33. In die Finsternis

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"The world only exists in your eyes. You can make it as big or as small as you want." — F. Scott Fitzgerald

Bei mir daheim war die Stimmung zwischen meinen Brüdern und mir angespannt gewesen. Ich war sauer, weil sie uns so verraten und dadurch beinahe alles sabotiert hätten. Die beiden waren dafür sauer, dass ich mich nach wie vor in solch Gefahren begab. Am Ende hatten wir uns angeschwiegen. Ich würde ihnen nicht sagen, dass wir Rowan morgen gleich wieder sehen würden und schon gar nicht würde ich ihnen von den Deals erzählen, die wir geschlossen hatten. Sie würden nichts davon gutheißen und auch wenn ich ihre Sorge dahingehend verstand, würde ich mir nichts ausreden lassen. Es ging nicht nur um mich und sie schienen das gern zu vergessen. Vermutlich war das so, wenn man kleine Geschwister hatte. Würde Dari sich in solch waghalsige Angelegenheiten verwickeln lassen, würde ich mich sicher auch wie eine Bärenmutter aufspielen. Gott sei Dank war er jedoch in Sicherheit.

„Ich wusste gar nicht, dass du erneut hier oben warst", sagte ich, als ich am nächsten Morgen mit Elin zusammen den Dachboden durchforstete. Hier hatte sie angeblich den Dolch, den Rowan wollte, gefunden. Jetzt müssten wir ihn nur erneut finden und auch hoffen, dass es der echte war.

„Ich dachte, vielleicht finde ich andere Hinweise oder Bücher hier oben. Ich meine, hier wird so viel Zeug versteckt, vielleicht ist was Gutes dabei." Sie zuckte mit den Schultern und beleuchtete mit ihrem Handy den Weg.
„Und? Was etwas Brauchbares dabei?"

„Ob es brauchbar ist, sei mal dahingestellt, aber hier gibt es eine Menge an faszinierenden Gegenständen, so viel steht fest. Ich müsste mir mal die Zeit nehmen, alles etwas zu ordnen. Deine Familie sollte mich bezahlen, weil ich für sie aufräume."
„Und du glaubst wirklich, es wäre der Dolch?" Es könnte auch einfach irgendein Dolch gewesen sein. Sahen die Dinger nicht alle gleich aus? Ich schenkte Waffen nicht viel Beachtung.

„Positiv. Ich war richtig angewidert, weil da vertrocknetes Blut dran haftete. Also ich habe zumindest angenommen, es müsste Blut sein. Es sieht ja nach einer Weile eher wie Schlamm aus oder Rost, aber irgendwie hatte es dafür zu anders ausgehen. Es ist eine echt merkwürdige Waffe."
„Und du hast dich nicht gewundert?", fragte ich amüsiert und kniete mich mit ihr zusammen vor eine Truhe, aus der sie viele alte Tücher zog.

„Bei deiner Familie wundert mich absolut nichts mehr", schnaubte sie und zog verborgen am Boden der Truhe den besagten Dolch hervor. Bei dessen Anblick erschauderte ich ungewollt. Er wirkte keineswegs besonders und doch haftete an ihm irgendwas Unheimliches. Als würde mein Körper spüren, dass er nicht normal war, dass in ihm irgendwas Mächtiges steckte. Es gefiel mir nicht. Diese Waffe war viel gefährlicher als ein normaler Mensch es sicher begreifen könnte, es ängstigte mich fast schon. So etwas hatte ich sehr selten gefühlt und noch nie wegen eines Dolchs.

„Das ist er. Das muss er sein", murmelte ich und nahm ihn zur Hand. Aus Gold gefertigt und mit Blut, das fast eher wie Rost wirkte, besudelt. Die Klinge sah scharf aus, was einem Wunder glich. Wie lange dieser Dolch hier wohl schon lag? Wenn die Erzählungen der anderen stimmte, dann sicher über hundert Jahre, was vermutlich nichts für diese Klinge war. Sie war viel älter als das. So viel älter.

„Glaubst du immer noch, es ist eine gute Idee, Rowan den Dolch zu geben?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber er ist unsere einzige Chance."

Den Dolch an Rowan zu übergeben war eine sehr schlechte Idee. Er hatte diesen lange haben wollen, lange nach ihm gesucht und obendrein war er sehr wertvoll. Laut den Legenden, die Reed und Kellin kannten, ist der Dolch etwas, das einst den Wanderern gehörte. Vor tausenden von Jahren soll eine sehr mächtige Dunkelheit mit dieser Waffe getötet worden sein und das Blut davon klebte trotz der vielen Zeit immer noch an der Klinge. Der Dolch ist von großer Bedeutung für viele Rituale, da bei sehr vielen von ihnen die Macht des Blutes benötigt wurde. Wieso Rowan so etwas haben möchte, was er damit erreichen wollte, das war etwas, worüber ich mir fürs erste gar nicht so viele Gedanken machen sollte. Es gab unzählige Rituale, die jemand wie Rowan durchführen könnte, und würde er den Dolch kriegen, wäre er einigen von ihnen damit einen Schritt näher.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt