15. Die Rückkehr

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"Tell me every terrible thing you ever did, and let me love you anyway." - Sade Andria Zabala

Der Rückweg kam mir schneller vor. Ob es daran lag, dass Reed und ich durch die Anwesenheit der anderen dazu gedrängt waren, nicht mehr dauernd anzuhalten, um übereinander herzufallen, oder weil Reyna ein zügiges Tempo vorgab, damit sie schnell zurück nach Hause konnte und vor allem zu Nasrin, das war offen.

Als wir letztendlich beim Quartier ankamen, war jeder froh, dass der Ausflug vorbei war.

Ich hatte zwar so einige Sorgen wegen Reeds Schicksal und auch was man mit mir machen würde, doch die Aussicht richtiges Essen zu kriegen und meine Familie hoffentlich sehen zu dürfen, gab mir neue Kraft. Reed war so zuversichtlich, also musste ich es auch sein.

Während Reyna so schnell wie möglich besonders von Reed weg wollte, war Dawson erstaunt vom Quartier, das er bisher noch nicht gesehen hatte. Hätte er sein Handy noch bei sich gehabt, hätte er sicher wie irgendein Tourist Bilder gemacht.

Reed schien derweil die Ruhe selbst zu sein, als ob er gar nichts zu befürchten hätte, dabei lief er geradewegs durch die Eingangstüren, als ob er nicht ein geflohener Gefangener wäre.

Es war also nur vorherzusehen gewesen, dass man ihn sofort in Ketten legen würde. Das ließ er mit völliger Gelassenheit über sich ergehen. Er versuchte ja nicht einmal, sich zu verteidigen.

„Keine Sorge, Herzblatt", sagte er beruhigend, als die Wachen ihn von mir zogen.

Ich wollte sie aufhalten, ich wollte meine Kraft nutzen, um ihm zu helfen, aber er stoppte mich. „Lass mich das hier regeln, spätesten heute Abend sehen wir uns wieder."

Wie er sich so sicher sein konnte, wusste ich nicht, aber seine Zuversicht beruhigte mich ein bisschen. Reed tat selten etwas ohne einen Plan. Er würde nicht hierherkommen, wäre er sich nicht sicher, wieder freizukommen.

Ab da wurden wir alle getrennt. Dawson und Reyna wurden von zwei Wachen zu den Heilern gebracht und eine andere Wache brachte mich geradewegs in das Büro meines Mentors.

Ich hatte beinahe befürchtet, selbst in Ketten gelegt und in einer Zelle zu landen, aber bisher sah es nicht so aus.

„Alice!" Mr Spencers Stimme war schneidend. So wütend wie jetzt hatte ich den alten Mann noch nie gesehen.

Kaum ließen die Wachen uns allein, trat er auf mich zu und musterte mich mit Sorge. Er war wütend, hatte wohl jedoch auch befürchtet, dass ich nicht mehr im Ganzen zurückkehren würde.

„Es tut mir leid", sagte ich, bevor ich mir eine Predigt zu meinem schlimmen Benehmen anhören konnte. „Ich musste meinem Bruder helfen! Ich musste einfach irgendwas machen."
„Du hättest dich anstecken können! Du hast den gefährlichsten Verbrecher dieser Zeit aus seiner Zelle gelassen, du hast dabei Wachen attackiert. Was ist nur in dich gefahren? Das sind alles schwere Verbrechen. Eigentlich sollte man dich dafür einsperren. Würde das Komitee noch existieren, hätte man dich augenblicklich weggesperrt. Es gibt keine Rechtfertigung dafür!"
„Es ging um Dari! Ich bereue also nichts. Er hat ihn gerettet, er hat alle gerettet. Ich würde mich dafür jederzeit einsperren lassen. Für meine Familie würde ich alles tun!"

Mr Spencer seufzte verzweifelt, schloss die Augen und rieb sich beide Schläfen, als er sich von mir abwandte und hinter seinen Schreibtisch setzte.

„Du hast die anderen mit dieser waghalsigen Geschichte gerettet, aber das bedeutet nicht, dass man dein Verhalten befürworten sollte."
„Aber niemanden ist irgendwas geschehen, oder?" Den Wachen ging es sicher wieder gut... hoffentlich.

„Alle sind wohlauf. Alle Kranken sind wohlauf, aber es war dennoch ein unüberlegtes Handeln, Alice. Ich hätte mehr von dir erwartet und bin äußerst enttäuscht."

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt