8. Abschluss

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"Maybe this world is another planet's hell." — Aldous Huxley

Die Lage war schlecht. Jeden Tag hörte man von da an, dass Leute verschwanden, dass Leute starben. Es waren bisher keine großen Zahlen, es war eher so, dass hier und da jemand nicht mehr nach Hause kam, nicht mehr gesichtet wurde; dass Wachen in der Stadt attackiert werden oder Häuser verwüstet oder niedergebrannt werden. An die Gebiete der Wächter trauten die Reiter sich nicht heran, aber Rowans Macht und seine Kriegsansage war mehr als nur deutlich.

Ich musste ständig daran denken, zu was diese Leute fähig waren, was sie noch alles tun könnten. Würden bald Kindern verschwinden? Würde man bald seiner eigenen Familie nicht mehr vertrauen können? Gut, ich konnte meiner Familie zumindest jetzt schon nicht trauen. Lilien und Cameron nicht.

Ich hatte in meiner Verzweiflung sogar meinen Eltern versucht Andeutungen zu machen, dass ich befürchtete, die zwei könnten was planen, doch als ich sagte, ich wüsste es, weil ich sie belauscht hatte, waren sie eher sauer auf mich gewesen als mir groß zuhören zu wollen.

Laut ihnen sollten wir nun nicht anfangen, uns gegenseitig zu misstrauen, die Zeiten waren ja schon schwer genug und sicher hatte ich mich nur verhört oder es war in dem Gespräch um vertrauliche Informationen aus dem Quartier gegangen. Schön, das änderte nur nichts daran, dass zwei Leute, mit denen ich unter einem Dach lebte, mich jeden Moment an Rowan ausliefern könnten, was nur irgendwie keiner glauben wollte. Ich wollte mir ja selbst nicht vorstellen, dass es tatsächlich so schlimm werden könnte, aber ich hatte wiederum auch nie geglaubt, dass es jemals so weit kommen würde wie es derzeit war und was genau die Intentionen meiner Tante und meines Cousins waren, wusste ich nicht. Rowan meinte, sie genug umgarnt zu haben, doch waren die zwei wirklich so dämlich? War ihre Wut wegen dem, was mit Malia geschehen ist, so groß? Wie konnten sie nicht auch nur ahnen, dass eben Rowan für mehr Leid in Malias verantwortlich war als irgendwer sonst? Sicher hätte es mir bei meinem Gespräch mit meinen Eltern helfen können, hätte ich erwähnt, auch von Rowan etwas Ähnliches erfahren zu haben, nur hätten sie ihn sicher auch nur am Ende als Lügner abgestempelt, und als ich mal versucht hatte, erneut ein Gespräch diesbezüglich anzufangen, hatten sie nichts mehr hören wollen. Das ließ mich alles etwas unwohl zurück. Wollten sie einfach nicht an so etwas glauben oder wollten sie nicht, dass ich weiter nach Informationen suchte?

Es fiel mir dadurch ziemlich schwer für meine Prüfungen zu lernen, die ab dieser Woche auch noch mein Leben erschwerten. Ich hatte wirklich meine ganze Kraft der vergangenen Wochen ins Lernen gesteckt. Ich hatte das Quartier strengstens gemieden, nicht an Reed gedacht, nicht geübt, ich war eins mit meinen Büchern gewesen und dennoch glaubte ich nicht daran, dass ich eine Chance hatte, meinen Abschluss wirklich zu bestehen. In meinem Kopf spukten dennoch zu viele andere Dinge herum, besonders, wenn ich jeden Tag ungewollt von dem Schrecken meiner Welt mitbekam.

Meine Brüder fuhren Dari und mich jeden Tag zur Schule und holten mich auch von dieser ab. Sie wollten keinen von uns allein draußen sehen, doch da ich sowieso keine Zeit hatte, um irgendwohin zu gehen, war das recht leicht.

Wegen meiner Bindung zu Rowan wurden die Straßen um die Schule herum immer noch bewacht, doch jeder Tag, der verging und in dem ich nichts von dem Monster hörte, stimmte mich nervöser. Es sollte mich vermutlich beruhigen, dass er mich nicht jagte, aber ich wusste, dass er mich nicht vergessen oder aufgegeben hatte. Er würde kommen. Früher oder später würde er für mich kommen und die Aussicht machte mich fast ein wenig krank.

Ich hatte Hayden in der Schule gefragt, ob er irgendwas über Teddy oder Holly gehört hatte. Gern wollte ich wissen, wo diese sich aufhielten, wie es ihnen damit ging, vor Rowan zu fliehen, aber dieser meinte nur, sie wären unauffindbar. Ob das gut oder schlecht war, das wusste keiner so recht.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt