12. Im Wald

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"Our souls were lost in the sky where the stars came out." — John Gould Fletcher

Als ich aufwachte, war ich allein.

Gehüllt in meinem Umhang und mit dem Umhang Reeds wie eine Decke über mir, lag ich auf dem Waldboden. Es war nicht mehr dunkel, aber der Himmel hinter dem Blätterdach leuchtete rötlich. Ging die Sonne auf oder wieder unter?

Ein Blick zu den Überresten eines alten Lagerfeuers ließ mich eher vermuten, dass es wieder Sonnenuntergang war. Das Lagerfeuer sah aus, als sei es schon vor einer kleinen Ewigkeit erloschen.

Wie erschöpft war ich bitte gewesen?

Ich hatte den ganzen Tag verschlafen. In dem Tempo würden wir die zwei niemals retten.

„Du bist wach."

Ich sah zu Reed, der mit einem Stapel frischem Holz aus dem Wald auf die winzige Lichtung trat, in der wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Er warf das Holz auf die Überreste des alten Feuers und half mir aufzustehen, als ich Anstalt machte, mich aufzurappeln.

„Ich fühle mich etwas... schlecht", sagte ich und reichte ihm seinen Umhang, den er ordentlich zur Seite legte, während er für mich meinen Umhang etwas richtete, bevor er meine Stirn fühlte.

„Du siehst aber deutlich gesünder aus und du hast kein Fieber."

„Wegen mir verlieren wir wertvolle Zeit." Ich wollte gar nicht darüber reden, wie furchtbar peinlich ich mich benommen hatte, bevor ich eingeschlafen war. Ich hoffte nie wieder auf Reeds Kraft angewiesen zu sein.

Das Verlangen, das ich dabei gespürt hatte, es war beinahe gruselig gewesen. Ich war so furchtbar peinlich gewesen, ich wollte gar nicht wissen, wie sehr sich Reed über mich amüsiert hatte. Aber er hatte durchgehalten, meinen gierigen Händen zu entkommen. Beeindruckend.

„Wir können niemanden retten, wenn wir selbst halb tot sind. Wir bleiben noch diese Nacht hier und ab morgen geht es weiter. Uns hat hier keiner bemerkt und vielleicht kommen wir ja an und sehen, dass man die zwei längst gerettet hat."
„Glaubst du das echt?" Skeptisch hob ich meine Brauen und er lachte.

„Nein, aber ich versuche optimistisch zu bleiben."

Er ging zu dem Holz und bemühte sich, dieses zum Brennen zu bringen. Wäre ich nicht so erschöpft, hätte ich geholfen, aber ich wollte mich am liebsten nur weiter ausruhen.

„Dort drüben ist ein Fluss, wo du dich frisch machen kannst, wenn du Lust hast. Das Wasser ist eigentlich ziemlich angenehm, vielleicht hilft es dir, wieder einen klaren Kopf zu kriegen, bevor du nur erneut über mich herfallen willst."

Ich wurde von seinen Worten rot und hätte gern etwas gekontert, aber leider hatte ich mich nun einmal superpeinlich benommen und hatte wie irgendeine Verrückte versucht, ihm die Kleider vom Leib zu reißen. Ich verdiente seinen Spott und würde ihn verkraften.

Der besagte Fluss war eiskalt, aber es tat gut sich mit dem frischen Wasser aufzufrischen und vor allem was zu trinken. Ich war halb am Verdursten gewesen von dem komischen Fieber und der Tatsache, einen Tag lang verschlafen zu haben.

Ob das Wasser sauber genug zum Trinken war, wusste ich nicht, aber ich hoffte einfach mal, dass man als Wächter auch vor solchen Dingen geschützt war. Ich wusste ehrlich nicht, wo da die Grenzen gezogen wurden.

Reed schaffte es derweil ein Feuer zum Brennen zu bringen und die Wärme von diesem war wohltuend, besonders als die Sonne am Horizont verschwand und es wieder kälter wurde. Ich kam mir etwas so vor, als ob ich einen netten Campingtrip machen würde. Es war einfach so surreal mit Reed im Wald bei einem Feuer zu sitzen als sei es das normalste auf der Welt.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt