnelt meiner Mutter in vielerlei Hinsicht, vielleicht einer der Gründe, wieso ich sie als Freundin auserkoren habe. 

Mittlerweile bin ich mir sicher, das Richtige zu tun. Lilly ist davon überzeugt, und Mutter wäre es mit Sicherheit auch. Ich handele, wie jede Lady Sky an meiner Stelle handeln würde. Besonders die Erinnerungen, in denen ich gestern schwelgte, mit welchem düsteren Ereignis sie auch verbunden sein mögen, haben mich dazu gebracht. Der Preis war schon hoch genug, eine Lady Sky zu werden, ich würde nicht alles, was ich über die Jahre erkämpft hatte, mir von jemandem wegnehmen lassen. Lucy würde es schon verstehen. 

Lilly lächelt zwar irgendwie seltsam, wenn sie mir begegnet, aber vielleicht kann ich es nur nicht fassen, dass sie doch noch einen Fetzen Intelligenz besitzt. Bestimmt ist ihr Benehmen völlig normal. Da mir die Arbeit in der Schule, im Geschäft, in der Redaktion und nun auch noch gegen diesen James zu viel wird, könnte ich ihr sogar anbieten, dass sie einen Teil des Unterrichtes übernimmt. So schnell kann sie meine Schüler schließlich nicht mehr verziehen. 

Wenn mir so viele Leute gesagt haben, dass es richtig ist, was ich mache, muss es doch richtig sein? Ich bin mir vollkommen sicher, doch ... Vielleicht haben wir es ein wenig übertrieben, er könnte immerhin getrunken haben oder einen Schlag auf den Kopf bekommen haben, wer weiß. Für ein so kleines Vergehen aufgrund eines nicht zurechnungsfähigen Zustandes sollte man eigentlich kein großes Aufheben machen. Doch wenn mir da all seine gemeinen Worte einfallen, finde ich, alle haben vollkommen Recht. Es gibt keine Entschuldigung für sein Verhalten. 

Ach, wenn ich daran denke, wie sich Mutter verhalten hätte, dann bin ich noch ein wenig zu sanft. Vermutlich hätte sie die gesamte Familie in den Ruin getrieben, nur um dann einzig und allein Lucy aus dem Schlamassel in eine vernünftige Ehe mit einem Millionär zu bringen, während alle anderen auf der Straße leben. Bestimmt hätte sie keinen Moment gezögert, ihre Rache durchzusetzen. Ich muss wie sie werden. Ich bin wie sie. Ich bin eine Lady Sky, skrupellos, intrigant und hochnäsig. 

Ich könnte Lilly sogar eine Zweckfreundschaft vorschlagen, mein Name hat schließlich Gewicht in höheren Kreisen. Irgendein reicher Geschäftsmann wird sich auch für sie finden lassen, mit einundzwanzig wird es schließlich langsam wirklich Zeit für sie zu heiraten. 

Auf Wiedersehen 

Deine 

Elisabeth" 

Mit einem zufriedenen Grinsen faltete sie den Brief zusammen. Sie glaubte, das Richtige getan zu haben. Ihre Mutter würde genauso handeln, waren immer die Worte, die sie sich selbst zusprach. Eine Frau, die ihr viel bedeutete und die dennoch nie einem Platz in ihrem Herzen hatte, wie auch umgekehrt. Perfektion war das, was sie als Kind immer erreichen sollte. Nicht perfekte Menschen würden nur zugrunde gehen, so wurde es ihr eingetrichtert. Doch die Jagd nach Perfektion war der größte Fehler in ihrem Leben. Sie durfte niemanden mehr enttäuschen, redete sie sich immer zu zu. Doch ihr Herz ließ sie dabei immer außen hervor. 

Perfektion ist nicht erstrebenswert. Erstrebenswert ist höchstens die Gabe, jeden Fehler einzugestehen und wieder gut zu machen --- 


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