zweiundvierzigster Brief: Trinkgelage

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

Ach lassen wir das, ich finde es eh nie heraus, 

was für ein Tag ist heute doch gewesen! Erst verstreite ich mich mit Lucy, dann versöhnen wir uns doch. Und dann auch noch dieser James, der mich einfach wahnsinnig macht und dabei doch so wunderschön ist. 

Was mache ich nur? Ist auch egal, ich weiß ja nicht mal mehr, wie es zu allem gekommen ist. Erst habe ich mich noch mit Lucy gestritten und dann hat sie mir Wein eingeschenkt, weil sie wohl die zweite Flasche nicht allein herunterbekommen hat. Und dann war mir irgendwie schwindelig und seit dem vertrage ich mich mit jedem. 

Hach! Wie lustig war doch James Gesicht, als ich aufgestanden und aus dem Haus geschwankt bin. Ob ich besoffen sei, hat er mich gefragt. Ja na und? Ist das etwa sein Problem? Was für ein Problem soll das überhaupt sein? Zum Antworten bin ich aber nicht gekommen, zu sehr musste ich über seine schräge Grimasse lachen. 

Als er sich an mir vorbeidrängen wollte, hielt ich ihn fest. So schnell kam er nicht davon, nur um dann wieder herumzuschreien, wie böse ich doch bin. "Eine Minute. Und wehe, du reißt vorher deinen Mund auf", meinte ich, als ich ihn am Arm nach draußen zog. 

"Cassie, was ist nur los mit dir?", fragte er. Ich hatte zwar absolut keine Ahnung, was er meinte, war mir aber auch egal. 

"Ach halt den Mund. Mir geht es perfekt. Außergewöhnlich perfekt. Mir ist nur ein wenig ... schindig ... schwidig ... ach, vergiss es." Ich torkelte bis zur Wand und hielt mich fest. Alles drehte sich und die Wand schien mich ernsthaft zu schlagen. 

"Schwindelig? Das sieht man", antwortete mir James grinsend. 

"Ach halt den Mund. Ich wollte mit dir reden. Es tut mir eigentlich leid, aber du musst zugeben, das war schon lustig, also das ... " Noch bevor ich den Satz beendet hatte, brach ich in lautes Gelächter aus. 

"Ich finde das nicht lustig, aber wenigstens entschuldigst du dich irgendwann einmal." Irgendwie wirkte er beleidigt, doch seine Augen funkelten. Hübsche, blaue Augen, in denen man sich verlieren kann ... Fast so schön wie der Himmel bei Nacht, nein, eigentlich noch schöner.  

"So hübsche Augen ... ", murmelte ich leise. So schön, so elegant ... Er mag zwar einen miesen Charakter haben, aber seine Augen ... Und seine Haare ... Und seine Figur ... 

"Was? Machst du dich etwa über mich lustig?" Er wirkte irritiert. 

"Wieso denn? Du hast so schöne Augen ... Richtig zauberschaft ... " 

"Du meinst zauberhaft? Und ... nein. Sicher nicht. Die sind hässlich. Sehr hässlich. Bei dir ... halbwegs hübsch." Er betrachtete eingehend das Hausdach, obwohl ich direkt vor ihm stand. Irgendwie unhöflich. 

"Weißt du? Dafür dass du keinen Ve ... Vesta ... Verstand hast, bist du wirklich ganz sympisch." 

"Du meinst sympathisch?", fragte er nach. 

"Hab ich doch gesagt." Was war er auch so stur! Mal ein Scheler und schon so ein Theater. 

"Nein, hast du nicht, Cassie." 

"Nenn mich nicht Cassie! Ich bin ... Elisabeth ... Elisabeth ... ach, das habe ich vergessen." Weißt du noch, wie mein Nachname lautet? Ist auch egal. 

"Wieso?" 

"Ist mir egal." 

"Ergibt nicht wirklich viel Sinn." Er kicherte amüsiert, während er endlich seinen Blick vom Dach abwandte und mir in die Augen blickte. 

"Ach halt den Mund", antwortete ich und trottete davon. 

Kaum war ich angekommen, ging auch er hinein, dann aber die Treppe hinauf. Er schien wirklich ein wenig beleidigt. Mir aber egal. Lucy holt gerade die dritte Flasche, sie hatte nichts mehr im Haus und außerdem bin ich durstig. Ich habe noch sehr viel mit ihr zu besprechen. 

Adieu. 

Elisabeth" 

Sie ließ den Brief auf den Tisch sinken und setzte sich aufrecht hin. Alles um sie herum schwankte, doch das ignorierte sie gewissenhaft. Eine lange Nacht stand ihr bevor, in der sie so einige Wahrheiten ausplaudern würde, die ihr sonst nie über die Lippen kämen. 

Denn die Wahrheit kommt immer ans Licht --- 

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