16. Schwachstellen

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"I want everything back the way it was. But there is no point to it, this wanting." - Margaret Atwood

Ich schlief unheimlich gut. Ob es daran lag, wieder ein richtiges Bett zum Schlafen zu haben oder weil Reed bei mir war, wusste ich nicht. Vermutlich die Kombination aus beidem.

Ich wollte gar nicht aufwachen müssen. Ich wollte für immer hier liegen und glücklich mit ihm sein. Kurz war alles angenehm. Die Sorgen waren so weit entfernt, es gab nur ihn uns mich in diesem Zimmer. Alles war gut, alles war perfekt und ich wollte mich nicht der bitteren und anstrengenden Realität stellen müssen, aber solange man in einem vollen Haus lebte, war das keine Option.

„Gleich wird es ungemütlich, wenn wir nicht aufwachen", nuschelte Reed verschlafen neben mir.

„Wieso?"
„Du wirst es gleich sehen."

Und tatsächlich klopfte es keine Minute später an der Türe und der Krieg brach aus.

Kaum trat Acyn ein und sah Reed neben mir liegen, wurde der Frieden des Morgens zerstört.

„RAUS!", brüllte er Reed an, der sich unbekümmert aufsetzte und natürlich unbedingt zeigen musste, dass er bis auf die Boxershorts nackt war. Das stimmte meinen ältesten Bruder wie zu erwarten nicht glücklich, was Reed wiederum zu erheitern schien.

„Raus aus dem Bett meiner kleinen Schwester, du psychopathisches Arschloch!"

Ich hatte Acyn selten so wütend gesehen. Er und Riley waren eigentlich immer sehr lieb. Wenn es um die Arbeit ging, konnten sie ernst und gefährlich werden, aber so laut und wütend hatte ich dennoch keinen von ihnen je gesehen.

„Acyn", sagte ich und versuchte die Lage zu beruhigen. Ich stand auf und stellte mich zwischen die zwei, bevor sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen konnten. Heute war nicht der Tag, an dem ich herausfinden wollte, wer von beiden stärker war.

„Was ist hier los?", fragte Riley, der Reed beim Eintreten sofort bemerkte und gleich genauso bedrohlich wie Acyn wurde.

Na toll.

„Alice, nur weil er jetzt frei sein darf, heißt es nicht, dass er ein willkommener Gast in diesem Haus ist", mahnte Acyn mich und ich verdrehte die Augen.

Reed wirkte auch weiter sehr erheitert und zog sich seelenruhig seine Klamotten wieder an.

„Außerdem will ich meine kleine Schwester nicht mit einem Typen im Bett erwischen. Das ist ja widerlich", sagte Riley angewidert und ich seufzte genervt. „Ich bin kein Baby mehr!"

Die zwei sollten ja aufhören, sich so aufzuspielen. Ich war immerhin bald 19 und damit sicher längst alt genug, eine Beziehung zu führen und auch andere Dinge zu tun.

„Was ist hier los?"

Oh, es wurde immer schlimmer.

Mein Vater trat zu meinen Brüdern, hatte Cameron im Schlepptau und ich glaubte ein morgendliches Treffen in meinem Zimmer abzuhalten. Wollten sie den Rest der Familie nicht auch noch holen?
Du!", sagte mein Vater wütend und zeigte mit seinem Finger anklagend auf Reed. „Ich hole mein Gewehr. CECILIA, WO IST MEINE WAFFE?"
Dad!" War meine Familie darauf aus, sich heute darum zu streiten, wer sich am peinlichsten benehmen konnte?

„Ich glaube, deine Familie mag mich nicht sonderlich, Herzblatt." Reed stellte sich zu mir und verzweifelt sah ich ihn an.

„Tut mir so schrecklich leid. Sie sind alle furchtbar dir gegenüber, das verdienst du nicht."

„Bitte?", schnaubte Riley empört. „Verdient er nicht?"

„Ist in Ordnung. Ich sehe dich später zu hoffentlich besseren Bedingungen, du wirst hiermit sicher auch ohne mich fertig." Er küsste meine Stirn, meine beiden Wangen, ehe er mir ganz flüchtig einen Kuss auf die Lippen presste, mit Absicht die Mitglieder meiner Familie damit provozierte, ehe er in der Zeit verschwand. Er ließ mich mit dem Rest meiner Familie allein und dieser Rest war wie zu erwarten wütend.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt