35| »Déjà-vu«

45 13 46
                                    

Verdattert sehe ich die beiden Agents an: „Moment mal. Das Flugzeug? Wieso ein Flugzeug?". Sanna sieht Luke auffordernd an, wonach dieser sich mir zuwendet: „Ais, ich weiß die letzten Tage sind hart für dich gewesen", ich schnaube auf, „doch deine Sicherheit steht an erster Stelle. Wir haben neue Hinweise bekommen und müssen entsprechend handeln. Bitte packe schnell die nötigsten Sachen ein, je eher wir verschwinden, desto besser. Hast du mich gehört, Aislynn? Aislynn!", letzteres sagt Luke etwas lauter. Ich habe das Gefühl, noch tiefer zu fallen, als ich ohnehin schon gefallen bin, mit dem einzigen Unterschied, dass jetzt kein Boden mehr in Sicht ist. „Luke? Was sagst du deinen Eltern beziehungsweise was soll ich meinen sagen?", frage ich ihn leise, denn meine eigentlichen Fragen würde er mir ja eh nicht beantworten.

„Unser Team hat sich bereits mit deinen Eltern in Verbindung gesetzt und um Mariah und Pete kümmere ich mich. Du brauchst dir keine Gedanken mehr zu machen", sagt Luke. Ich reiße die Augen auf: „Ihr habt euch mit meinen Eltern in Verbindung gesetzt? Was soll das heißen? Wissen sie nun etwa Bescheid?", frage ich hysterisch und funkle Luke wütend an. Diesen scheint meine Reaktion nicht besonders zu beeindrucken, denn er grinst nur: „Was hältst du eigentlich vom FBI? Scheinbar nichts allzu Gutes. Aufgrund deiner Sicherheit darfst du, während wir untertauchen, niemanden kontaktieren. Deine Eltern denken, dass du auf einem Schulausflug bist und anschließend ein Praktikum bei einer Surfschule auf einer der abgelegenen Inseln ohne Internet machst und somit nicht erreichbar bist. All done."

Schulausflug und Praktikum bei einer abgelegenen Surfschule, ernsthaft? Was Besseres ist denen nicht eingefallen? „Okay, dann lasst mich mal allein, ich muss noch meinen Koffer packen", weise ich die beiden an und sie folgen meiner Anweisung äußerst widerwillig. Ich habe jedoch nicht vor, in irgendein Flugzeug zu steigen, nein, lieber haue ich ab anstatt tage-, wochen- oder gar monatelang unterzutauchen.

Nun, ein guter Plan muss her. Ich könnte einfach Reißaus nehmen und darauf vertrauen, dass mich weder das FBI noch meine Entführer finden. Jap. Das könnte funktionieren. Gedacht, getan. Ich packe alles Notwendige in einen Rucksack und plündere meinen Naschvorrat, um wenigstens ein bisschen Proviant zu haben. Dann öffne ich leise meine Zimmertüre und luge nach links und rechts, zu meinem Glück ist der Flur leer. Ich husche ins Bad, öffne das Fenster dort und wäge die Entfernung nach unten ab. Hm, drei Meter müssten machbar sein. Ich nehme den Rucksack von meinen Schultern und werfe ihn ins Gras. Ich klettere auf die Fensterbank und konzentriere mich auf mein waghalsiges Vorhaben. Tief einatmend setze ich zum Sprung an und sause nach unten, wo ich mich geschickt abrolle. Erleichtert darüber, dass es so gut geklappt hat, stehe ich schnell auf und schultere meinen Rucksack. Wohin nun? Ich gebe zu, dass ich meinen Plan noch nicht wirklich durchdacht habe, doch viel falsch machen kann ich eigentlich nicht. Ich beschließe, Richtung Wailupe Beach Park zu gehen und renne los.

Dort angekommen beobachte ich, um runter zu kommen, die Wellen und die schäumende Gischt, versinke darin und nehme um mich herum nichts mehr wahr. Eine Hand auf meinen Schultern holt mich zurück in die Gegenwart. Ich schreie leise auf und die Person vor mir erschreckt sich ebenfalls ordentlich. „Isy?", sage ich erleichtert und lächle sie an. „Hey Aislynn, habe mir doch gedacht, dass du das bist. Gestern haben wir uns nach der Schule gar nicht mehr gesehen. Alles gut?", fragt sie mich ahnungslos. Oh, stimmt, ich bin gestern entführt worden, es kommt mir aber so vor, als ob es eine Ewigkeit gedauert hat, bis ich flüchten konnte. Mit einem aufgesetzten Lächeln antworte ich Isy: „ Ja, alles wunderbar. Wir wollte ja eigentlich zusammen Mittag essen, doch du hast plötzlich wegmüssen, erinnerst du dich? Ich habe, nachdem die Schule aus gewesen ist, Ausschau nach dir gehalten, aber konnte dich nirgends sehen. Wo bist du gewesen?".Sie schaut mich ertappt an: „Uff, das kann ich dir ehrlich gesagt nicht sagen. Ich bin... mit einer familiären Angelegenheit beschäftigt gewesen und habe die letzten Stunden sausen lassen. Du weißt schon, Familie geht vor." Ich nicke und wir schlendern ein Stück am Strand entlang: „Aislynn, du bist doch ehrlich zu mir, oder? Dir geht es wirklich gut?", fragt mich Isy nach einer Weile. Erstaunt blicke ich sie an: „Ja, natürlich. Wenn es anders wäre, würde ich es dir sagen." Isys Miene verändert sich plötzlich, wird regelrecht hämisch und es rieselt mir kalt den Rücken herunter. „Wenn das so ist...", Isy lässt den Rest des Satzes in der Luft schweben. Ihre Augen verziehen sich zu Schlitzen und ein ungutes Gefühl überkommt mich. „Isy, was hast du vor?", frage ich sie misstrauisch.

