"I'm not afraid of dying. Pieces of me die all the time." — Sage Francis
Nachdem ich mich wieder hinauf zur Krankenstation geschlichen hatte, blieb ich vor dieser bis in die Nacht hinein und ging nur nach Hause, weil Acyn mich über seine Schulter warf und wie einen Kartoffelsack zum Auto trug.
In der Früh kehrte ich zurück und so ging das drei Tage hintereinander weiter. Mehr und mehr Leute wurden in dieser Zeit krank. Mehr und mehr Leute füllten die Krankenstation, keiner wurde gesund, aber wenigstens starb auch niemand. Ich bekam nicht mit, was wegen Dawson und Reyna unternommen wurde. Ich hatte auch nicht die Kraft, irgendwen zu fragen. Ich war von Sorgen zu zerfressen. In meinem Kopf war nur Platz für meinen kleinen Bruder, und egal wie wohltuend Reeds Nähe auch gewesen sein mag, ich ging nicht zurück zu ihm. Ich war schon oft genug im Zwiespalt, ich fühlte mich miserabel genug und ertrug es nicht zwei Leuten beim Leiden zuzusehen.
Meine älteren Brüder waren wie ich auch durchgehend im Quartier, auch wenn sie anders als ich nicht nur nutzlos vor der Krankenstation standen. Sie führten wichtige Gespräche, in denen es um sonst was ging. Mir sagte ja keiner was, aber ausnahmsweise war ich auch nicht neugierig, ich war einfach zu müde.
Hayden und Sam leisteten mir so oft es ging Beistand, brachten mich dazu, zu essen und zu trinken und versuchten mich aufzuheitern, aber der Zustand aller Kranken wurde schlimmer. Es waren nicht nur Kinder infiziert, auch Ältere und normale Erwachsene landeten immer öfters krank auf der Station. Was taten diese Monster uns nur an?
Am vierten Tag ertrug ich das alles nicht länger. Ich wollte irgendwas tun. Ich musste einfach irgendwas tun. Ich musste fort von hier. Würde ich auch nur eine Minute länger zusehen, wie mein Bruder immer schwächer und schwächer wird, würde ich den Verstand verlieren.
Das war auch der Grund, weswegen ich meinen Platz vor der Krankenstation verließ, das ganze Quartier still und heimlich zurückließ, um Kellin zu suchen oder besser gesagt, um ihn zu kontaktieren.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihm jemals schreiben würde, dass ich ihn freiwillig sehen wollte, aber die Lage zwang mich regelrecht dazu. Er war die einzige Person, die ich kannte, die mich nun ablenken könnte. Er würde mir nicht alles zu der aktuellen Lage verschweigen, er behandelte mich nicht wie ein Kind, das zu schwach für alles war.
Würde das allerdings jemand herausfinden, würde ich irgendwann noch in einer Zelle neben Reed landen. Ich war mir ziemlich sicher, dass es ein Verrat war sich mit dem Feind zu treffen und nochmal würde man nicht so nachsichtig mit mir sein, immerhin besaßen Kellin und ich nicht so eine Bindung wie Reed und ich.
Die Zeit, in der ich warten musste, bis ich eine Antwort bekam, war furchtbar und unerträglich. Ich war die Straße vom Quartier weg entlanggelaufen und hatte mich jedes Mal versteckt, wenn ein fremdes Auto anfuhr. Erst als ich schließlich den vertrauten schwarzen SUV sah, zeigte ich mich.
„Malia-Doppelgängerin, steig ein!", sagte Paul, der Fahrer vom letzten Mal, und grinste mich dabei mit strahlend weißen Zähnen an. Ich verdrehte die Augen, tat jedoch was er wollte und setzte mich auf den Beifahrersitz.
Wir waren nur zu zweit.
„Wo ist Kellin?"
„Du hast Glück, dass er überhaupt in der Gegenwart ist und dir geantwortet hat. Seit wir ganz sicher wissen, dass Rowan den Kompass hat, ist er ständig mit Malia in Bewegung. Sie darf nicht zu lange an einem Ort verweilen, sonst findet er sie."„Das mit diesem Kompass verstehe ich alles noch nicht so wirklich. Was genau hat es damit auf sich? Wieso ist er so wichtig für Rowan? Wie kann er irgendwen damit finden?"
„Der Kompass ist ein uraltes Relikt von Rowan. Er lässt ihn besondere Wächter finden, so wie er damit dich finden würde oder Malia. Er ist nur sehr schwer anzuwenden und kann schnell blockiert werden, zumindest wenn man nicht die passende fehlende Zutat besitzt."
„Fehlende Zutat?"
„Blut", sagte Paul lächelnd. „Wenn Rowan dein Blut hat und das freiwillig von dir selbst entnommen und an ihn überreicht, dann kann er dich problemlos überall finden. An jedem Ort, in jeder erdenklichen Zeit und dann wird er für dich kommen."
„Also besitzt er Malias Blut?", fragte ich schockiert. Meines besaß er zumindest nicht. Ich würde ihm auch gewiss nicht mein Blut anbieten.
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Avenoir| Band 3 [18+] ✓
Fantasi||Band 3 'Die Legende der Unterwelt'|| Belogen. Verraten. Entführt. Nachdem das Leben von Alice nach einigen schockierenden Wahrheiten und einem verhängnisvollen Deal auf den Kopf gestellt wurde, kommt es nur noch schlimmer. Von ihrer großen Liebe i...