23. Zwei gebrochene Seelen

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"Am I supposed to be grateful to have survived this?" — Brenna Twohy

Wir landeten in meinem Zimmer, nur in welchem Jahr, wusste ich nicht. Es war mir auch völlig egal. Ich war zu aufgewühlt, konnte mich nur an Reed klammern und weinen.

Mein Herz drohte zu zerspringen. Diese Tage bei Rowan hatten mich so viel gekostet. So viel an Kraft, so viel an Würde. Alles schmerzte, alles fühlte sich erdrückend an, und Reed war wie Balsam für meine zerschundene Seele, nur schien ich kaum schnell genug Heilung von ihm zu kriegen.

„Alles wird gut. Hier wird er dich nicht kriegen. Hier weiß er gar nicht, wer du bist."

Diese Aussicht war beruhigend. Sie war so beruhigend, dass ich am liebsten auf ewig hiergeblieben wäre, egal welches Jahr auch immer das wäre. Nie wieder wollte ich Rowan sehen müssen, zurück zu ihm müssen und all das erleiden. Ich würde mich nur kaum auf ewig in der Vergangenheit verstecken, so wie Malia es tat. Ich würde es einfach nicht übers Herz bringen, alle zu verlassen, die mir wichtig waren. Vor allem, weil ich wusste, dass Rowan sie jagen würde. Er würde sie dafür bestrafen.

Niemand sollte für meine Fehler büßen müssen.

„Schau mich bitte an", sagte er und drückte mich sanft etwas von sich. Für zwei Herzschläge sah er mir in die Augen und atmete erleichtert auf, küsste meine Stirn und drückte mich wieder fester an sich.

„Du bist wirklich hier", hauchte er. „Du bist immer noch du."

Ich verstand nicht wirklich, was er meinte, hinterfragte es jedoch nicht.

Reed setzte sich mit mir auf das Bett, das in diesem Jahr auch genau an der gleichen Stelle stand, hielt mich in seinen Armen und wartete, bis ich wieder ruhiger wurde. Mit ihm fiel es mir leichter und ich glaubte, die Wirkung der vielen Drogen würde langsam nachlassen.

Meine Gedanken wurden wieder klarer, nur der Schmerz blieb. Der Schmerz und das ekelhafte Verlangen, am liebsten einfach wieder taub zu werden und nichts von dem Schrecken fühlen zu müssen.

„Mir geht es nicht gut", nuschelte ich leise gegen Reeds Brust und sein Griff um mich wurde nur noch stärker.

„Ich werde ihn dafür umbringen. Ich werde ihn in Stücke zerreißen!"
„Ich will nicht, dass einer von uns jemals wieder in seine Nähe gelangt."
„Was unvermeidbar sein wird... außer wir bleiben hier." Er sagte es scherzend und doch hörte ich aus seiner Stimme heraus, dass er es irgendwie ernst meinte. Er würde gern mit mir in der Vergangenheit bleiben und im Moment wollte ich es auch. Fern von allen zukünftigen Problemen, die so belanglos wirkten.

Reed zwang mich erneut, ihn anzusehen, wo er wieder intensiv mein Gesicht musterte. Ich wusste nicht, wonach er suchte, was er sich erhoffte zu sehen oder nicht zu sehen.

„Kannst du klar denken?"

Ah. Er hatte Angst, wie es mir geistig ging, ob Rowan mich ruiniert hatte.

Ich nickte zaghaft. Es war alles viel, es war alles erdrückend, aber er hatte mir meinen Geist nicht kaputt gemacht. Dafür hatte er auf eine besondere Show warten wollen. Sicher bereute er es mittlerweile.

„Er wird mich zerbrechen", sagte ich verängstigt von der Macht Rowans, wie er mich so viel Grauen fühlen gelassen hatte, wie er mich mit den Drogen betäubt hatte, während ich nichts dagegen machen konnte.

„Ich werde das irgendwie verhindern. Es tut mir leid, dass ich dich nicht retten konnte, dass ich nicht bei dir war, als..."
„Es ist ok", versicherte ich ihm. „Wärst du gekommen, hätte ich nicht gehen können." Freiwillig zu gehen wäre unmöglich für mich gewesen und ein Teil von mir wäre immer freiwillig bereit gewesen, mit Reed zu gehen.

Avenoir| Band 3 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt