Epilog

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"Part of the journey is the end." - Tony Stark, Avengers Endgame

09. September 1895

Sie ertrank.

Überall war Wasser, jeder Halt schien verloren und ihre stillen Schreie hörte niemand, würde nie irgendwer mehr hören können.

Innerlich flehte sie Reed um Hilfe an, da hoffte sie, er würde zu ihr zurückkehren, dass er sich für sie entscheiden würde, dass er seine Pläne kurz aufgeben konnte, um zu ihr zu kommen. Er war bisher immer ihr Retter in der größten Not gewesen, sicher würde er wie sonst auch kommen und sie zurück an die Oberfläche ziehen. Er hatte versprochen immer für sie da zu sein, auf sie aufzupassen. Er hatte versprochen, dass wenn sie ihn ruft, er immer kommen würde.

Sie rief und rief und rief.

Er kam nicht.

Sie verlor den Halt, sie verlor ihre Kraft, doch bevor sie ganz in die Finsternis rutschen konnte, änderte sich alles.

Es war nur ein Traum gewesen.

Als sie langsam die Augen öffnete und merkte, dass sie auf einem Bett lag, wusste sie, es war alles nur ein Traum gewesen.

Keine Badewanne.

Kein Wasser in ihren Lungen, das wie Feuer brannte. Sie konnte atmen, sie konnte wieder klarer denken und stand nicht mehr an der Schwelle des Todes.

Die Erleichterung hielt nicht lange an. Als sie richtig erwachte, richtig sehen konnte und an die Zimmerdecke sah, die nicht die von ihrem Schlafgemach war sondern von ihrem alten Kinderzimmer, bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte. Wieso war sie hier? Wieso war sie nicht in ihrem eigenen Bett? In ihrem eigenen Haus? Noch mehr bestärkte sie das Gefühl, als sie sich nicht bewegen konnte. Ihre Gliedmaßen waren taub und das Atmen fühlte sich nicht so leicht an, wie sie es zuerst angenommen hatte. Sie konnte zwar wieder Luft holen, aber es war nicht so, wie es sein sollte. Nicht so leicht, nicht normal.

Es war, als ob ein schweres Gewicht auf ihrem Brustkorb liegen würde, sie langsam erdrücken würde. Es erinnerte sie an ihren Traum und wie sie in diesem ertrunken war. Allein in einer Badewanne, betäubt von dem Mittel, das sie einnehmen musste, um die Stimmen zum Verstummen zu bringen.

Sie wusste noch genau, wie die Müdigkeit sie ganz plötzlich ergriffen hatte, wie sie aus dem warmen Wasser herauswollte, als sie merkte, wie ihr ganzer Körper taub wurde. Sie wusste noch, wie sie nach ihrer Haushälterin Anna schreien wollte, ehe ihre Stimme versagte. Sie wusste noch genau, wie sie über ihre Verbindung Reed um Hilfe gebeten hatte, wie sie regelrecht nach ihm geschrien hatte, doch dann waren ihre Augen zugefallen und sie hatte im Traum das Elend gespürt, gespürt, wie die Luft schwand, wie ihr das Leben geraubt wurde. Für einen kurzen Moment war da Reed gewesen. Sie hatte geglaubt, ihn zu sehen, wie er sie in den Armen hielt und anflehte, wach zu bleiben. Nun war sie hier. Er war nicht hier und sie verstand einfach nicht, was los war.

„Keine Angst, das Gefühl wird bald verschwinden, Grace."

Verwirrt drehte Grace den Kopf zur Seite, wo ihre Mutter sich zu ihr aufs Bett setzte und ihr liebevoll übers Haar strich.

„Was ist los?" Ihre Stimme war leise, heiser und kratzte schmerzvoll.

„Ich habe es schnell machen wollen, aber dein Nichtsnutz von Partner ist immer im Weg. Sicher wird er auch hier gleich aufmarschieren, aber dieses Mal wird er dich nicht retten können, dann bist du endlich in Sicherheit."

Grace verstand nicht, wovon ihre Mutter sprach. Ihre Worte waren verwirrend und ihr Kopf dröhnte zu sehr.

„Ich spüre meinen Körper nicht", brachte sie hervor und hoffte auf Antworten. Wieso konnte sie sich nicht mehr bewegen? Was war geschehen? Das war doch nur ein Traum gewesen, oder nicht?

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt