46. Mein Dad war mein zu Hause

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-Diana-

Freitag 7. November

May hatte nicht viele Fragen gestellt. Sie wusste, dass etwas gehörig schiefgelaufen war, kannte mich aber ebenfalls gut genug sodass sie nicht nachfragte sondern darauf wartete, dass ich von selbst zu ihr kam. 

Nun saß ich da. Im alten Bett meines Dads und hörte meinem eigenem Herzschlag zu, welcher mir seit dem Kampf schon beinahe schmerzhaft in den Ohren pochte. Ich musterte die Wände, welche mit sämtlichen Postern der Avengers, Spiderman und natürlich Star Wars zugepflastert waren. Selbst im Erwachsenenalter hatte mein Dad die Leidenschaft für die SciFi-Reihe nicht abgelegt. 

Vereinzelt sah ich einige Fotos von Dad und Mr. Leeds, meinem Physiklehrer an der Midtown von welchem ich wusste, dass Dad und er gute Freunde in der High School waren, sich jetzt aber nur noch selten sahen. Viele Fotos von Mum und Dad klebten ebenfalls an den Wänden und sogar an der Tür. 
Auf manchen konnte ich sogar mein Kleinkindgesicht erkennen. Von den Erzählungen meiner Eltern wusste ich, dass Dad bis zur Hochzeit offiziell noch bei May gewohnt hatte. 

Auf einigen Fotos war eine junge Frau mit braunen Locken und milchkaffebrauner Haut abgebildet. Vermutlich eine ehemalige Freundin meiner Eltern.

May hatte alles in diesem Raum so gelassen wie es einmal war, sie hatte schließlich keine Verwendung dafür. 
Ich seufzte am Gedanken an sie. 
In meiner Kindheit hatte die Tante meines Dads oft auf mich aufgepasst, aber als ich älter wurde, sah ich sie immer seltener. Einzig mein Dad besuchte sie alle zwei Wochen, ich war allerdings meistens zu faul um ihn zu begleiten.

Ich ließ mich zurückfallen und seufzte tief. Der vertraute Geruch meines Dads drang mir in die Nase. Es war nicht nur mein Dad. Nein, es roch auch nach zu Hause.

Mein Dad war mein zu Hause. 
Ich kam mit meiner Mutter selten wirklich klar, wann immer wir auch länger Zeit miteinander verbrachten, fingen wir an zu streiten. Taten wir dies nicht, lag dennoch eine passiv aggressive Stimmung in der Luft welche wir uns zwar vielleicht nicht gegenseitig eingestanden aber dennoch wahrnahmen weshalb wir uns eher aus dem Weg gingen.

Es war nicht immer so gewesen, gar nicht... Früher war meine Mum, neben Ivy natürlich, meine beste Freundin gewesen. Ich erzählte ihr alles. Die Erinnerung, mit ihr gemeinsam mein Zimmer neu zu streichen und dabei zu tratschen hatte ich noch bildlich im Kopf. 

Das war vor etwa drei Jahren. Danach ging irgendwie alles abwärts mit unserer Beziehung. Ich distanzierte mich, versteckte mich hinter meinen Büchern und entfernte mich immer mehr vom Familienleben. Mein Dad trug das mit Fassung, meine Mutter aber schien zu glauben, dass ich sie durch den Beginn meiner Pubertät und deren Folgen weniger lieb haben zu schien. Sie ließ mich das unterschwellig spüren und irgendwann tat ich es wahrscheinlich tatsächlich.

In dieser Zeit begann ich, wenn ich mich überhaupt an der Familie beteiligte, dies nurmehr durch meinen Dad zu tun. 

Er war verständnisvoll, sanft und mein Ruhepol im Gegenzug zu meiner Mum, die mit ihrer feurigen Persönlichkeit eher einem Vulkan glich, der kurz vorm Ausbrechen war-

"Süße", Mays Stimme drang zu mir durch und durchbrach meine verzweigten Gedanken. Ich blickte auf. "Es will dich jemand sehen"

Mein Puls schlug augenblicklich in die Höhe. Ich wollte meine Mutter jetzt nicht sehen. Konnte sie jetzt nicht sehen.

Kaum erblickte ich meinen Vater, beruhigte ich mich wieder. Er würde mich nicht dafür verurteilen, dass ich weggelaufen war. Er würde mich für gar nichts verurteilen. Nie.

May lächelte mir aufmunternd zu, schloss die Tür hinter sich und ließ mich mit meinem Dad allein.

Abrupt stand ich auf. Ich wusste nicht, woher meine Emotionen auf einmal herkamen aber sie taten es. Augenblicklich rannen mir heiße Tränen über die Wangen und ich spürte die warmen und sicheren Arme meines Dads um mich. Meine Augen hielt ich fest zugekniffen. 

Meine Atmung ging stockend und ich konnte fühlen, wie sich der Knoten in meiner Brust endlich anfing zu lösen als mich mein Dad sanft in seiner Umarmung wiegte als wäre ich wieder ein kleines Kind.

War ich ja im Grunde auch noch. 
Ein Kind.
Sein Kind.

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Leben tu ich tatsächlich auch noch, Überraschung lol

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Have a nice night
All the love
AC.xx

29. Februar 2024


Forever you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt