Kapitel 40

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Julian Pov.

Marco kümmert sich wirklich rührend um mich. Er sieht sich mit mir meine Lieblingsfilme an, selbst wenn er sie abgrundtief hasst, füttert mich mit Schokolade und Tee, kuschelt mit mir und sagt mir immer wieder, wie toll ich bin. Doch es bringt nichts.

Ich fühle mich wertlos und der Schmerz versetzt mich zurück in meine Vergangenheit. Es ist, als würden diese Erinnerungen alles in mir wie Säure verätzen, mich von innen langsam zerfressen und mir erneut zeigen, wie sich das anfühlt. Bis es soweit ist, dass ich nur noch aufgeben will.

Und als Marco mich kurz alleine lässt, um etwas zum Abendessen zu besorgen, schleppe ich mich ins Bad und schließe die Tür hinter mir ab. Mit vor Angst zitternden Händen durchsuche ich die Regale neben und über dem Waschbecken, bis ich die weiße Dose mit den rezeptpflichtigen Schlaftabletten gefunden habe.

Sie wurden mir vor Jahren einmal verschrieben, als ich Schlafstörungen hatte, doch seitdem habe ich sie nicht mehr angerührt. Mit verschwommener Sicht kippe ich mir eine handvoll Tabletten in die linke Hand und starre sie an.

Ich will nicht sterben.

Aber noch weniger will ich Kai und Sophia heiraten sehen, ihren Kindern irgendwann vielleicht zufällig begegnen, oder Kai wiedersehen, wenn ich weiß, er hat sich nicht für mich entschieden. Man kann an Liebeskummer und gebrochenem Herz sterben. Kai hat mein Herz so oft gebrochen. Warum traut er sich nicht, es mit mir zu versuchen? Er hat gesagt, dass er mich liebt. War das vielleicht nur eine billige Lüge, so wie damals in der Grundschule, als er mir einige Stunden lang eine Freundschaft vorgespielt hat, nur um mich am daraufolgenden Tag komplett fertigzumachen, mit all den Dingen, die ich ihm, naiv wie ich war, erzählt habe? Nein, diesmal hat er es so gemeint, wie er es gesagt hat. Er war ehrlich.

Doch es ist nicht genug. Ich bin nicht genug. Er jetzt realisiere ich, dass ich auf dem kalten Fließenboden zusammengesunken bin und laut angefangen habe zu weinen.

Und erst jetzt vernehme ich das hektische Klopfen an der Badezimmertür. »Julian? Was machst du da drin?«, höre ich Marco's panische Stimme. »Mach auf! Bitte, Julian, mach auf!«

Doch ich habe nicht die Absicht mich aufhalten zu lassen. Nicht von Marco. Nicht von sonst irgendwem.

Ich will, dass es vorbei ist und der Schmerz endlich aufhört. Ich will, dass das alles hier ein Ende hat.

Jetzt.

Und mit diesem Gedanken schlucke ich die Tabletten.

Ich liebe dich, Kai

Taken | Bravertz FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt