Kapitel 2 - Jakob

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Ich lasse mir den warmen Wind ins Gesicht wehen, während ich mich auf den Treppenstufen auf der Veranda niederlasse und den letzten Abend in Windhoek genieße.

Hier bin ich geboren und aufgewachsen, aber nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt für mich.

„Jake, hast du schon ein Bier?", ruft mein Bruder von drinnen. „Nein, bring mal her!"

Mein großer Bruder Joe lässt sich mit einem leisen Seufzen neben mir nieder, reicht mir das Bier und wir stoßen an.

„Letzter Abend, hm?" Er lehnt sich zurück und legt die Ellenbogen auf eine höhere Stufe. Er schließt die Augen uns lässt sich die Abendsonne ins Gesicht scheinen.

Ich stimme ihm brummend zu. „Wir sind doch wahnsinnig..." Ich schüttle ungläubig den Kopf, weil mir die letzten Monate durch den Kopf gehen.

Mein Vater Michael hat meinem Bruder und mir das Startkapital für ein Juweliergeschäft geliehen. Die Goldschmiedekunst ist meine Leidenschaft und mit Joes Wissen hat sich die Idee weiter entwickelt, bis ich sie meinem Vater erzählt habe.

Ohne groß nachzudenken hat er uns das Geld gegeben. „Wir sind doch Familie.", sagte er zu uns mit seinem typischen Augenzwinkern.

„Wir sind eben abenteuerlustig. Und wir leben nur einmal. Das hat nichts mit Wahnsinn zu tun.", erwidert Joe, noch immer mit geschlossenen Augen.

„Und wenn wir keinen Fuß fassen?" Mir kommen wieder Zweifel. „Warum haben wir uns nicht für die Schweiz entschieden? Die Schweiz kennen wir wenigstens. Aber Deutschland?"

Mein Bruder stößt mich mit seinem Ellenbogen in die Seite. „Zürich ist voll von Juwelieren. Mach dir mal keine Sorgen. Jeder Mensch kauft Schmuck. Auch in Deutschland. Außerdem habe ich keine Lust mehr auf die Schweiz. Das Internat hat mir gereicht."

Mein Bruder und ich haben die ersten Jahre auf der Deutschen Privatschule in Windhoek verbracht, ehe wir auf ein Internat in die Schweiz gewechselt sind.

Unsere Mutter kommt aus der Schweiz und ist für die Entwicklungshilfe nach Namibia gegangen. Hier hat sie unseren Vater kennengelernt, der im Bergbau tätig ist.

Als wir auf dem Internat in der Schweiz waren, war es für meine Mutter einfacher wieder aufs Land hinauszufahren und am Bau von Schulen oder Brunnen zu helfen.

Das Internat war die richtige Entscheidung. Nach dem Schulabschluss habe ich in Zürich die Lehre als Goldschmied begonnen. Schon währenddessen kam mir die Idee mit dem eigenen Geschäft.

Und jetzt bin ich mit der Lehre fertig und der Traum vom Juwelierladen scheint in Erfüllung zu gehen.

„Und Leah hat alles vorbereitet?" Nur ungern stelle ich die Frage, weil nun Leah ins Spiel kommt. Leah ist mit uns auf das Internat gegangen, sie war in meinem Jahrgang und der Kontakt ist nie richtig abgebrochen.

Sie war immer ein gute Freundin, manchmal sogar mehr als das. Sie ist eben eine hammermäßige Frau und jeder Mann ist ein Idiot, der sie von der Bettkante stößt. Für mich war es immer nur Spaß, wenn ich mit ihr im Bett war. Hätte ich gewusst, dass Joe ernstere Absichten hat als ich, hätte ich mich gezügelt. Aber dann war es zu spät und Joe sauer auf mich.

Leah hat ein BWL-Studium hinter sich und ist eine große Hilfe für unser kleines Geschäft. Joe hat, ohne mir Bescheid zu sagen, ihr einfach zugesagt. Natürlich könne sie bei diesem neuen Abendteuer mitmachen.

Liebe macht nun mal blind.

Joe vergöttert sie und ich wünsche ihm nur das Beste mit ihr. Aber sie scheint seine Avancen noch nicht verstanden zu haben. Dabei umgarnt er sie seit Jahren.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt