neununddreißigstes Kapitel: Vergangene Zeiten

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

Lieber Unbekannter, 

ich weiß, dich interessiert sicher nicht, was ich zu erzählen habe, aber seit ich gestern damit angefangen habe, ging es mir nicht aus dem Kopf. 

Nachdem Eleonore also verspätet und verschmutzt ankam, gab es keine Zeit mehr für sie, so gut wie möglich auszusehen. Ich für meinen Teil hatte meine Haare zu einer komplizierten Hochsteckfrisur zusammengeflochten und das schönste Kleid angezogen, da das andere schon ein wenig zerrissen war. Jedes Mädchen, meine Schwester ausgenommen, hatte sich wirklich viel Mühe mit ihrem Aussehen gegeben, doch ich sah tatsächlich am allerschönsten aus. Dabei tat die blaue Schleife, die ich damals für außergewöhnlich gute Arbeit beim Nähen erhalten hatte, natürlich das meiste. Sogar einen fetzen Spitzenstoff hatte ich mir ins Haar gesteckt, da es einfach wunderbar anzusehen war. 

Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, fällt mir auf, wie groß der Unterschied von damals zu heute ist. Heutzutage trage ich die teuersten Spezialanfertigungen von Kleidern, die ich meist nur wenige Wochen lang nutze. Das alles ist schon irgendwie absurd - ich bin die reichste Frau im ganzen Land, und doch ist es, als würde irgendetwas fehlen, das ich damals hatte. Ich kann mit meinem Geld jeden Laden leerkaufen und zur Not auf noch ganz Rose Village aufkaufen und alle Leute aus den Häusern jagen, wenn es mir gefällt. Niemand würde in New York auch nur ein einziges Mal ein Wort gegen mich sagen, wenn ihm sein Leben lieb ist. Und dennoch vermisse ich etwas aus dem Leben, das ich mit meiner Adoption hinter mir ließ, ohne zu wissen was es ist. Aber lassen wir dieses Philosophieren über Gegebenheiten und Nichtgegebenheiten. 

Als wir fertig waren, wurden wir alle des Alters nach in eine Reihe gestellt und warteten. Die Kleinsten wurden schon ungeduldig, so winzig wie die Chance war, dass sie überhaupt aufgenommen werden könnten. Ich hingegen korrigierte hundert Mal meine Haltung, schließlich konnte ich nicht wegen einer kleinen Unaufmerksamkeit der Hoffnung auf ein neues Leben entgehen. Aus Eleonore war einfach nichts mehr zu machen und ich hoffte, dass sie sie auch so nahmen, wenn sie an mir das Ergebnis sahen, wenn wir auf uns achteten. 

Zwei, vielleicht sogar drei Stunden später, kamen die beiden endlich an. Mister und Misses Sky, Millionäre und Besitzer von dutzenden Geschäften in ganz New York. Jeder hatte auf diesen Moment gewartet und selbst die Erwachsenen achteten darauf, den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. 

"Guten Morgen, Mister und Misses Sky", sagten wir im Chor als Begrüßung auf. 

"Morgen", murmelte Eleonore hinterher, die das Eintreffen der beiden wohl verpasst hatte. 

Mutter zog pikiert eine Augenbraue hoch und strafte Eleonore mit einem bösen Blick, während sie sich zum Heimleiter umdrehte. 

"Sind das sämtliche Kinder im gewünschten Alter? Ich hätte gedacht, es gäbe hier einige mehr. Insbesondere, da einige hier viel zu jung für uns sind. Das wird sich zum Nachteil auf die nächste Spende auswirken." Das waren die ersten Worte, die ich von ihr hörte. Arrogant und übertrieben betont, so wie immer. Genau diese Sprechweise hatte ich von ihr übernommen. 

"Es tut mir leid, dass wir nicht mehr haben, Madam. Ich dachte, falls Sie es sich doch anders überlegen ... ", begann er unterwürfig, wurde jedoch sofort unterbrochen. 

"Ich werde es mir nicht anders überlegen, Sie minderintelligenter Tölpel. Nicht einmal einfache Befehle anzunehmen ist bei Ihnen möglich. Und noch frech werden. Für Ihr unmögliches Verhalten sollten Sie als Strafe kein Waisenheim leiten, aber ich lasse es Ihnen, schließlich werde ich diese Biester am Ende nicht los." Stolz streckte Mutter ihren Hals, während Mister Hadden den Tränen nah war. Alles war bis ins Detail geplant, und doch lief es nicht annähernd so wie geplant. 

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