16. Verwandte aber keine Familie

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-Lily-

Donnerstag 25. September

"Hi Dad" meine Stimme zitterte, meine Handflächen war schwitzig und das einzige, was ich vor Augen hatte, war Dianas besorgter Blick, bevor ich das Zimmer, in welchem mein Vater untergebracht war betrat. "Lillian..."

Die Stimme meines Vaters war nur ein Flüstern, versagte schon fast bei diesem einen Wort. Meinem Namen. 
"Du siehst besser aus" Schon einmal hatte ich ihn besucht, für etwa eine halbe Stunde, dann hatte ich es nicht mehr ausgehalten, ihn halbtot in diesem Bett liegen zu sehen. 
Beim Brand hatte mein Dad einiges abbekommen. Er hatte etliche, ernsthafte Brandwunden, ein abgerissenes Treppengeländer hatte ihm die Schulter aufgeschlitzt und eine halb geschmolzene Glasscherbe hatte sich den Weg durch seinen unteren Rücken gebahnt.

Seine Lider schlossen sich schwerfällig. Ich schluckte. "Wann darfst du raus?", fragte ich nach einigen schweigsamen Sekunden. "Morgen" Ich nickte nur. 

"Ich geh dann mal wieder...", murmelte ich, ehe ich schnellen Schrittes aus dem Zimmer hastete. Mein Puls raste, als ich die Tür hinter mir zuknallte. "Fuck", wisperte ich, ehe ich mit meinen Händen mein Gesicht verbarg und an der weißen Tür hinuntersank. 

"Oh mein Gott, was ist passiert?" Sofort spürte ich Dianas Anwesenheit neben mir. Ich entspannte mich sofort, trotzdem spürte ich, wie heiße Tränen sich in meinem Augenwinkel bildeten. Ich ließ meinen Kopf auf meine Knie fallen und schluchzte leise. Diana schlang ihren schlaksigen Arm um mich  und ich konnte ihren warmen Atem an meiner Schläfe spüren. 

Sie sprach nicht mit mir und ich war ihr dafür so dankbar. Ihre zarten Finger strichen mir vorsichtig einige Strähnen aus der Stirn und hinters Ohr. Es beruhigte mich. 
Ohne ein Wort zu verlieren, stand ich kurz darauf auf und zog Diana mit mir. "Alles okay?" Ich nickte nur und streifte Dianas Hand an meiner Schulter ab. 

"Ich will einfach nur kurz allein sein, okay?" Diana wirkte traurig über meine abweisende Haltung, doch darauf konnte ich gerade keine Rücksicht nehmen. 

Ohne zurückzublicken verließ ich das Krankenhaus.

-Diana-

Hatte ich etwas falsch gemacht?
Hatte ich sie überfordert?

Mein Handy klingelte. "Hey Mum" Ich räusperte mich, meine Stimme klang ungesund.
"Hallo mein Schatz, wie geht es Lilys Dad?" Ich zuckte unschlüssig mit den Schultern und kaute mir auf der Unterlippe herum. "Ich weiß es nicht, Lily war ganz fertig als sie rauskam und hat dann gemeint, sie müsste allein sein. Dann ist sie gegangen, also glaube ich, es geht ihm nicht ganz so gut..." Am anderen Ende der Leitung hörte ich meine Mutter seufzen. 

"Okay, schreib ihr bitte, wenn sie nicht so bald nach Hause kommt. Fährst du mit dem Bus nach Hause oder soll ich dich vom Krankenhaus holen?" Ich überlegte kurz. "Holst du mich ab? Ich hab' weder Fahrkarte noch Geld mit" "Kann ich machen, gib mir 15 Minuten. Bis gleich Schatz"

"Danke Mum, bist die Beste" Das Tuten erklang und gab mir somit bekannt, dass sie aufgelegt hatte.

-Lily-

Ohne nachzudenken lief ich durch die Gassen Queens'. Ich war nicht traurig, nein, ich fühlte mich nur leer. Mein Vater würde morgen aus dem Krankenhaus entlassen werden und es würde alles wieder wie vorher werden. Ich wollte das nicht, denn ganz ehrlich; dieses Feuer war das Beste, was mir jemals im Leben passiert war. Die paar Wochen bei den Parkers, besonders bei Diana hatten mir aufgezeigt, was es bedeutete, eine Familie zu haben, nicht nur Verwandte.

Eine Familie, in der man sich von seinen Problemen erzählt, in denen man füreinander da ist und sich nicht ständig gegenseitig anschreit, sich nicht ständig gegenseitig gegen den Kopf schmeißt, wie sehr man einander hasst.

Ich hatte nie eine Familie. Hart gesagt, doch es ist die Wahrheit. Meine Mutter war tot, Geschwister hatte ich keine, Großeltern hatte ich nie kennengelernt, mein Dad war Einzelkind, meine Mutter hatte den Kontakt zu ihren Schwestern abgebrochen, als sie von Kroatien nach Amerika ging und mein Vater... Tja, der war eben mein Vater.

Die Hände in den Taschen meines grauen Mantels vergraben und den Kopf gesenkt hetzte ich durch die regennassen Straßen. Es nieselte nur noch ein wenig. Herbstwetter. 
Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche. 

Diana.

"Was denn?" "Alles gut? Meine Mum meinte, ich soll dich anrufen, es wird bald dunkel draußen" "Ja, ja ich bin bald da" "Oh, oka-" Ich legte auf.
Fies, ja, doch ich hatte kein Interesse daran, ausgefragt zu werden.

Zum Ersten mal seit ich das Krankenhaus verlassen hatte, achtete ich auf den Weg welchen ich entlanglief und schlug eine Straße ein in der ich zur Wohnung der Parkers kommen würde.

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Still alive :)

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Byee
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AC.xx

10. Oktober 2022

Forever you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt