9. Die Plagen der Reiter

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"I carry a yearning I cannot bear alone in the dark— What shall I do with all this heartache?" — Joy Harjo

„Wohin fahren wir?" Ich sah besorgt aus dem verdunkelten Fenster neben mir, sah zur Schule, an der wir vorbeifuhren und vor der wirklich ein Großeinsatzkommando der Polizei versammelt war.

Noch nie hatte ich so etwas gesehen. Noch nie hatte ich etwas so Dramatisches erlebt.

Wie rücksichtslos handelten die Reiter nun bitte, dass sie so viele Unschuldige in die Sache mithineinzogen? So viele Ahnungslose? In diese Schule gingen Kinder! Unzählige Kinder, die absolut nichts für irgendwas die Schuld trugen. Das war ein Kampf zwischen unseren Seiten. Normale Menschen sollten damit nichts zu tun haben müssen. Wenn Rowan mich so dringend haben wollte, dann sollte er mich einfach von meinem Haus holen. Wäre das nicht einfacher?

Ob es allen gut ging? Am liebsten wollte ich aussteigen und jeden suchen, der mir auch nur halbwegs wichtig war, aber das wäre töricht. Immerhin wusste ich, dass Dari längst Schulschluss hatte und nicht mehr hier wäre. Eine Person weniger, um die ich mich zu sorgen hatte.

„Zum Quartier. Du bleibst dort. Dort ist es derzeit zumindest sicherer als hier", sagte Kellin knapp.

Ich war erleichtert über diese Antwort. Ich hatte Angst gehabt, er könnte mich irgendwohin bringen, wo ich nicht hinwollte. Das Quartier klang gut. Ich wollte meine Familie sehen und diese beruhigen, dass es mir gut ging, auch wenn es seltsam werden würde zu erklären, wem ich das verdanke.

Cameron würde durchdrehen.

„Und was wirst du machen?"

„Nichts, was dein Problem ist", sagte Kellin, ignorierte mich ab da lieber und sprach mit seinem Fahrer.

„Kontaktiere dann Kilian und sag ihm, ich habe eine Waffenlieferung für ihn. Das wird ihn glücklich stimmen. Kate weiß wegen dem Treffen später Bescheid, du musst ihr aber helfen. Du weißt, wie sie die Dinge regelt. Wir können uns keine Fehltritte erlauben."

„Und die Kleine ist wirklich sicher im Quartier?", fragte der Fahrer, der mich durch den Rückspiegel interessiert musterte. Er sah aus, als wäre er gute zehn Jahre älter als ich. Dunkle Haut, dunkles Haar und so wie er sprach und mir kurz durch den Spiegel zuzwinkerte, hielt er sich wohl für unwiderstehlich.

„Sorg dich nicht um sie, Paul", murrte Kellin.

„Ich bin nur überrascht, wie ähnlich sie Malia sieht. Nur plappert sie zu viel. Malia wäre schon längst eingeschüchtert gewesen und hätte nur geredet, wenn du als ihr starker Beschützer sie in die Arme geschlossen hätte." Frech grinste er, während er das sagte, eindeutig drauf aus, Kellin zu provozieren.
Dieser warf ihm einen warnenden Blick zu und sofort verstummte dieser Paul wieder.

Er kannte immerhin Malia. Noch von damals oder weil sie in der Zwischenzeit längst hier gewesen ist? Würde ich fragen, würde ich sicher keine Antwort bekommen oder Kellin nerven, was verlockend klang, aber ich wollte mein Glück nicht zu sehr auf die Probe stellen. Ich traute ihm zu, dass er mich aus dem Auto wirft und nach Hause laufen lässt.

Wir näherten uns dem Quartier und ich war froh, dass wir gleich da waren. Ich war zwar dankbar, dass Kellin mich gerettet hatte, aber seine Nähe stimmte mich immer noch nervös. Ich wollte nur fort von ihm und seinem zwielichtigen Freund.

„Was unternimmst du wegen meines Bruders?"

Ich sah überrascht zu Kellin nach vorne, als er das Wort wieder an mich richtete und mich ausgerechnet das fragte. Ich hatte angenommen, er würde irgendwas tun, um ihm zu helfen.

„Nichts. Was sollte ich schon unternehmen?"

„Du wirst ihn in der Zelle verrotten lassen?" Er sah mich an, als würde er mir nicht glauben. Sicher war es schwer vorstellbar. Er wusste genau, wie es war, einen Seelenpartner zu besitzen. Ich meine, mir tat es schrecklich weh, wenn ich nur daran dachte, wie Reed in dieser kleinen, kalten und feuchten Zelle saß, allein. Ich wollte ihn retten, ich wollte ihm helfen, aber zum einen war ich machtlos und zum anderen war er immer noch böse und gefährlich, wenn auch nicht auf die Weise, wie ich es immer angenommen hatte. Ihn nach draußen zu lassen wäre trotzdem selbstsüchtig, waghalsig und es könnte vielen unschuldigen Leuten das Leben kosten. Ich kannte seine Pläne nicht. Nur weil er mich verschonte bedeutete das nicht, dass andere ihm auch wichtig waren.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt