Julian Pov.
Vielleicht war ich doch etwas zu grob zu ihm. Im Grunde wollte er nur einen Augenblick mit mir reden. Das Problem ist nur, dass ich nicht mit ihm sprechen möchte. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie ich mit dem heftigen Gefühlschaos in meinem Inneren klarkommen soll, sobald ich ihn auch nur sehe.
Seufzend verlasse ich gegen neunzehn Uhr das Gebäude in dem sich mein Unternehmen befindet und gehe zum Parkplatz um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Allerdings habe ich meine Rechnung wohl ohne Kai gemacht, der mit geschlossenen Augen und mit dem Rücken gegen mein Auto gelehnt am Boden sitzt.
»Ist das dein Ernst?«, frage ich und trete ihm leicht in die Seite. Blinzelnd und verwirrt sieht er sich um, bis sein Blick auf mich fällt. Wenig geschickt rappelt er sich auf und klopft seine Hose ab, bevor er sich aufrecht vor mich stellt.
»Okay, du hörst mir jetzt zu«, beginnt er und ich ziehe eine Augenbraue spöttisch nach oben.
»Und was, wenn ich nicht will?«
»Dann ist das nicht mein Problem, weil du es nämlich trotzdem tun wirst.« Abwartend verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe auf den Knirps hinunter, der sein Kinn etwas nach oben reckt.
»Du hast mich angelogen«, eröffnet er das Gespräch und verschränkt nun ebenfalls die Arme.
»So, hab ich das?«
»Du hast gesagt, wir kennen uns nicht, obwohl das gar nicht stimmt.«
»Ach ja? Und warum stellst du das in Frage? Es stimmt nämlich«, gebe ich zurück.
»Tut es das?«, fragt er und ein wissendes Lächeln legt sich auf seine Lippen.
»War es nicht immer jemand, der Julian Brandt hieß, der der Lehrerliebling war, freiwillig die Tafel gewischt hat und den keiner mochte, bis auf das schräge Mädchen aus der Parallelklasse?«
»Sag du es mir.«
»Stell dich nicht dumm, denn das bist du nicht.«
»Da hast du aber früher was anderes behauptet. Nein, warte, ich war nicht nur dumm. Ich war ekelhaft, scheußlich, krank, zurückgeblieben und es nicht wert zu leben. Du hast mich grundlos verprügeln lassen, weil du dir selbst zu schön dafür warst. Du hast mir meine Sachen weggenommen und sie in den Müll geworfen, du hast mich beschimpft und mich bedroht«, werfe ich ihm an den Kopf, obwohl ich eigentlich vorhatte, es nie zu tun. Aber anscheinend kann er sich wieder deutlich an alles erinnern, was zwischen uns vorgefallen und da macht es auch nichts, wenn ich es ihm ins Gesicht sage.
»Es tut mir leid«, erwidert er leise und seine Augen huschen über mein Gesicht.
»Es tut dir leid?«, wiederhole ich seine Worte ungläubig und verächtlich.
»Denkst du etwa, das macht es jetzt besser? Denkst du etwa, das gibt mir meine verschissene Kindheit zurück? Glaubst du wirklich ein halbherziges Es tut mir leid macht alles ungeschehen?«
»Es ist nicht halbherzig. Ich-«
»Weißt du was? Ist mir egal. Schön, jetzt hast du mir gesagt, dass es dir leid tut und kannst dir einreden, du hättest es wieder in Ordnung gebracht.«
»Julian, bitte... ich bereue wirklich, was ich damals getan habe.« Sein Ton ist beinahe flehend. Bittend um Vergebung, die ich ihm nicht geben will.
»Denkst du das heilt all meine Narben? Bildest du dir wirklich ein, dass das jetzt jedes Mal wettmacht, als ich mir Schmerzen zugefügt habe, nur um den Schmerz den du mir beschert hast für einen Augenblick in den Hintergrund zu drängen?« Mit vor Schreck geweiteten Augen sieht er zu mir hoch und ich lache humorlos.
»Ja, da schaust du, was? Danke dafür, dass du der Grund warst, dass ich mit 14 Jahren schon psychisch und physisch kaputt war. Und jetzt weg von meinem Auto.« Unsanft schubse ich ihn zur Seite und steige in meinen Wagen, während Kai wie zu einer Salzsäule erstarrt daneben steht und mich ansieht, als hätte ich ihm eben unterbreitet, dass ich ein menschenfressender Geist bin.
»War nett mit dir zu plaudern, Kai«, murmle ich, ehe ich vom Parkplatz fahre und ihn alleine zurücklasse.
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Mögt ihr deutschsprachige Musik? ¬.¬
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Taken | Bravertz FF
FanfictionKai hat fast alles, was er sich je erträumt hat. Er ist glücklich verlobt mit seiner zukünftigen Ehefrau Sophia, liebt seinen Job und hat die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann. Wer hätte schon gedacht, dass der Hochzeitsplaner Julian ih...