Keano kniet, mit hoch erhobenen Händen, vor mir am Boden und sein Blick, welcher deutlich an Häme verloren hat, gilt jemanden neben mir. Ich schaue langsam nach rechts und sehe den Cop Liko Akana schräg rechts von mir. Sein Gesicht ist zu einer furchterregenden Grimasse verzogen und in seiner rechten Hand hält er eine Waffe, höchstwahrscheinlich eine Glock, welche auf Keano gerichtet ist. Dieser hat mittlerweile Tränen in den Augen und auch Liko wirkt sehr emotional, denn seine Augen funkeln wütend und seine linke Hand ist zu einer Faust geballt. Wo bin ich hier nur reingeraten? „Liko? Wie hast du mich gefunden?", frage ich ihn leise und versuche, ihn von seiner unbändigen Wut abzulenken. Er antwortet nicht, scheint wie in einer Trance gefangen und ich beginne, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Er hat eine verdammte Waffe in seiner Hand, wenn die losgeht, nur weil er die Kontrolle verliert, kann das äußerst ungemütlich werden.
„Liko! Verdammt, Akana, komm wieder zu dir!", fauche ich ihn an und trete langsam einen Schritt näher. Keano beobachtet uns schweigend und es wirkt so, als ob er über mein Erscheinen sehr erfreut zu sein scheint. Ich denke, dass ich gerade rechtzeitig gekommen bin, um Keano vor dem Tod zu bewahren und ihn stattdessen lebenslang in einem Gefängnis schmoren zu lassen. Tja, der Tod ist zu gut für ihn, er verdient weitaus schlimmeres, allein den Kindern wegen, die er entführt hat. Ich habe mich im Laufe der letzten Tage mehrfach gefragt, was wohl aus Likeke geworden ist, und ob er sich von der Entführung jemals hat erholen können. Es muss ihm das Herz gebrochen haben, als er herausgefunden hat, dass Keano nicht sein Vater, sondern sein Entführer ist. Er ist Keanos Liebling, sein Ein-und-Alles, wie ich in den Gesprächen mit dem Geisteskranken habe erfahren dürfen.
Doch jetzt zählt nur die Tatsache, dass Liko mehr als bereit scheint, Keano abzuknallen. Dies gilt es zu verhindern, denn ich möchte das Ungeheuer hinter schwedische Gardinen bringen, wie man so schön sagt. Er soll, bis an das Ende seiner Tage, in der Hölle schmoren. „LIKO AKANA! Verdammt, er soll für das, was er getan hat, in der Hölle schmoren, doch der Tot ist nur eine Gnade für ihn! Also bitte...bitte erschieße ihn nicht." Flehend beende ich meinen Appell an ihn und nun gilt es zu warten. Langsam kehrt Leben in Likos Augen zurück und er realisiert, vor welcher Tat er gerade gestanden hat. Er wird komplett weiß im Gesicht und seine Hände fangen stark zu zittern an. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich frage, was ihn an dieser Situation so stark mitnimmt. Er kennt Keano doch gar nicht, geschweige denn hat er eine Ahnung davon, was dieser getan hat, oh Pardon, immer noch tut.
Liko blickt plötzlich in meine Richtung: „Aislynn. Ich habe also Recht gehabt", murmelt er vor sich hin. Verständnislos blicke ich ihn an und warte auf eine Erklärung. Doch Liko geht mit selbstbewussten Schritten zu Keano, befiehlt diesem, sich auf den Bauch zu legen und die Hände hinter dem Kopf zu verschränken. Dann holt er Handschellen hervor, drückt Keano mit seinem Knie zu Boden und legt ihm diese an. Erst dann atmet er erleichtert aus, zieht Keano ruckartig nach oben und drückt ihm den Lauf der Pistole in den Rücken. „Du gehst jetzt langsam nach draußen, wenn du versuchst abzuhauen, knall ich dich ab. Wenn du versuchst, nach deiner Brut zu schreien, dann knall ich dich ab. Wenn du Anstalten machst, Hilfe zu verständigen, dann knall ich dich ab. Verstanden? VERSTANDEN?", zischt er Keano gerade laut genug ins Ohr, dass ich ihn ebenfalls verstehen kann. Wer ist dieser Liko Akana, der hier vor mir steht, frage ich mich im Geiste und folge den beiden schweigend. Liko hat weder gefragt, wie es mir geht, noch hat er mich von meinen Fesseln befreit, doch Angesichts der Tatsache, dass er Keano beinahe umgebracht hat, und dies bei einer falschen Bewegung immer noch tun würde, zeugt davon, dass er nicht er selbst ist. Den süßen neunzehnjährigen Cop, den ich von damals, als das Ganze begonnen hat, kenne, scheint es nicht mehr zu geben. Ein verbitterter und von Hass zerfressener Mann hat diesen ersetzt und das löst Unwohlsein in mir aus.
Nach einem gefühlten Kilometer, es sind bestimmt nur zwanzig Meter gewesen, bleibt Liko abrupt stehen. Natürlich halte ich meinen Kopf gesenkt und laufe prompt in ihn hinein. Ich warte fast schon auf eine Bemerkung seinerseits, doch er bleibt „still und starr" stehen. Neugierig, warum dies der Fall ist, luge ich um ihn herum und erstarre ebenfalls. Vor uns steht... Nakoa Kele, kurz Koa. Was hat der denn hier zu suchen? Ausgerechnet jetzt?! Muss das sein?! Ich stöhne verzweifelt auf, doch ich habe die Rechnung ohne Koa gemacht. „Ich bin dir noch was schuldig, Bro", sagt dieser leise in Richtung Liko und tritt beiseite. Was zur Hölle ist denn hier los?
Liko blickt ihn schweigend an und macht keine Anstalten, weiterzugehen. Ich rüttle ihn am Arm und hole ihn so in die Gegenwart zurück. Er zieht die Schultern nach hinten und führt Keano an Koa vorbei. Koa bleibt bewegungslos stehen und betrachtet seinen Vater, welcher abgeführt wird. Er könnte ihn mühelos befreien und zu zweit wäre es ein Leichtes, Liko auszuschalten und von mir und meinem Widerstand brauchen wir erst gar nicht zu sprechen. Ich habe seit Tagen nichts Anständiges zu mir nehmen können und bin so schwach wie noch nie. Nicht nur ich, auch Keano scheint äußerst erstaunt über Koas Verhalten, denn als er realisiert, dass sein Sohn ihm nicht helfen wird, beginnt er zu zetern und zu fluchen. Ich gehe argwöhnisch an Koa vorbei und beobachte ihn aus dem Augenwinkel. Plötzlich biegt er sich in meine Richtung und ich bleibe automatisch stehen. „Aislynn, du sollst nur wissen, dass es so nicht hätte laufen sollen. Ich möchte und werde mein Verhalten nicht entschuldigen, doch Keano und Isy haben sich dir gegenüber unentschuldbar verhalten. Ich habe versucht, das Schlimmste abzuwenden und ich denke, dass mir das nicht gelungen ist und dafür, nur dafür, möchte ich dich um Vergebung bitten."
Verblüfft blicke ich ihn an und bin sprachlos. Was sagt man dazu? Danke? Scher dich zur Hölle? Wie konntest du nur? Ich werde ihnen niemals verzeihen?! Meine Verwirrtheit scheint sich in meinen Augen widerzuspiegeln, denn er schüttelt nur den Kopf: „Du musst jetzt nichts dazu sagen. Schaut, dass ihr hier rauskommt, ich halte Isy und Keanos Männer so lange wie möglich auf. Lauf schon! Mach, dass du hier wegkommst!"
Ich nicke ihm zu, denn seine Widersprüchlichkeit macht es wirklich nicht einfach. Erst überfährt er mich fast, dann hilft er Keano, gemeinsam mit der Schlampe Isy, bei meiner Entführung und dann schützt er mich wiederum vor den beiden und bewahrt mich davor, an Schlangengift zu verrecken. Wirklich...komisch. Seufzend folge ich, so schnell ich kann, Liko, der mit Keano bereits den Gang hinunter gegangen ist. Keuchend schließe ich zu ihnen auf, gerade rechtzeitig, bevor wir um eine Ecke biegen. Ich würde wirklich gerne wissen, warum Ecken so eine gruselige Ausstrahlung haben, doch die Antwort darauf werde ich wohl nie finden, schließlich klingt diese Wahrnehmung äußerst verrückt. Mit klopfendem Herzen husche ich schließlich um die Ecke, als plötzlich jemand vor mir steht und mir im gleichen Atemzug eine Hand auf meinen Mund gepresst wird.
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Hey ihr Lieben, meint ihr Aislynn wird endlich gerettet werden? Und was hat es mit Likos Erscheinen in diesem Kapitel auf sich?
Bin schon äußerst gespannt auf eure Verschwörungstheorien... ❤️
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Mystery / Thriller𝑩𝒂𝒏𝒅 𝑰 𝒅𝒆𝒓 𝑭𝒐𝒍𝒍𝒐𝒘-𝑹𝒆𝒊𝒉𝒆 Aislynn MacKennas Leben als irische Austauschschülerin auf Hawaii wird von etwas Düsterem und Gefährlichem überschattet. Von etwas, dass nur sie selbst lichten kann. Wird Aislynn dies gelingen und kann sie...