Sie fängt an zu lächeln, ein gefährliches Lächeln, und blickt mich triumph voll an: „Daddy hat Recht gehabt, am Ende wirst du uns gehören." Meine Alarmglocken schrillen und ich bereite mich innerlich auf den Kampf vor, der jetzt kommen wird, denn sie und ihr „Daddy" werden mich nicht einfach so bekommen. Isy kommt näher und näher, als ich plötzlich eine Stimme hinter mir vernehme: „Hey Kleine! Hast du Lust zu spielen?". Ich fahre herum und erblicke Koa, welcher lässig an einer Palme lehnt. Was zur Hölle, denke ich mir und lasse den Rucksack von einer Schulter rutschen, damit ich mich im Notfall, sollte Koa plötzlich ein Messer zücken, mit ihm abschirmen kann. Ich beobachte die beiden aus dem Augenwinkel und sehe wie Isy Koa ein Zeichen gibt, im nächsten Moment stürmen die beiden schon auf mich los. Isy holt aus und will einen Kinnhaken machen, doch da ducke ich mich schon und sie trifft an meiner statt Koa, welcher daraufhin wütend aufbrüllt. Er beginnt auf mich einzudreschen und ich schütze mich, indem ich den Rucksack vor meinen Oberkörper halte und, als es mir zu bunt wird, diesen fallen lasse, einen Kreiselkick mache und somit seine Deckung treffe. Ich mache daraufhin eine schnelle Kombination, bestehend aus einem geradem Faustschlag sowie einem Kinnhaken, welche Koa taumeln lassen, und blocke zugleich Isys Schläge mit Leichtigkeit ab.

Isy setzt zu einem Fußkick an und ich nutze die Chance und mache einen niedrigen Roundhouse-Kick gegen die Wade ihres Standbeins, woraufhin sie den Staub zu unseren Füßen küsst. Daraufhin tritt Koa in Aktion und verpasst mir einen Hacken an die Schläfe, der mich zurücktaumeln lässt. Wer bin ich, wenn ich mich geschlagen gebe? Ein Niemand. Ich nehme all meinen Mut zusammen und mache einen gesprungenen Ushiro-Geri, auf Deutsch Rückwärtsfußtritt, welcher Koa völlig unvorbereitet trifft. Er geht zu Boden und ich erinnere mich an die „Karate Niju Kajo", was wörtlich übersetzt „20 Paragraphen des Karate" bedeutet, in welchen unter anderem die Paragraphen „Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt", „ Im Karate gibt es keinen ersten Angriff", und „Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit", vorkommen. Mein Sensei, wie der Karate-Lehrer genannt wird, hat mir immer gesagt, dass man klug sein muss und einen Kampf unter allen Umständen vermeiden sollte. Besteht die Möglichkeit wegzulaufen, soll man diese nutzen, dies hat nichts mit Feigheit oder Ähnlichem zu tun, man ist nur klüger als sein Gegner und handelt nach den Karate Niju Kajo.

Ich packe meinen Rucksack am Riemen und fange an zu laufen. Im Laufen spüre ich einen kurzen Schmerz im Rücken, notgedrungen bleibe ich stehen und fasse nach hinten. Meine Fingerkuppen ertasten einen kleinen Pfeil, welchen ich ruckartig herausziehe. Ich schaue mir den Pfeil nun genauer an und stelle fest, dass es höchstwahrscheinlich um einen Betäubungspfeil handelt. Wer hat diesen abgeschossen? Koa und Isy können es nicht gewesen sein, stelle ich nach einem kurzen Blick zurück fest, denn die beiden liegen nach wie vor jammernd im Sand. Wer ist es dann gewesen? Plötzlich erkenne ich einen Umriss hinter einer der Palme schräg neben mir und gerade als mein Sichtfeld immer verschwommener wird, tritt eine Person hinter der Palme hervor. Ich habe das Gefühl, ein Déjà-vu zu haben, denn jemand, den ich schon einmal in einer ähnlichen Situation gesehen habe, kommt auf mich zu und fängt mich gerade noch auf, bevor ich auf dem Boden aufschlage. Mein Umfeld wird in Schatten getaucht und tief in meinem Inneren weiß ich, dass das Ende ist.

__________________________________________

Dachtet ihr wirklich, Aislynn kommt so leicht davon? Oh nein, jemand hat noch Großes mit ihr vor...

Teilt mir gerne eure Gedanken in den Kommentaren mit, wie immer freue ich mich darüber.

FOLLOW ME INTO LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt