31. 1855

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"There is some good in this world, and it's worth fighting for." — J.R.R. Tolkien

Ich setzte mein Vorhaben gleich am nächsten Tag in die Tat um. Ich musste mal wieder wie fast jeden Tag mit Kellin trainieren und während ich meine üblichen Runden joggte, überlegte ich, wie ich dieses Gespräch anfangen könnte. Reed wäre den ganzen Tag mal wieder beschäftigt und würde uns nicht in die Quere kommen können. Würde Kellin denn einfach hinter dem Rücken seines Bruders so handeln? Würde er Reed so hintergehen und mit mir eine recht waghalsige Mission durchziehen, wissend, dass Reed das nicht gefallen würde? Ich hoffte es mal. Die Wentworth-Brüder waren sich nicht unbedingt nahe genug, dass sie viel Wert auf so etwas legen könnten. Jeder von ihnen machte ein wenig das, was er wollte. Sie würden sich vermutlich nie ernsthaft in Gefahr begeben, solange sie es nicht unbedingt müssten, aber ich konnte mir vorstellen, dass Kellin vielleicht auch gar keine Lust hätte, mit mir Zeit zu verbringen und auf so eine Mission zu gehen. Wir standen uns nicht gerade nahe. Kellin behandelte mich die meiste Zeit wie eine nervige Plage und seit Malia fort war, waren seine Launen kaum auszuhalten. Seine Leute machten alle einen großen Bogen um ihn. Nur Paul ließ sich noch wirklich an seiner Seite blicken, doch selbst dieser achtete mehr darauf, was er sagte.

Naja, ich müsste es wenigstens versuchen. Er wäre meine letzte Chance.

„Zehn Minuten hast du noch", sagte Kellin, als ich auf ihn zulief, anstatt weiter durch den Garten zu joggen.

„Ich weiß, ich wollte nur mit dir über etwas reden, bevor ich gleich zu sehr außer Atem sein werde."
„Über was?" Fragend zog er seine Brauen in die Höhe und ich atmete tief durch. Ich würde das schon schaffen. Schlimmstenfalls sagt er nein, fertig.

„Ich habe darüber nachgedacht, wie man mehr Infos über Rowan kriegen könnte und da bin ich auf Helena Aasen gekommen."

Kaum erwähnte ich die Frau, zuckte Kellin zusammen und wirkte kurz ziemlich verdattert. Immerhin wusste er also genau, wen ich meinte. Was wohl seine vergangenen Erfahrungen mit ihr waren?

„Wie kommst du auf Helena Aasen?"
„Als Reed und ich sie in der Vergangenheit aufsuchten, schien sie mehr über ihn zu wissen, Dinge, die in der Zukunft lagen. Ich glaube ja, sie könnte eine Hilfe sein."

„Helena ist eine Hexe", schnaubte Kellin, der sich wieder fing, gleichgültig wirkte.

„Eben! Wie viele Hexen kennst du? Die Frau scheint ja ziemlich böse und verrückt gewesen zu sein, sie wusste also eindeutig mehr zu dieser Angelegenheit, wir könnten uns das zu Nutzen machen."
„Und was sagt mein verehrter Bruder dazu?"
„Der will mich nicht in ihrer Nähe sehen."
„Na also, was willst du dann von mir?", fragte er und ich sah ihn bettelnd an. Der Blick funktionierte oft bei meinen Brüdern, sicher würde er es nicht bei jemanden wie ihm, aber ich hoffte ihn vielleicht weich zu kriegen mit meiner Ähnlichkeit zu Malia. Er musste nur an sie denken und wie elendig es ihr gerade ging. Es war ein fieser Trick, denn sicher dachte er auch so oft genug daran, wie schlecht es ihr im Moment gehen musste, aber ich versuchte das alles auch nur, um ihr zu helfen. Sie litt meinetwegen und ich hasste es. Ich hasste alles an dieser Lage und wenn ich mich in die Nähe von dieser Hexe begeben müsste, um etwas zu bewirken, dann würde ich es!

„Ich glaube, sie könnte helfen. Sie hat mich mit Malia verwechselt, sie weiß also, wer Malia war und das, obwohl sie sie unmöglich kennen konnte. Sie wusste Dinge über Malias Zukunft. Das muss was bedeuten."

„In welchem Jahr habt ihr sie aufgesucht?", fragte Kellin, der mein Gesicht musterte, verbittert wirkte. Also funktionierte mein Vorhaben. Sehr gut.

„1838."

„Verstehe", murmelte er. „Sie zu suchen ist gefährlich, Alice. Man kann ihr nicht trauen und sie verabscheut Reed und Hayden."
„Und dich auch?" Hoffnungsvoll sah ich ihn an und er lächelte schwach.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt