"And I'd choose you in a hundred lifetimes in a hundred worlds, in any version of reality. I'd find you and I'd choose you." – Kiersten White
Um die Zeit zu überbrücken, bis Acyn für mich kam, zeigte Fulda mir den Garten und erzählte dabei munter Geschichten der Vergangenheit. Es war nicht leicht sonderlich viel in der Dunkelheit zu erkennen, aber aus dem Haus strahlt so viel Licht, dass ich dennoch die vielen Sträucher und Blumen sah. Wie im Vorgarten war fast alles durch den Sommer vertrocknet. Es sah nicht so prächtig aus wie einst, wie damals, als ich vor weit über hundert Jahren hier gewesen bin, was Fulda allerdings nicht kommentierte. Sie konnte ja auch kaum wissen, dass ich bereits hier gewesen bin. Lag der Zustand des Gartens nur an der Hitze oder hatte es etwas damit zu tun, dass Grace fort war? Der Irrgarten war ohne sie immerhin auch irgendwie gestorben oder zumindest hatte er stark an Leben verloren. Ich würde diese Form von Magie nie ganz begreifen können.
Fulda erzählte mir davon, wie sie Björn, Graces Vater, kennen lernte, wie sie sich beinahe auf Anhieb ineinander verliebten. Das war ein paar Jahre nachdem er sich von Helena Aasen getrennt hatte, nachdem er herausgefunden hatte, was für ein Monster von einer Frau er da eigentlich geheiratet hatte.
Ich war dankbar, dass sie während all ihrer Erzählungen Grace nie erwähnte. Sie sprach nur von ihrer glücklichen Zeit mit Björn, dass sie seit einigen Jahrzehnten nur am Reisen waren und nie lange an einem Ort blieben, wobei sie allerdings öfters nach London kamen. Wegen des Hauses, wegen ihrer Zugehörigkeit zum Quartier und weil Björns Sohn Alec öfters hier war.
Ich hatte Alec ganz ehrlich vergessen. Der Junge, den ich damals in diesem Haus angetroffen hatte und der besorgt über unser Erscheinen gewesen war, war aus meinen Gedanken geflohen. Ich hatte mich nie gefragt, was aus ihm mittlerweile geworden ist. Aus der Linie der Zeit stammend lebte er aber offenbar immer noch und war so, wie ich es aus Fuldas Erzählungen entnehmen konnte, derzeit in Irland. Wie meine älteren Brüder arbeitete er auch als Jäger für das Quartier und sorgte für Ordnung überall dort in der Welt, wo keine Quartiere standen.
Ich lauschte ihren Erzählungen und spielte dabei mit dem Armband, das nun an meinem rechten Handgelenk baumelte. Es war wunderschön. Es war so schön und so verflucht teuer, dass es mir so falsch an mir vorkam. Wer war ich schon, dass ich teure Familienerbstücke trug? Vor allem Familienerbstücke, die nicht von meiner Familie waren, die rein gar nichts mit mir zu tun hatten. Fulda war zu gut, zu herzlich. Die Bedeutung hinter dem Schmuckstück war so bewegend, dass ich es nur leider tragen musste. Ich wollte sie nicht beleidigen, in dem ich es ihr zurückgab, auch wenn es mich etwas verwirrte nun etwas zu tragen, das einst Grace gehört hatte. Ich hatte schon genug von ihr übernommen.
Fulda wollte gerade wieder mit mir ins Haus gehen, als ich verborgen zwischen zwei besonders dichten Sträuchern etwas bemerkte, das ich lieber nicht hatte sehen wollen.
„Ist das ihr Grab?" Meine Stimme war nur ein Flüstern, trotzdem hatte sie mich gehört. Ich war stehengeblieben, sah mit Entsetzen zu dem halb verborgenen Grabstein und wusste bei dessen Anblick kaum, was ich denken oder fühlen sollte.
„Ja", sagte Fulda und klang plötzlich ganz traurig. „Normalerweise verbrennen wir Wächter ja unsere Toten, aber auf Wunsch Helenas haben wir sie begraben."
„Wieso?"
„Nur weil es Brauch ist, verbrennt trotzdem nicht jeder seine Toten. Helena war außerdem eine Hexe, sie haben sowieso ganz andere Bräuche und sie wollte das für Grace."
„Aber sie war eine furchtbare Mutter. Sollte es nicht egal sein, was sie wollte?"
„War sie, aber ich glaube Björn hat die Aussicht gefallen, dass sie irgendwie bei uns bleiben würde, dass sie bei den Blumen und Pflanzen sein würde, die sie so geliebt hatte."Es war ziemlich seltsam dieses Grab zu sehen, die frischen Blumen auf diesem und wie alt der Grabstein war. Ich konnte in der Dunkelheit die Schrift nicht lesen, aber mir wurde bei dem Anblick ganz anders. Dann dachte ich an Kols Worte während des Feuers im Quartier zurück und ich war verwirrt. Sie musste tot sein, nicht? Aber wieso würde er so etwas dann sagen? Nur wäre sie nicht tot, würde es kein Grab geben. Irgendwer musste hier unten ja begraben worden sein.
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Avenoir| Band 3 [18+] ✓
Fantastik||Band 3 'Die Legende der Unterwelt'|| Belogen. Verraten. Entführt. Nachdem das Leben von Alice nach einigen schockierenden Wahrheiten und einem verhängnisvollen Deal auf den Kopf gestellt wurde, kommt es nur noch schlimmer. Von ihrer großen Liebe i...