Kapitel 2

7.7K 165 20
                                    

Mit Tränen in den Augen von dem ganzen Lachen rolle ich mich aus dem Bett und werfe mir meine Jacke über. Mit dem Autoschlüssel in der einen Hand und mit dem Türknauf in der anderen stocke ich jedoch. Das Lego. Mit großen Schritten laufe ich auf zur Tür meines jüngeren Bruders.

„Milosh kannst du mir ein wenig Lego von dir geben?", schreie ich in den Raum und ihm fliegt sein Stofftier aus der Hand. „Schrei doch nicht so, ich bin ja nicht so taub wie du", schnaubt er. Oha, so jung und schon so gemein. „Wozu brauchst du denn Lego?", fragt er mich mit einem verwirrten Blick.
„Egal was es ist, ich gebe dir keins ab!", schreit er laut und schmeißt sich auf seine Kiste mit Lego. Lassen wir das mal so im Raum stehen. Langsam schließe ich die Tür und drehe mich um. „Das war komisch", flüstere ich zu mir selbst, doch ein Geistesblitz bringt mich aus meiner Starre und ich renne runter in die Küche zu der Süßigkeiten Schublade. Mit einem Lollipop in der Hand laufe ich zu meinem Auto und starte den Motor.

Die Adresse gebe ich in mein Navi ein und fahre aus der Ausfahrt raus. Das wird Comedy pur. Ich hoffe, dass seine Mutter dabei ist - muss sie ja auch.
Kein Kind darf mehr zu so einer Uhrzeit draußen sein.

Nachdem ich mich auf der Hauptstraße und zwanzig Minuten vor dem Ziel befinde, erinnere ich mich wieder an den Lolli. Ich habe Hunger.
„Scheiß auf den Jungen." Mit diesen Worten reiße ich das Plastik mit den Zähnen ab und steck mir den Cola Lollipop in den Mund.

Ob das so eine gute Idee gewesen war? Aber das Gesicht des Jungen zu sehen und ihn vor seiner Mutter zur Schnecke zu machen, wird einfach zu gut. Da um diese Uhrzeit sowieso keine Menschenmassen mehr auf den Straßen sind fahre ich etwas schneller als erlaubt.
„Sie haben ihr Ziel erreicht", sagt die Computerstimme und ich trete auf die Bremse. Ich öffne die Tür und schwinge mich aus dem Auto. Den Schlüssel lasse ich vorsichtshalber stecken, falls ich die Flucht ergreifen muss.

Typisch Deutschland. Gestern waren noch 30 Grad und jetzt bin ich kurz davor zu erfrieren. Dieses Wetter hat schlimmere Stimmungsschwankungen als ich. Langsam laufe ich um mein Auto rum und es bilden sich weiße Wolken vor meinem Mund. Verdammt.

Meine Güte bin ich dumm. Was ist, wenn der Junge mich einfach verarscht hat? Lachend über meine eigene Blödheit drehe ich mich wieder zu meinem Auto und öffne die Tür, doch ein lautes Knacken lässt mich aufschrecken.

„Kleiner?", rufe ich in die Dunkelheit und ziehe den Lolli aus meinem Mund. „Mein Bruder wollte kein Lego lockermachen, aber ich habe dir einen Lolli mitgebracht", rufe ich und halte den feuchten Lollipop in die Luft. Drehend schaue ich nach einer Person, jedoch kann ich durch die Dunkelheit so gut wie nichts erkennen bis auf ...

Die Laterne am Ende der Straße erhellt einen kleinen Fleck - und dort. Eine Person. Verdammt. Ich will nicht sterben. Quatsch, es ist bestimmt nur seine Mutter.

Mit kleinen Schritten nach hinten nähere ich mich meinem Auto. „Ha kleiner, du hast wohl Angst bekommen und hast deine Mama gefragt ob Sie deinen Arsch retten kann", rufe ich mit zitternder Stimme. Ob meine Stimme durch die Kälte oder durch meine Angst zittert, kann ich nicht erklären. Die Person vor mir fängt an sich zu bewegen. Auf mich zu. Mit schnellen Schritten. Heilige.

Umso näher die Person kommt, umso besser kann ich sie erkennen. Aus der vom Anfang an kleinen und zierlichen Person ist auf einmal eine große geworden. Der lange schwarze Mantel der Person, die Cap und Kapuze auf seinen Kopf macht es mir unmöglich diese zu identifizieren. Nein, das ist auf keinen Fall die Mama des Jungens. Scheiße. Die letzten zwei Meter zu meinem Auto renne ich und reiße die Tür auf meiner Seite auf. Mit einem Bein stehe ich schon in diesem, als mich zwei Arme von hinten an meiner Hüfte packen und mich vom Auto wegziehen.

„Haben Sie sie noch alle!", schreie ich und trete der Person hinter mir auf die Füße. Doch keine Reaktion. Ich bin Tod. Sagt meinem Bruder, dass er mich eigentlich nur genervt hat und das ich seine Süßigkeiten an Halloween geklaut habe. Meiner Mom, dass Ihr Lidstrich schief ist und das Sie mit Ihren Gemüse-Smoothie aufhören soll.

NUDES? IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt