Teil 30

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Julian Pov.

Um ehrlich zu sein kann ich nicht sagen, was ich mir vom nächsten Morgen erhofft habe.  Aber alleine im Bett aufzuwachen und Kai dann mit düsterer Miene im Wohnzimmer zu finden, war es bestimmt nicht. Mit flauem Gefühl im Magen setze ich mich neben ihn und streife mit meinem Arm seine Hand, was ihn zusammenzucken lässt, als hätte er etwas Ekelhaftes berührt.

»Oops«, murmle ich und beiße mir auf die Lippe.

»Ich wollte dir nicht... zu nahe treten.«

»Hi«, flüstert er nur kaum hörbar und sieht mit verdächtig glänzenden Augen zu mir hoch.

»Was ist denn los?«, frage ich bestürzt, als die erste Träne über seine Wange rollt und ein leichtes Wimmern über seine Lippen kommt.

»Ich bin so ein schrecklicher Mensch, Julian. Sophia hat sowas nicht verdient und-«

»Hey«, unterbreche ich ihn direkt und nehme seine zitternden Hände in meine?

»Du bist vieles, aber bestimmt kein schrecklicher Mensch.«

»Ach ja?«, fragt er und stößt ein verbittertes Lachen aus.

»Und das weißt du, weil ich mein Leben lang so nett zu dir war?«

»Nein, das weiß ich, weil ich den Kai, der du jetzt bist, kenne und der ist toll, glaub mir.«  Ohne eine Antwort senkt er den Blick und schluckt merklich.

»Der Kai, den du kennst, geht seiner Freundin fremd, hat Angst vor seinen Gefühlen und ist ein Versager in vielerlei Hinsicht.«

»Nein, den Kai, den ich kenne, ein absoluter Gewinner und versucht herauszufinden, wer er ist und sein möchte. Wie er sein Leben leben möchte.«

»Aber-«

»Du hast gesagt, du wirst es nicht bereuen, wenn du mit mir schläfst. Du hast gesagt, du willst es. Und jetzt bist du völlig am Ende und ich gebe mir die Schuld. Wenn du sagst, du wirst es nicht bereuen, dann tu es nicht.«

»Ich bereue keine Sekunde von letzter Nacht, aber...« Kai atmet tief durch, bevor er mir wieder ins Gesicht sieht und weiterspricht.

»Aber ich fühle mich gerade einfach unheimlich schlecht, weil ich es ohne zu zögern wiederholen würde. Ich will dich hier und jetzt küssen und nie wieder damit aufhören. Ich will neben dir einschlafen und aufwachen, dich im Arm halten, wenn es dir schlecht geht und mit dir lachen, wenn du glücklich bist.«

»Warum tust du es dann nicht?«, frage ich vorsichtig und Kai entzieht mir seine Hände.

»Weil es nicht geht. Es würde nicht funktionieren, ich-«

»Aber warum nicht?« Meine Stimme klingt so verzweifelt, wie schon lange nicht mehr.

»Ich liebe Sophia.«  Mein Herz zieht sich bei diesen Worten schmerzhaft zusammen, doch ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter.

»Tust du das wirklich?«

»Julian, das steht außer Frage. Nur, weil ich... weil ich es schön fand mit dir zu schlafen, heißt das nicht, dass ich aufhöre sie zu lieben. Du hast es selbst gesagt, ich soll mich ausprobieren. Das habe ich. Und danach ist die Wahl auf Sophia gefallen.«  Einen Moment bringe ich kein einziges Wort heraus.

»Schön«, zwinge ich mich schließlich mit einem maskenhaften Lächeln zu sagen.

»Dann hätten wir das ja geklärt. Du würdest mit wirklich einen Gefallen tun, wenn du jetzt gehst, ich... ich würde gerne noch ein Bisschen arbeiten und... mich mit Marco treffen oder so.«

Kai nickt schnell, und da er schon angezogen ist und sonst keine Sachen bei mir hat, macht er sich direkt auf den Weg zur Tür.  Mit einem ungewohnten, tauben Gefühl, das sich langsam in meinem gesamten Körper ausbreitet, folge ich ihm.

»Auf Wiedersehen«, hauche ich mit seltsam brüchiger Stimme, nachdem er sich die Schuhe angezogen hat.

»Ja«, erwidert der Wuschelkopf nur knapp und ich stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als er ohne ein weiteres Wort meine Wohnung verlässt.  Ich könnte schwören, meinem Herz beim Brechen zuhören zu können.  Aber es ist doch nur Kai. Was interessiert es mich, wenn er keine Gefühle für mich hegt, die über jene für Sophia hinausgehen?  Es ist nur Kai.  Aber es war immer er allein, der mein Herz kaputt gemacht hat.

Taken | Bravertz FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt