Flashback
„Dad, bist du da?", schallt eine Kinderstimme durch die Flure. Trappelnde Schritte kommen einer versperrten Türe näher und machen vor dieser Halt. Ein Schlüsselbund klirrt und man hört das Geräusch eines Schlüssels, welcher in ein wenig genutztes Schlüsselloch geschoben wird. Daraufhin dreht sich der Schlüssel quietschend im Loch und die Türe schwingt knarrend auf. Ein Raum voller, mit Leintüchern bedeckten, Möbeln kommt zum Vorschein, einzelne Sonnenstrahlen haben sich augenscheinlich in den Spinnweben verfangen und bringen ein wenig Glanz in das trostlose Ambiente. Der weiche Teppich dämpft die tapsenden Schritte und gleichzeitig wird Staub aufgewirbelt. Ein lautes Husten ist die Folge. Ein Paar neugierige Augen blicken sich um und saugen alles in sich auf. Familienfotos stehen auf einer der Kommoden und sind das Einzige in diesem Raum, das nicht verhüllt oder mit einer dicken Staubschicht bedeckt ist. Das Kind geht zielstrebig auf diese Fotos zu und bleibt dicht vor ihnen stehen. Vorsichtig nimmt es eines der Bilder in die Hand, auf dem der Dad des Kindes mit einer Frau und dessen jüngerem Bruder abgebildet ist. „Meine Klassenkameraden haben also Recht gehabt." Es stellt das Foto zurück, nimmt nun eines der anderen in die Hand, auf dem dieselben Personen abgebildet sind. Nur das Kind selbst fehlt auf allen Fotos. Beinahe panisch durchsucht es die Abbildungen nach sich selbst, es wird jedoch nicht fündig. Schluchzend realisiert das Kind, dass Dad eigentlich nur Nakoas Dad ist und es selbst nicht zur Familie gehört. „Mein Dad ist nicht mein Dad und mein Bruder nicht mein Bruder."
Zwei Tage später...
„Na, Loser? Du bist ein Bastard, habe ich Recht? Oder gar adoptiert?", spöttelt ein Klassenkamerad des Kindes. Als dieses nichts erwidert, grölt die ganze Klasse lautstark auf und bildet einen Kreis rund um es. „RUHE! Auf eure Plätze, sofort! Man könnte meinen, ihr seid keine neun Jahre alt, aber laut meinem Lehrplan muss ich dementsprechenden Stoff unterrichten, seltsam. Haben sie sich da etwa vertan? Nein, ich denke nicht. Seid ihr feige Waschlappen oder neunjährige Schüler, hm? Letzteres also... Dann verhaltet euch auch gebührend!", keift eine alte runzelige Lehrerin und alle Kinder gehen schweigend zu ihren Plätzen.
Ein paar Stunden später ist Mittagspause und das Kind sitzt gemeinsam mit seinem besten Freund auf einer Bank und verdrückt sein Pausenbrot. Sie sprechen über die Entdeckung, dass das Kind kein leibliches Mitglied der Familie Kele ist und denken über die weitere Vorgehensweise nach. „Ich würde wirklich gerne wissen, warum mir niemand gesagt hat, dass ich adoptiert, oder was auch immer, bin. Soll ich Dad darauf ansprechen?", fragt das Kind seinen Freund, doch dieser schüttelt entschieden den Kopf: „Ne, das kannst du echt nicht bringen, dein Alter hätte dir doch sicher von deiner wahren Herkunft erzählt, wenn er wollen würde, dass du es weißt. Ich würde zu einer Adoptionsbehörde gehen und fragen, ob sie irgendetwas wissen, wenn nicht, kannst du immer noch deinen Dad fragen." „Klingt gut, ich gehe gleich nach der Schule dorthin, bist du mein Alibi?". „Klar", sagt der Freund des Kindes und die beiden kehren in ihre Klasse zurück.
Als es endlich Schulschluss läutet, kann es das Kind kaum mehr erwarten und stürmt nach draußen. Es hat in Waikiki schon einige Male ein Plakat mit dem Hinweis auf eine Adoptionsbehörde gesehen und weiß somit, wo es hin muss.
Dort angekommen, muss es im Vorzimmer Platz nehmen, da auf die Schnelle kein Termin verfügbar ist. Das Kind öffnet seinen Rucksack und packt einige Schulsachen aus, um Hausaufgaben zu erledigen, da am Abend dafür wahrscheinlich keine Zeit mehr sein wird.
„Likeke Kele, bitte in Raum 2.3 kommen", schallt plötzlich eine Durchsage durch die Flure. Der Junge richtet sich auf, verstaut die Schulsachen, schultert den Rucksack und macht sich auf den Weg zum ausgerufenen Raum. Es dauert nicht lange, bis er diesen findet und anklopft. Ein lautes „Herein", ertönt und daraufhin öffnet er langsam die Türe. Hinter dem Schreibtisch sitzt eine, vielleicht fünfzig Jahre alte, Frau und mustert ihn neugierig, als er schüchtern eintritt. „Bitte Junge, nimm Platz", sagt sie freundlich und zeigt auf den Stuhl, der auf ihr gegenüber steht. Er setzt sich zögernd und weiß nicht so recht, was er nun tun soll.„Du bist Likeke? Eine unserer Sekretärinnen hat mir deinen Namen verraten. Nun, warum bist du hier?", fragt die Frau interessiert und nimmt dem Junge damit seine Unsicherheit.
