achtzehntes Kapitel: meine Klasse

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

Lieber Unbekannter, 

Es ist drei Wochen her, seit ich in Rose Village bin und schon habe ich hier alles verändert. Seit heute übernehme ich wieder den Unterricht. Ja, ich. Und das, obwohl Miss Foster ihre Chance hatte zurückzukehren. 

"Guten Morgen, Miss Relish", empfingen mich meine Schüler heute. Ich war überrascht, dass sie sich ihre bei mir erlernte Disziplin nicht abgewöhnt hatten. Dass Miss Foster ganze zehn Minuten zu spät kam, erklärte allerdings einiges. 

Disziplin. Darauf baue ich mein gesamtes Leben auf. Es hatte mir damals alles erleichtert und ist auch der einzige Grund, weshalb ich anstelle von Eleonore so reich geworden bin. Und genau das vermittele ich jedem, den ich kenne. Meine Schüler schienen es gelernt zu haben. 

"Beginnen wir mit dem Unterricht. Ich lasse euch einen Aufsatz über das letzte Wochenende schreiben, tausend Worte sind ein absolutes Minimum, außer für die Erstklässler natürlich und für jeden Fehler wird ein Punkt von hundert abgezogen", ich erwartete das Höchste von meiner Klasse. Man konnte schließlich nicht nach den Ferien sofort mit langweiligem Gerede anfangen. Fehlende Konzentration würde sich schlecht auf die Schüler auswirken. 

Kaum hatte ich mich gesetzt und widmete mich dem Material, das ich auf dem Tisch fand, kam auch Miss Foster herein. Entsetzt, dass ich meine Chance so schnell ergriff, an meinen angestammten Arbeitsplatz zurückzukehren, kam sie auf mich zu. 

"Was haben Sie hier zu suchen?", man sah ihr förmlich an, wie sie sich einige unhöfliche Begriffe verkniff. Amüsiert betrachtete ich ihre zu Fäusten geballten Hände, die in mir den Drang weckten, sie zu ärgern. 

"Ich unterrichte hier meine Klasse. Was haben Sie hier zu suchen?", mein zuckersüßes, gemeines Grinsen lag mir auf den Lippen, obwohl es sie so sehr störte. 

"Ich dachte, ich käme hierher um zu unterrichten. Schließlich war es jahrelang meine Klasse." 

"Mitnichten. Es war Ihre Klasse." 

"Sie...Sie sind unmöglich!", sie versuchte gedämpft zu schreien, was ihr in keinerlei Hinsicht gelang. 

"Vielen Dank. Sie dafür ordinär." 

So fassungslose Blicke habe ich noch nie gesehen. Miss Foster sollte mir keine Beleidigungen vorwerfen, die ich zu meinem Gunsten interpretieren konnte. Voller Wut drehte sie sich um und betrachtete die Kinder. Einige kicherten, während sie dennoch eifrig an ihren Aussätzen schrieben. Dieses Mal würde ich es nicht verbieten. Nur ihr lieber Bruder saß still da, als einziger nicht den Stift rührend. 

Nach nur kurzer Zeit hatte sich die Klasse beruhigt und Miss Foster drehte sich zu mir um. Sie mochten sie nicht mehr, so viel war klar. Ihr Unterricht war vermutlich so langweilig, wie er in einem Klassenraum voller schreiender Kinder nur sein konnte. 

"Wissen Sie, Miss Relish, ich kündige! Ich werde niemals, und ich meine niemals, mehr als Lehrerin oder Vertreterin an dieser Schule fungieren! Sie haben die Kinder dermaßen verzogen, dass man eine Nadel fallen hört!" 

Hatte meine Abwesenheit für diese eine Woche doch etwas gebracht. Bei ihrem Unterricht konnte man nichts lernen. Kein Schüler konnte sich etwas anderes als Bauer zu werden vorstellen. Bei mir strahlten sie und entwickelten sogar Begeisterung für den Unterricht. Ich konnte stolz sein auf die normalerweise so verzogenen Bauernbengel und Gören. Was meine liebe Miss Foster jedoch nicht verstand. 

"Sie haben nicht zu kündigen, da Sie nicht hier angestellt sind. Und ich würde es nicht verzogen nennen, sondern diszipliniert und gehorsam. Die Noten haben sich bei jedem einzelnen Schüler verbessert und sie scheinen selbst zuhause motiviert anstatt ermüdet zu sein", jedes einzelne meiner Worte traf sie, denn ich hatte Recht. Ich hatte recht und sie wusste es. Ich hob meine Augenbrauen und lächelte noch breiter. 

"Sie müssen mir nicht jeden Ihrer Erfolge unter die Nase reiben!" 

"Was kann ich dafür, dass Sie keinen Erfolg haben?", meine Stimme klang so alltäglich wie nur möglich. Niemand aus der Familie Foster würde mir meine Laune noch ruinieren können. Seltsamerweise schien sie es auch nicht mehr vorzuhaben. Eines Tages würde sie schon eine Dame werden, da war ich mir sicher. Nur mit ihrem Vater würde ich mich niemals verstehen. 

Die teils wütenden, teils amüsierten Augen Miss Fosters betrachteten mich. Sobald ich heiraten würde würde ich sie wieder als Lehrerin einstellen lassen. Natürlich erst, nachdem ich die Klasse ordentlich erzogen hatte. 

Dann grinste auch sie plötzlich. Sie hatte wohl mein kleines Prinzip verstanden. Doch wie lange würde unser kleiner Waffenstillstand halten? Ihr Vater würde bald jeden Frieden hier zerstören. 

"Auf Wiedersehen, Miss Relish." 

"Auf Wiedersehen, Miss Foster" 

Nun konnte ich mich endlich den Überlegungen zu meiner Hochzeit widmen. Würde ich an den enorm teuren Kleid aus dem Katalog noch etwas ändern? Ich weiß, eine langweilige Überlegung, doch mir fiel nichts besseres ein. Irgendwann musste ich mich sowieso dem Alltag widmen. Heute würde dieser Tag wohl sein. 

In Liebe 

Deine 

Elisabeth Cassandra Sky" 

Sie legte den Brief zur Seite und blickte in die Runde. Das Schreiben war nicht mehr ein ehrlicher Brief an ihre große Liebe geworden sondern eine Erzählung ihrer Erfolge. Gewinne überschatteten die Wahrheit, während sie ihren Zielen näher kam. Doch würde sie sie so jemals erreichen? 

Ein Erfolg voller Wahrheit bedeutet mehr als tausend Erfolge, die nur zum Schaden gedacht waren---

Rose Village-der Duft von RosenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt