Kapitel 48

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Langsam schaue ich an mir herunter und da - eine Blutlache formt sich unter meinen Beinen und eine pochende Wunde im Oberschenkel wird sichtbar gefolgt von einem langen Eisenstück, was in meinem Fleisch steckt. Sofort breitet sich der Schmerz aus und ich falle nun komplett auf den Boden nieder.

„Scheiße!", jaule ich gedämpft und atme laut. „Scheiße", wiederhole ich und taste mit zitternden Händen nach dem Eisenstück. „Ruf einen Krankenwagen!", schreie ich Matteo an, der immer noch wie angeschossen auf den Knien ist.
Mit seinem bleichen Gesicht und blauen Lippen nickt er und kramt sein Handy aus der Tasche.

Ich konzentriere mich weiter auf die Wunde und auf den höllischen Schmerz, der sich nun in meinen kompletten Körper ausgebreitet hat. „Nicht bewegen", sagt Matteo und kniet sich neben mich. Er reißt sein Shirt in Fetzen und schnürt diese Fest um mein Bein. „Argh!", schreie ich durch den Schmerz und Tränen laufen mir die Wangen herunter. „Das Teil hat deine Hauptschlagader getroffen", sagt er und drückt fest auf die Wunde, wobei sich meine Hände in seine Schultern vergraben. „Es wird alles gut, ich lass dich wegen sowas kleinem nicht sterben", sagt er und hält mein Gesicht in seinen Händen.
„Niemals!", sagt er, bevor er mir einen Kuss auf die Lippen drückt und mich dabei hochhebt.

Er setzt mich behutsam in den Sessel und ich schnappe mir die letzte Flasche aus dem Weinregal. Wenn ich schon draufgehe, dann wenigstens mit Würde. Das Blut fließt mir trotz provisorischen Verband immer weiter aus dem Bein und bald ist die Hälfte des Bodens mit Blut befleckt.

Matteo kommt nach kurzen Sekunden wieder in den Raum, nimmt die Weinflasche aus meiner Hand und zieht mich mit einem Arm hoch. Beim Hochheben durchzieht ein brennender Schmerz meine Hüfte und ich falle mit meinem Kopf gegen seine Schulter. Mit mir im Arm läuft Matteo die nun wackelige Treppe hoch und rollt dabei den Schutt aus dem Weg. Aus dem Keller heraus läuft er weiter - ich weiß es nicht. „Matteo", flüstere ich, ehe meine Sicht schwindet. „Matt-"

Zitternd öffne ich meine Augen und kneife diese sofort zu. Das Licht brennt auf meine Netzhaut und mein Körper fängt an zu glühen. Erneut öffne ich meine Augen und schaue mich um.
Ich bin im Krankenhaus.

Geschockt setze ich mich im Bett auf und drücke hastig auf den roten Knopf. Kurz danach platzt eine Krankenschwester durch die Tür und bleibt im Türrahmen stehen. „Sie sind wach", flüstert sie und lächelt mich an. „Was ist los?", frage ich unbeholfen und falle wieder zurück in mein Bett. „Ich hole den Arzt", sagt sie laut und rennt aus dem Zimmer. Der Arzt kommt mit lauten Schritten in das Zimmer und bleibt vor meinem Bett stehen. „Wie geht es Ihnen?", fragt er und setzt sich auf die Bettkante.

„Was zur Hölle ist hier los?", zische ich und kneife die Augenbrauen zusammen. „Wir mussten eine Not-OP bei Ihnen durchführen Frau Augustine", fängt der Arzt an. „Woher wissen Sie meinen Namen?", frage ich. Der Arzt blättert durch seinen Katalog, ehe er auf etwas zeigt.

„Ihr Freund - Herr Dal Bon wurde in einer unseren Partnerkliniken eingeliefert, wegen eines Kokain Entzugs. Sie stehen als sein Notfallkontakt in der Akte", erklärt er. „Was hat das damit zu tun?", frage ich und reibe mir die Augen. „Atmen Sie in Ruhe ein", sagt er. Die Schwester kommt auf mich zu und lächelt mich an.

„Ihre Arteria femoralis, auch Oberschenkelarterie genannt wurde stark verletzt", erklärt er, „sie wären fast verblutet." „Das Eisenstück hat fast fünfzig Prozent Ihrer Arterie durchtrennt", wird der Arzt ernst, „sie haben großes Glück gehabt."

„Wir behalten Sie noch für eine Tage hier", sagt er. „Sie müssen erst wieder zu Kräften kommen", sagt nun die Krankenschwester und kommt mit einem Tablett mit Essen rein. „Wo ist Matteo?", frage ich, nachdem ich mit Informationen überflutet wurde. „Herr Dal Bon ist vor einer Stunde gegangen", erklärt der Arzt. „Machen Sie sich aber keine Sorgen, er hat für alles bezahlt und für gute Therapiemöglichkeiten gesorgt", fügt er hinzu, ehe er sich entschuldigt und aus dem Zimmer verschwindet.

„Matteo ist weg?", frage ich und die Schwester nickt. „Wenn es Sie glücklich macht", fängt sie an und legt eine zweite Decke über mich. „Er war jeden Tag von früh bis spät da", sagt sie und lächelt mich an. „Er hat gut auf Sie aufgepasst", fügt sie hinzu, ehe auch sie das Zimmer verlässt.
Matteo ist also abgehauen? Verständlich.

Mit nichts in den Händen laufe ich aus der Schiebetür des Krankenhauses und auf den Wagen vor mir. „Frau Augustine?", fragt der Fahrer, ich nicke und steige ein. „Müssen Sie noch woanders hin?", fragt der Fahrer und schaut mich durch den Rückspiegel an. „Herr Dal Bon hat mir aufgetragen Sie überall hinzufahren, wohin Sie auch wollen", lächelt er. „Danke, aber ich will nur nach Hause", erkläre ich und der Fahrer nickt.

Wankend komme ich in meiner Etage an und öffne die Tür zu meinem zu Hause. Keiner empfängt mich oder läuft mit einem Grinsen durch die Tür. Keiner ist da. Das Zimmer meines Bruders ist leer und das meiner Mutter auch.

Mit schnellen Schritten laufe ich in mein Zimmer und öffne euphorisch die Tür. Jedoch ist keiner da. Staub hat sich sogar schon auf meinem Bett gesammelt. Als ich auf dieses zulaufe, entdecke ich einen Brief mit meinem Namen darauf.

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