„Ich bin hier, weil mein Dad nicht mein leiblicher Dad ist und ich vielleicht adoptiert bin. Also habe ich gedacht, dass vielleicht eine Adoptionsstelle herausfinden kann, ob ich tatsächlich adoptiert bin, ich möchte meinen Dad nämlich nicht danach fragen", sagt Likeke und schaut die Frau fragend an. Diese nicht verständnisvoll und steht auf: „Na, dann komm mal mit. Zunächst brauche ich deinen vollständigen Namen, den deiner Eltern beziehungsweise deines Dads und dein Geburtsdatum. Um nachzusehen, ob du wirklich adoptiert worden bist, benötigen wir ein aktuelles Foto von dir, welches wir mithilfe einer Software verändern, um zu sehen, ob du mit einem der Fotos in unserer Datenbank übereinstimmst. Meist ergibt die Bildsuche äußerst viele Treffer, doch so wir können zumindest den Adoptionszeitpunkt eingrenzen."Die beiden gehen in einen separaten Raum, in welchem der Junge seine Daten in ein Formular einträgt und anschließend gebeten wird, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, damit ein Foto gemacht werden kann. Er lässt schweigend alles über sich ergehen und geht anschließend mit der Frau wieder in ihr Büro zurück. Sie möchte ihm noch die nächsten Schritte erklären, und fängt gerade einen Satz an, wie er Informationen über seine leiblichen Eltern bekommen kann, als ihr Telefon läutet. „Huch, entschuldige, da muss ich dran gehen. Einen Moment, ja?". Sie hebt ab: „Keilani." Danach hört sie der Person auf der anderen Seite der Leitung zu und wird immer blasser, ihre Augen weiten sich nach und nach und ihr Blick wendet sich schockiert dem Jungen vor ihr zu. Dieser sieht sie ebenfalls erstaunt an, denn er kann sich überhaupt nicht erklären, was nun los ist.
Mrs. Keilani legt nach einiger Zeit auf und macht einen tiefen Atemzug. Erst dann sieht sie Likeke stumm an und fängt plötzlich zu schluchzen an. „Mrs. ist alles in Ordnung mit Ihnen?", fragt der Junge. Sie schrickt sichtlich zusammen und versucht, sich zu sammeln, bevor sie ihm antwortet: „Likeke, die Familie Kele ist tatsächlich nicht deine leibliche, deine Vermutung ist soeben von unseren Spezialisten bestätigt worden. Allerdings... Du bist auch nicht adoptiert. Vor vier Jahren hat die Polizei den äußerst traurigen und auch merkwürdigen Palakiko Fall gehabt. Mr. und Mrs. Palakiko sind von unbekannten Tätern überfallen und anschließend getötet worden. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr fünfjähriger Sohn, wie Zeugen berichtet haben, ebenfalls im Gebäude gewesen, doch gilt er seitdem als vermisst. Seine fünfzehnjährige Schwester ist während den Geschehnissen bei Freunden gewesen und somit die einzige Überlebende des Palakiko Falls, wie man bis jetzt angenommen hat. Meine Kollegen haben dein Foto mit der Software verändert und durch die Datenbank laufen lassen. Dein fünfjähriges Ich stimmt zu 99 Prozent mit dem Bild des vermissten Leandro Palakiko überein."
Likeke sitzt verstört in seinem Stuhl und wagt sich nicht zu bewegen. Mrs. Keilani spricht indes ununterbrochen weiter: „Du bist bei der Familie Kele aufgewachsen? Wir müssen umgehend mit deinem Vater Kontakt aufnehmen, er..." „Oh nein, das werden Sie sicherlich nicht tun. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, nachdem ich von den neusten Entwicklungen in Kenntnis gesetzt worden bin", sagt jemand, der im Türrahmen steht und die Szene betrachtet.
Flashback Ende
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Na, hat irgendjemand von euch das Ganze durchschaut? Wie alles zusammenhängt, oder vielleicht auch gar nicht so zusammenhängt?
Ich freue mich auf eure Gedanken zu diesem Kapitel. ♥
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Mystery / Thriller𝑩𝒂𝒏𝒅 𝑰 𝒅𝒆𝒓 𝑭𝒐𝒍𝒍𝒐𝒘-𝑹𝒆𝒊𝒉𝒆 Aislynn MacKennas Leben als irische Austauschschülerin auf Hawaii wird von etwas Düsterem und Gefährlichem überschattet. Von etwas, dass nur sie selbst lichten kann. Wird Aislynn dies gelingen und kann sie...