44. Die Wende

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"The worst tragedy in the world is when two people who love each other oh so much just can't make it work." - Unknown

Der Spieleabend endete damit, dass Lilien mit einer ganzen Flasche Rotwein wütend das Zimmer verließ, Cameron sich mit Riley und Elin stritt, weil diese ihn seiner Meinung nach um sein Geld betrogen hätten, und ich hatte mich mit Acyn bestens amüsiert, da eigentlich wir beide uns immer mal wieder was von Camerons Geld ‚geborgt' hatten.

Der Abend war perfekt gewesen. Er war wie Balsam für meine Seele gewesen. Kurz hatte ich meine Ängste vergessen können, den Tod vergessen können. Da war mir das Gespräch mit Palina nur wie ein böser Traum vorgekommen, der nicht real war.

Als ich jedoch ein bisschen später gehüllt in einem Schlafanzug aus meinem Bad trat und Reed sah, kam alles wieder zurück.

Ich bemühte mich mit aller Kraft, nicht zu weinen. Ich war nicht bereit, das alles offen zu legen. Ich wollte noch kurz der Illusion nachgehen, ich hätte eine Zukunft mit Reed. Dass wir zusammen sind, heiraten, Kinder kriegen.

Mein Magen verkrampfte sich und ich lächelte Reed an, der mich genaustens musterte.

„Was ist los?"

Natürlich merkte er, dass was los war. Wieso musste er mich nur so gut durchschauen?

„Ich bin einfach... traurig", sagte ich ehrlich. Ich wollte nicht lügen und ich würde nicht lügen, nur die Wahrheit etwas verbergen.

„Es wird alles gut. Du musst dir keine Sorgen über das Kommende machen. Wir werden es irgendwie schaffen, ich werde auf ich aufpassen und nicht zulassen, dass dir irgendwas passiert", versicherte er mir, kam zu mir, wo er mein Gesicht in seine Hände nahm, ich mich geborgen fühlte, die Augen schloss.

„Es passieren so viele schlimme Dinge... es ist belastend."

„Wie kann ich dich aufheitern?"

Rette mich.

Flieh mit mir.

Beschütze mich.

„Können wir in die Vergangenheit? Nur für eine Nacht?" Ich wollte so viel sehen. Ich hatte gedacht, alle Zeit zu haben, um mit Reed alles zu sehen. Jetzt war die Zeit fort. Sie wurde mir einfach genommen. Ich würde niemals das antike Griechenland sehen oder einen königlichen Hof besuchen.

„Ich bringe dich wohin auch immer du gehen willst", sagte er und ich öffnete wieder die Augen, lächelte ihn an.

„Am liebsten will ich das antike Griechenland sehen, aber das würden wir in einer Nacht nicht schaffen."
„Bedauerlicherweise nicht. Ich kenne aber ein anderes Jahr, das dir gefallen wird und dich glücklich machen könnte", sagte er grinsend.

„Welches?"

Er grinste nur noch breiter. „Lass dich überraschen."
So standen wir keine Stunde später in Klamotten, die Reed mal wieder von seinem Haus entwendet hatte, in den Straßen Londons und das beim großen Notting Hill Carnival in den 80er Jahren.

Im Vergleich zu meinen Sorgen und allem, was bei uns los war, war es ein Traum hier zu sein. Es war bunt, schillernd und jeder hier war glücklich und gutgelaunt. Die 80er waren sowieso ein buntes und skurriles Jahrzehnt und nun hier zu sein war einfach nur überwältigend. Da es hier Ende August war, war es ziemlich heiß außen in der Masse an Menschen, aber ich liebte jede Sekunde. Wie Reed mich durch die Menge zog, wie wir uns Essen und Trinken kauften, zu der lebhaften Musik mittanzten und einfach nur zusammen waren, so fern von allen Sorgen dieser Welt.

Obwohl ich längst hätte schlafen sollen, war ich nicht müde. Es erschien mir so dumm meine letzte Zeit mit Schlafen zu verschwenden. Wenn ich tot bin, würde ich ewig schlafen. Ich wollte meine Nächte lieber mit Reed in der Vergangenheit verbringen. Ich wollte tanzen und Spaß haben und glücklich sein dürfen. Wenn ich mit einem Lächeln im Gesicht sterbe, würde ich ewig glücklich sein.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt