Prolog

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"Maybe I'll see you in another life, if this one wasn't enough." — Florence + the Machine


2005

Ein Sturm wütete draußen. Der Regen peitschte gegen die Fenster, die Bäume des Waldes bogen sich gefährlich beim starken Wind. Durch jeden noch so kleinen Spalt zog die Luft in den Raum, summte gespenstische Melodien.

Es klang beinahe so, als ob das Wetter außen das große Unheil widerspiegeln würde, das sich im Inneren des Quartiers abspielte. Das Wetter wusste, dass irgendwas nicht stimmte oder vielleicht war das auch nur das Werk der jungen Wächterin, deren Fähigkeit es war, das Wetter zu kontrollieren.

Was versetzte Malia Noir in so eine Laune, dass der Wald sich vom starken Wind beinahe zu entwurzeln drohte?

„Geh vom Fenster weg, Riley", sagte die besorgte Mutter, die den Sturm außen mit tiefen Sorgenfalten beobachtete, die sie älter aussehen ließen als sie es war. Egal wie gut geschützt das Quartier auch sein mochte, sie befürchtete jeden Moment könnte einer der Bäume durch das Fenster fliegen und sie hatte nur die Kraft, sich um eines ihrer der Kinder im Moment zu sorgen. Sie wollte nicht ein weiteres ihrer Kinder verletzt oder krank sehen.

Falls der Sturm tatsächlich das Werk ihrer Nichte sein sollte, so hoffte sie inständig, dass egal was sie auch so betrübte, es schnell enden würde. Sie ertrug es nicht mehr, den Wind so heulen zu hören und alle paar Minuten voller Sorge nach außen zu sehen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht gleich sterben würden. Sie hatte genug Sorgen und ertrug das unheilvolle Wetter nicht. Es machte diese hoffnungslose Lage umso schlimmer.

„Glaubst du, der Wind wird das Quartier wegwehen, Mum?", fragte Riley aufgeregt nach und kam zu seiner Mutter gerannt, setzte sich auf den freien Stuhl neben ihr. In seiner Hand hielt er ein kleines Modellflugzeug, mit dem er zuvor am Fenster gespielt hatte, sich wohl vorgestellt hatte, als Pilot im Sturm zu fliegen. Sie wünschte sich so sehr, auch nochmal so unbeschwert wie ein Kind zu sein. So hoffnungsvoll und unverdorben.

Nun würde sie jedes ihrer drei Kinder ruinieren.

„Das ist viel zu schwer dafür, du Trottel. Das kann gar nicht wegfliegen", schnaubte sein älterer Bruder.

„Du bist selbst ein Trottel!"
„Ich stelle keine trotteligen Fragen."
„Dafür ist alles, was du sagst, trottelig."

Seufzend rieb die Mutter sich die Schläfen, während sie versuchte, das Gezanke ihrer Söhne auszublenden. Eine gute Mutter würde sie anweisen, still zu sein, sich zu entschuldigen und es verbieten, solche Worte zu benutzen, aber sie konnte keine gute Mutter mehr sein. Sie hatte als Mutter in so vielen Dingen versagt und der Stress der vergangenen Tage nagte fürchterlich an ihr. Sie verdiente es nicht, eine Mutter zu sein. Die Dinge, die sie ihren Kindern antat, ihnen zumutete... wie sollte sie all das jemals richten? Wie sollte man ihr je verzeihen?

„Jungs! Hört auf mit dem Streit und setzt euch wieder hin!"

Erleichtert sah sie zu ihrem Mann auf, der in das kleine Krankenzimmer eingetreten kam und als erstes zu dem Bett lief, neben dem seine Frau und zwei Söhnen saßen. Seit Tagen war seine Frau schon hier. Sie wollte nicht gehen, nicht für eine Minute, aus Angst, sie könnte irgendwas verpassen. Wäre ihr Mann nicht, würde sie hier in diesem Zimmer vergehen, dann würde keiner da sein, der sich um ihre älteren Söhne kümmerte, während sie langsam vor Kummer, Sorgen und Ängsten zerbricht.

Ihr Mann setzte sich auf die Bettkante und streichelte ihrem kleinen, schlafenden Mädchen sanft übers Haar, fühlte ihre Stirn und zog seine Hand sofort wieder weg, so brennend heiß war sie.

„Es wird schlimmer."
„Sie hat uns gewarnt, dass es schlimmer werden wird", sagte die Mutter leise.

Am liebsten wollte sie ihre Söhne wo anders hinbringen. Sie sollen ihre kleine Schwester nicht so sehen, sie sollten von allem nichts wissen müssen, aber es war unvermeidbar, dass sie eingeweiht waren. Sie mussten wissen, was hier geschah. Es würde mal ihre Aufgabe sein, alles dafür zu geben, auf ihre Schwester aufzupassen, Geheimnisse zu bewahren.

Es war fürchterlich von ihr, die beiden mit so einer Bürde zu belasten. Sie waren zu jung für diese Geheimnisse, zu jung für diese enorme Verantwortung. Nur was für eine Wahl hatten sie schon? Mit ihren Entscheidungen würde sie alles retten und auch alles ruinieren. Wie ironisch.

„Ist sie... ist sie nochmal aufgewacht?"

Trauriges Kopfschütteln.

„Sie wird wieder aufwachen, ich bin mir sicher. Sie muss aufwachen. Wir haben alles getan", sagte er nun zuversichtlich und küsste sanft die Stirn seiner Tochter, bevor er sich wieder erhob.

„Ich weiß immer noch nicht, wie es danach weitergehen soll. Alles wird sich ändern. Wenn irgendwer im Quartier herausfindet, was wir getan haben...", begann die Frau nun unruhig zu sagen, aber ihr Mann beruhigte sie sofort.

„Keiner wird irgendwas herausfinden! Es ist der einzig richtige Weg. Wir retten sie so. Wir retten mehr als nur ein Leben auf diese Weise."
„Wir verdammen unsere Tochter damit!"
„Besser sie lebt mit einer schweren Bürde, als dass sie niemals die Möglichkeit haben wird, eine Zukunft zu haben, Cecilia." Er versuchte seine Worte sanft zu verpacken, sachlich und als ob er selbst feste von dieser Entscheidung überzeugt wäre. In Wirklichkeit fiel es ihm keineswegs leicht stark zu sein. Hier vor ihnen starb ihre kleine Tochter und um sie zu retten, waren sie bereit, große Opfer zu bringen, einen Pakt mit Mächten einzugehen, die in naher Zukunft alles verändern könnten.

„Ich will nur, dass sie aufwacht. Ich will nur, dass es ihr gut geht. Wie soll es ihr jedoch gutgehen, wenn alle sie jagen werden? Sie wird die Dunkelheit anziehen. Sie wird so viele böse Mächte auf sich aufmerksam machen. Wie sollen wir sie davor beschützen, Henry?"
„Wir werden gehen. Wir gehen fort vom Quartier, halten sie fern von dieser Welt, leben im Verborgenen."
„Wie lange wird das gutgehen? 15 Jahre höchstens. Du weißt genauso gut wie ich, dass sie Kräfte kriegen wird. Und sie wird Hilfe brauchen. Hilfe, die wir allein ihr niemals geben können. Sie wird also zurückkommen und dann wird sie jeder finden. Dann werden sie alle für sie kommen und sie uns wegnehmen."
„Es gibt keinen anderen Weg", sagte Henry bedauernd. „Ich werde sie nicht sterben lassen! Niemals!"

Seine Frau schüttelte betreten den Kopf. „Ich auch nicht. Ich habe nur so eine große Angst. Man wird versuchen, sie uns wegzunehmen. Ich kann sie nicht verlieren. Ich ertrage den Gedanken nicht, was man ihr antun wird."
„Ich habe auch Angst. Zusammen passen wir auf sie auf. Keiner wird uns Alice jemals wieder wegnehmen. Das lassen wir nicht zu!"

Gemeinsam sahen sie zu ihrer schlafenden Tochter, während ihre Söhne bedrückt von dem Gespräch waren. Sie verstanden nicht alles. Sie wussten nicht die genauen Details und was hier geschah, aber sie verstanden so viel, dass sie von nun an auf ihre Schwester noch mehr aufpassen müssten als je zuvor und das würden sie.

„Wenn sie die Wahrheit herausfindet, wird sie uns verabscheuen", hauchte Cecilia leise.

„Sie wird es verstehen. Es war der einzige Weg. Irgendwann wird sie es verstehen."

Oh, sie hofften beide so sehr, dass ihre Tochter irgendwann verstehen würde, wieso sie all das getan haben, was für einen Preis sie hatten zahlen müssen, um sie zu retten, und wieso es das alles wert gewesen ist.

Wörter: 1178

Aloha :) Ich hoffe der Prolog gefällt euch, auch wenn viele neue Fragen aufkommen. Bis zum ersten richtigen Kapitel müsst ihr noch eine weitere Woche warten, aber ich hoffe, das hier macht euch fürs erste glücklich xD Wenn irgendwer gute Cover-Shops kennt, sagt Bescheid. Meine Cover-Queen hat ihren Shop geschlossen für eine Weile und ich bin furchtbar schlecht darin, irgendwas Brauchbares zu erstellen.

Zu der Story: Ich glaube bisher gefällt mir das Buch am besten. Es gibt super viele Szene zwischen Reed und Alice (viel spice), Götter, neue Bündnisse, Missionen, Reisen in die Vergangenheit. Es dreht sich mehr um die Unterwelt und ich werde euch mit Antworten auf die vielen Fragen regelrecht attackieren. Freut euch also auf eine Menge Drama. Es hat mir super viel Spaß gemacht das Buch zu schreiben, auch wenn ich teilweise verzweifelt bin. Jetzt ist es aber komplett fertig und sobald ich bis hoffentlich nächste Woche die Kapitel überarbeitet habe, kann es losgehen xx



Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt