neunzehntes Kapitel: Namen

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"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

lieber Unbekannter, 

Wie geht es Dir? In Rose Village scheint niemals Ruhe einzukehren. 

Elisabeth Sky. Ich wusste, dass mir mein Name eines Tages noch große Probleme bereiten würde. Konnte man nicht reich sein und in einem Dorf wohnen? Nicht in dieser Welt. Und genau deshalb musste ich dieses kleine Geheimnis wahren. Jedenfalls bis heute. 

Nach der Schule, die halbwegs normal verlief, ging ich direkt ins Geschäft. Nach unserer Rückkehr schien der Laden besser zu laufen, als je zuvor. Offenbar wollte sich niemand mit der abstrakten Ordnung, die eigentlich keine mehr war, von Mr. Alden auseinandersetzen, was durchaus zu verstehen war. 

"Guten Tag, Lucy", es war schon fast selbstverständlich, wenn ich den gesamten Nachmittag im Laden verbrachte. Ihr Mann schüttelte genervt den Kopf, ging aber wortlos weiter. Die neuen Stoffe, die ich bestellte, waren ihm wohl nicht besonders genehm zu tragen. Männer sind doch alle schwach, wenn sie nicht einmal elf Truhen tragen können. 

"Guten Tag, Elisabeth Relish", sie wartete, bis er außer Sichtweite war, "Oder sollte ich sagen, Elisabeth Cassandra Sky?" 

Elisabeth Cassandra Sky. Ich mochte diesen Namen nie. Elisabeth Cassandra Sky und Eleonore Relish - niemand hatte uns so geglaubt, dass wir Schwestern waren. Das blonde, süße Püppchen mit den Kulleraugen und dem rosafarbenen Rüschenkleid, das von allen Millionären nur gute Worte erhielt und das Straßenkind und der schlimmsten Kleidung des Jahrhunderts. 

"Sie können mich nennen, wie Sie es für sinnvoll halten. Beides ist korrekt." 

Fragend zog sie eine Augenbraue hoch, bis sie begriff: "Wieso sagten Sie von Anfang an, wer Sie sind?" 

"Was glauben Sie, wie die Leute hier denken würden, wenn eine Millionärin im Ort ist? Ich weiß, dass dies in der High Society durchaus ein Anreiz ist, meine Bekanntschaft zu machen, doch in einer Kleinstadt ist dies nicht der Fall", ich erinnerte mich an Mr. Fosters Gehabe, als ich hier ankam. Reiche Leute sind in einer Kleinstadt genauso wenig erwünscht, wie arme in einer Großstadt. Und daran würde sich nie etwas ändern. Entweder hassten mich die Leute, dafür was ich war, oder sie täuschten falsche Freundlichkeit vor. 

"Mir hätten Sie ruhig Ihren echten Namen nennen können", sie klang etwas beleidigt. 

Eigentlich hätte ich es tun können. Doch dann? Natürlich wären auch so Freundinnen geworden. Wen hätte das ganze Geld nicht interessiert? Auch das wollte ich nicht unbedingt. Ich weiß, wie nervig ich manchmal sein konnte, doch wenn mich jemand mögen würde, dann nicht, weil ich die reichste Jungerbin des Jahrzehnts bin. 

Ja, ich hatte genug Geld, um eine Stadt nach meinen Wünschen aufzubauen und alle Bewohner zu finanzieren, dass sie nett zu mir sein würden. Ich könnte mir eine Wirklichkeit aufbauen, die alle meine Träume erfüllen würde. Aber wollte ich das? Nein. Es machte mir Spaß, die Reaktionen anderer Menschen zu sehen, wenn sie mich als Geizhals einschätzten. 

"Meinen Sie nicht, dass Sie dann mehr darauf achten würden, dass Sie das richtige sagen?" 

"Vermutlich würde ich das", nichts daran schien sie zu stören. Sie war genauso verschroben wie ich, was mich wieder zum Grinsen brachte. Sie musste sich nicht einschleimen, schließlich waren wir hier die einzigen Damen. Die Damen von Rose Village. Egal, wie ich auch hieß. 

Wer wohl noch davon wusste? Ich vergaß zu fragen. Doch sie würde es sicherlich nicht jedem erzählt haben, da die Leute lieber nach den Informationen fragten, die sie suchten. Ich sollte meine kleine Zeitung wieder aufleben lassen, wenn ich genau darüber nachdenke. 

Aldens Newspaper. Die Klatschzeitung des Jahrhunderts. Vielleicht würde sie meine kleine Schwindelei vergessen, wenn es wieder daran ging, die zurückgebliebenen Bauern zu ärgern. Und damit meine ich ausschließlich Mr. Foster, da ich mich mit den anderen schon irgendwie vertrage. 

Das Kleinstadtleben kann man im Großen und Gazen schon genießen, auch wenn es zu einem großen Teil aus erfundenen Geschichten und ausgeschmückten Details basiert. Nicht, dass es dort, wo ich herkomme, nicht so wäre. Die Welt ist überall gleich. 

Elisabeth Cassandra Sky. Wie wäre es mit Cassie? Ja, so kannst Du mich dann nennen. So nannte mich nur Eleonore, Nor. 

Auf Wiedersehen, 

In Liebe, 

Deine 

Cassie S." 

Sie legte das Papier auf den Tisch und seufzte. War wirklich alles so anders? Nein, schließlich kam sie zum alten Trott zurück. Zu der Realität, in der man nur auf Geld und Aussehen achtete. Zu der Welt, die sie nie wieder in ihrem Leben sehen wollte und die sie nun wieder mit einem falschen Lächeln und voller Lügen an sich selbst durchschritt. 

Die Realität, ist das, was wahr ist, doch viele erkennen nur das Trugbild, dass sie sich aus Lügen erschließen, wodurch die Wirklichkeit zu verschwinden scheint---

Rose Village-der Duft von RosenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt