19. Das Zimmer war leer.

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-Diana-

Donnerstag 16. Oktober 

"Hier ist Lily. Offensichtlich bin ich gerade nicht in der Stimmung zu reden oder habe einfach keine Zeit. Vielleicht rufe ich von allein zurück, oder versuch's irgendwann nochmal" Tut. Scheiß tut. Resigniert schmiss ich mein Handy auf mein Bett und ließ mich daneben auf die Matratze fallen. 

Schon seit gestern antwortete Lily nicht, rief nicht zurück und in der Schule war sie auch nicht. "Muuum", rief ich quer durch die Wohnung, in der Hoffnung, sie würde mich hören. "Was denn?", konnte ich mehr schlecht als recht aus Richtung Küche vernehmen. "Ich hab seit gestern nichts von Lily gehört und in der Schule war sie auch nicht, soll ich mir Sorgen machen?" "Ich verstehe dich nicht, Dee (Di ausgesprochen), komm rüber"

Ich schnaufte unmotiviert und stapfte von meinem Zimmer hinüber in die Küche. "Also, nochmal bitte" Meine Mum schien gerade damit beschäftigt, ihren Waffengürtel am Küchentisch auszubreiten und die einzelnen, definitiv tödlichen Dolche, Sprengsätze und was noch so herumlag, auseinander zu schrauben, sie zu reparieren und zu säubern und dann wieder zusammen zu bauen. Ich beobachtete ihre Tätigkeit in kurzer Stille mit gebührendem Abstand. 

"Hallo?" Ich schüttelte meinen Kopf, wie aus eine Trance gerissen. "Hm?" "Was wolltest du mir sagen?", Mum schaute mich mit besorgtem Blick an. "Ach so, ja das... Äh- Lily, sie antwortet seit gestern Abend auf keine Nachricht, hebt nicht ab und in der Schule war sie auch nicht" Mum schien verwirrt. "Vielleicht findet sie ihr Handy nicht, oder sie ist einfach nur krank und hat keine Lust zu reden. Ich wäre an deiner Stelle nicht so besorgt. Sie meldet sich bestimmt bald", meinte sie schließlich zuversichtlich und widmete sich wieder ihrem Dolch, der anscheinend schon mal in besserer Verfassung gewesen war.

"Kann ich vielleicht mit dem Bus zu ihr fahren und schauen, ob es ihr wirklich gut geht?", fragte ich zögerlich nach einigen schweigsamen Sekunden. Mum schaute auf. Sie zuckte mit den Schultern. "Wenn es dir dann besser geht, bitte" Ich lächelte kurz. "Danke Mum, bist die Beste" "Das weiß ich", sie grinste ebenfalls. "Sei aber spätestens mit dem letzten Bus um neun am Abend wieder da, okay? Ich will dich nicht mit dem Auto abholen müssen" Ich hörte nur noch mit halben Ohr zu.

"Jaja, mach ich, keine Sorge" Schnell streifte ich mir meine Jeansjacke über, zog meine Schuhe an und war aus der Tür. 

Ich fiel fast die Treppen runter, als ich sie in der Hoffnung, den nächsten Bus in drei Minuten noch zu erwischen mehr oder weniger hinuntersprang. 
Der Busfahrer schien eher weniger darüber erfreut, einen keuchenden Teenager nochmal die Bustür zu öffnen, nachdem er sie schon so gut wie abfahrbereit geschlossen hatte.

Ich lächelte entschuldigend, zeigte meine Fahrkarte her und ließ mich in die letzte Reihe fallen. 

Während der Fahrt durchforstete ich Google nach nicht creepy klingenden Begrüßungen, in denen man fragte, wie es der Person ging und ob man sich Sorgen machen musste, weil sie nicht zurückschrieb; diskutierte unter anderem auch virtuell mit Ivy, was wir am Wochenende machen wollten und gewann die Diskussion, mit dem Argument, dass wir Friends schon 16 mal gesehen hatten, aber noch nie mit Loki und Bucky im Kino waren. Dass ich vorhatte, mit den dreien gemeinsam den Friends Reunion Film zu schauen, hatte ich noch nicht einmal erwähnt und hatte trotzdem die Diskussion gewonnen.

Ich stieg an der Haltestelle in der Nähe von Lilys Wohnhaus aus und lief den Bürgersteig entlang.
Am Wohnhaus angelangt, an welchem man noch immer Spuren des Feuers erkennen konnte, rannte ich beinahe schon die Treppen hinauf und klopfte anschließend heftig an der Wohnungstür, auf der mit Versalien "Morgan" geschrieben stand.  

"Ja?" Ein Mann, Lilys Vater, mit Drei-Tage-Bart, verwuschelten angegrauten schwarzen Locken und einer Alkoholfahne zum Davonlaufen öffnete mit trägem Blick die Tür. Ich stockte und trat unbewusst einen Schritt zurück. "Äh- ich suche... L-lily. Lily Morgan" Ich erntete einen verwirrten Blick. "Du meinst meine Tochter Lillian?" Ich nickte zögernd. 

"Sie ist in ihrem Zimmer. Einfach geradeaus und dann die zweite Tür links" Ohne ein weiteres Wort begab sich Lilys Vater wieder in das offene Wohnzimmer, in welchem der Fernseher lief und einige leere Glasflaschen auf dem Boden und dem Couchtisch verteilt lagen. Ich schluckte. Lily hatte mir noch nie wirklich den Grund für die Abneigung gegenüber ihres zu Hauses gesagt. Jetzt aber, wo ich durch den kahlen Flur mit einem einzigen Bild an der Wand -dem einer brünetten lächelnden Frau, die Lily verdammt ähnlich sah-, konnte ich die Rothaarige verstehen.

Das war kein zu Hause. Das war eine Wohnung. 
Ich klopfte an der Zimmertür. Keine Antwort. Zögernd öffnete ich sie.

Das Zimmer war leer.

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Istg ich vermisse meinen Kater :( (He's dead. Since 10.1.2021)

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AC.xx

27. Oktober 2022

Forever you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt