vierunddreißigstes Kapitel: Hochmut

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

lieber Unbekannter, 

mein intrigantes Spiel hat leider keinen Erfolg. Die Damen sind nicht abgeschreckt, mit einem Casanova auszugehen, sondern grinsen selbstgefällig immer zu mir herüber. Offensichtlich halten sie es für lustig, die am meisten gehasste Person in dieser Stadt in den Wahnsinn zu treiben. Besonders die Töchter der Freunde von Familie Foster... 

Man kann wahnsinnig werden von diesen Menschen! Und doch wirkt es auf mich, als hätten sie etwas vor. Lucy meint zwar, das sei unmöglich, da ihr Gehirn dafür schlichtweg zu klein sei, dennoch... Aber nein, das kann nicht möglich sein. 

Konzentrieren wir uns lieber auf das Fest. Da es am Tag nach meiner Hochzeit sein wird, muss aber alles perfekt laufen. Halb Minnesota wird vorbeikommen, um diese große Veranstaltung mitzubekommen. Doch - und das stört mich am meisten - hat niemand bisher versucht, mir das Fest zu ruinieren. Merkwürdig... Vielleicht bin ich aber nur übervorsichtig. 

Was meinst du, soll ich lieber eine Opernvorstellung bieten oder einen klassischen Tanzabend? Ich würde am liebsten ein Orchester einladen, doch ob sie kommen und ob ich damit nicht alles schlimmer mache als es schon ist, ist eine andere Frage. Immerhin wollen wir nicht, dass alle eng aneinander tanzen und James am Ende heiratet. Oder Miss Foster. Oder sonst irgendjemand, schließlich ist es mein Fest. 

Gebe ich mir Mühe, egoistisch zu werden? Ja. Ahme ich dabei Lucy nach? Wieder ja. Und hat sie mir den Rat gegeben? Sie ist eben eine enorm kluge Frau, auf die man hören sollte. Auch wenn alle anderen hier nicht so denken, bleibt sie mein großes Vorbild. 

Die Menschheit wäre niemals so erfolgreich, wenn sie nicht vorrangig an sich selbst gedacht hätte. Hochmut bringt einen immer weit voran. Das meinte auch Mutter. Und ich muss lernen, mich an diesen Vorsatz zu gewöhnen. Niemand hat Erfolg, wenn er sich nicht auf sich konzentriert. Auch wenn es dabei ein paar egoistische Ausnahmen gibt, die aufgrund ihrer Dummheit nichts schaffen. Wen ich damit meine, ist verständlich. 

Das Fest hier ist die perfekte Chance, um allen einmal zu zeigen, dass ich nicht irgendeine dahergelaufene Dame bin, die sich zu vornehm ist, um in einer Kleinstadt zu wohnen. Und außerdem, um den Fosters zu beweisen, dass sie niemals an mich heranreichen können, auch wenn sie sich erlauben, über mich zu lachen. Bald wird sowieso herauskommen, wer ich wirklich bin. Doch nach der Hochzeit wird mein Name traurigerweise sowieso keine Rolle mehr spielen. 

Für morgen muss ich immerhin noch die neue Ausgabe der Zeitung beenden. Wie wäre es mit James und Miss Foster auf der Titelseite? Beide werden ihre Wut an alles und jedem auslassen, doch eigentlich sind sie selbst schuld. Denn wenn sie, wie es scheint, dem Treffen nur zugestimmt hat, um mich zu ärgern, dann soll sie sich nicht wundern, dasselbe zurück zu bekommen. Ich lassen mich nicht wie jemand aus der Unterschicht behandeln. Und Lucy wird es verstehen, wie sie immer alles versteht. 

Auf Wiedersehen 

In Liebe 

Deine 

Elisabeth" 

Sie faltete den Brief und legte ihn beiseite. Niemand durfte es wagen, sie in ihrem Stolz zu verletzen, erst recht nicht jemand, der ihr viel bedeutete. Auch wenn es hieß, dass sie sich selbst dafür zum Schlechteren ändern musste. 

Zorn lässt manche Menschen erreichen, was nie wirklich ihr Ziel gewesen war, selbst wenn es keine Umkehr dafür gibt--- 




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