21| »Wiedersehensfreude und ein tragischer Zwischenfall«

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Ky nimmt seinen Helm ab und ich tue es ihm gleich, danach schaut er die Frau ungläubig und mit Tränen in seinen Augen an. Durch schnelle Bewegungen überwindet er die paar Meter bis zu ihr und schließt sie in seine Arme, während ich nur neben dem Motorrad stehe und die Welt nicht mehr verstehe.

Ist das seine Mum? Wenn ja, warum verhält sich Ky, als ob er sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hätte? Er scheint alles um sich herum vergessen zu haben und hat nur Augen für seine Mum. Diese hat ihre Arme ebenfalls fest um ihn geschlungen und schluchzt lautstark. Da ich nicht stören möchte, ziehe ich mich unauffällig zurück und gehe leise die Ehupua Street entlang.

Als ich genügend Abstand zu den beiden habe, werden meine Schritte fester und ich nehme bei der nächsten Kreuzung die Straße in Richtung Meer, da ich meine Wartezeit lieber dort als vor der Haustüre verbringen möchte.

Eine dreiviertel Stunde später komme ich im Kawaikui Beach Park an, welcher ein wenig größer als der Wailupe Beach Park ist, in welchen ich sonst immer gehe. Da ich heute ziemlich viel Zeit habe, habe ich mich dazu entschieden, heute mal zu dem weiter entfernten Park zu gehen.

Der Park ist, bis auf ein paar Jugendliche, relativ leer, was ziemlich in meinem Sinn ist. Ich suche mir einen gemütlichen Sitzplatz im Schatten einer Palme und werde schnell fündig.

Ich ziehe mein Smartphone aus der Hosentasche und beschließe, die Zeit zu nutzen und mich mal zu Hause in Irland zu melden. Gesagt, getan, ich wähle die Nummer von unserem Haustelefon und das Freizeichen ertönt gleich darauf. Als nach einer Minute immer noch niemand abhebt, versuche ich es an den Handys von Mum und Dad, an denen ebenfalls niemand abhebt.

Trotz der Zeitverschiebung haben wir gerade eine ziemlich humane Uhrzeit in Irland, also müssen die beiden wohl im Garten sein und wie immer ihre Handys nicht bei sich haben. Seufzend scrolle ich durch meine Chats und beschließe, ein paar Fotos von meiner neuen Umgebung in die große „Freunde-Gruppe", wie ich sie eingespeichert habe, zu schicken. Darin sind alle meine Freunde, darunter auch Ky, da durch die Schule irgendwie jeder jeden kennt und aus einer Einfachheit heraus haben wir vor zwei Jahren beschlossen, eine große WhatsApp-Gruppe zu gründen.

Ich wähle ein paar Fotos vom Meer und den Parks, dem Haus von Mariah und Pete, welches aufgrund einer Kombination von deren Vornamen auch Maripe genannt wird, sowie Fotos vom Schulgebäude und eines aus dem Aquarium aus. Nachdem ich diese versendet habe, sehe ich, dass ich aus Versehen noch ein Bild mitgeschickt habe. Es ist ein Selfie von mir und Ky, welches wir vorhin im Barefoot Beach Cafe gemacht haben und auf dem wir beide, Arm in Arm, breit in die Kamera lächeln.

Ich beginne Panik zu schieben, denn mir ist klar, dass alle meine Freunde nachfragen werden, was es mit diesem Bild auf sich hat - Ky und ich hassen uns schließlich! Verzweifelt versuche ich das Foto, bevor es jemand sieht, zu löschen.

Leider habe ich da die Rechnung ohne meine herzallerliebsten Freunde gemacht, denn drei von denen haben das Foto, natürlich mit entsprechendem Text, bereits in deren Status gestellt. Aus Selbstschutz lösche ich es also nicht mehr aus der Gruppe, denn das führt nur zu noch mehr Verwirrung und Fragen.

Während ich beschäftigt bin, die Konsequenzen, welche dieses Foto mit sich ziehen wird, zu realisieren, bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass sich ein kleiner Junge, schätzungsweise zwei Jahre alt, gefährlich nahe und zudem noch alleine, in der Nähe des Meeres aufhält. Alarmiert lege ich mein Handy weg und stehe genau in dem Moment auf, als er sein Gleichgewicht verliert und ins Wasser fällt. Um Hilfe rufend sprinte ich los, denn der Kleine ist mit dem Gesicht voran im Wasser gelandet und ich weiß, dass gerade kleine Kinder durch den Totstellreflex lautlos ertrinken können.

Ich laufe so schnell wie noch nie in meinem ganzen Leben, denn ich weiß, dass jede Sekunde zählt. Als ich bei dem Jungen ankomme, ergreife ich ihn, hebe ihn aus dem Wasser und drehe ihn sofort um, um die Sauerstoffzufuhr wieder zu gewährleisten. Ich bemerke, dass ich mittlerweile nicht mehr alleine bin, denn die anderen Jugendlichen aus dem Park haben sich um mich gescharrt und ich höre, dass irgendjemand bereits die Rettung verständigt hat.

Ich klopfe dem Kleinen sanft auf den Rücken und als er die Augen immer noch nicht öffnet und ich keinen Atmen fühlen kann und sich der Brustkorb nicht sichtbar hebt, lege ich ihn sofort sanft auf den Rücken und bringe seinen Kopf in die sogenannte Neutralposition, indem ich diesen leicht nackenwärts beuge.

Jetzt überprüfe ich erneuert, ob eine Atmung vorhanden ist und als die nicht der Fall ist, umfasse ich vorsichtig die Stirn und das Kinn des Kleinen und fange an, ihn zu beatmen. Immer eine Sekunde lang spende ich dem kleinen Jungen Sauerstoff und überprüfe wieder, ob sein Atmen einsetzt. Als dies nach kurzer Zeit geschieht, bringe ich ihn in die stabile Seitenlage und versuche, das gerade Geschehene zu realisieren und meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bringen.

Ich blicke in die entsetzten und teilweise erleichterten Gesichter rund um mich und versuche, die Eltern oder die Aufsichtsperson des kleinen Jungen zu finden, jedoch vergebens. Ich kontrolliere weiterhin in regelmäßigen Abständen die Atmung des Kindes und bin sehr erleichtert, als ich ungefähr fünf Minuten später in der Ferne die Sirenen eines Rettungswagens höre.

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In diesem Kapitel ging es aber rund... ❤️

Wart ihr von der Handlung überrascht und wenn ja, wieso?

Habt ihr eine Idee, warum Ky und seine Mum (?) so emotional waren?

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