Kapitel 33 - Viktoria

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Prüfend betrachte ich das Kleid, das ich an den Schrank gehängt habe und heute Morgen bei Mama geholt habe. Es ist wohl nicht im klassischen Sinne elegant, so wie ich es die letzten zwei Jahre gern gehabt habe, sondern gewagter. Der Stoff, in vielen Grünschattierungen, wird sich perfekt an meine Kurven schmiegen und der Ausschnitt lässt mehr blicken, wie ich es zuletzt gewohnt war. Das Kleid erinnert mich ein wenig an das Ich, das ich vor über zwei Jahren war, als ich offener für Flirts war und unvorsichtiger. Vor der Affäre mit Professor Kling.

Aber ich halte es für das richtige Zeichen. Ich will mich nicht mehr verstecken und darüber nachdenken, wie andere über mich denken, wenn ich mich mit jemanden unterhalte. Die Angst davor, von einer Flirterei in Schwierigkeiten zu geraten, möchte ich heute mit allen Mitteln niedertreten. Dass Jakob an meiner Seite sein wird, hilft mir ungemein. Als Mama mich heute fragte, wer denn meine Begleitung für heute Abend wäre, sagte ich nur, sie würde ihn am Abend ja kennenlernen. Am Vormittag schon eine Diskussion mit ihr zu führen und am Abend den Familienfrieden aufs Spiel zu setzen ist meiner Meinung nach zu viel für einen Tag. Ich werde meine Energie für den Abend aufheben. Mama schien wegen meiner kurzen Antwort etwas verstimmt zu sein, aber das ist grundsätzlich bei allem, was ich mache. Um die Panik abzuwenden, die sich den gesamten Tag in mir aufbaut, versuche ich mich auf die positiven Gedanken zu konzentrieren: Jake.

Den Donnerstagabend habe ich mit viel Nervenaufwand hinter mich gebracht und Elias an meiner Wohnungstür abzuwimmeln war einfacher als gedacht. Ich behauptete ganz einfach auch kein Alkohol in der Wohnung zu haben, als er fragte, wir könnten zusammen noch ein Glas Wein trinken. Das wiederrum hat mir nur bewiesen, dass er weniger an mir, als eher am Alkohol interessiert ist. Dennoch bereitet mir die Sache mit ihm Bauchschmerzen. Wenn er aus Paris zurück ist, werde ich versuchen mit ihm zu reden. Ich werde viel Überredungskunst brauchen, damit er versteht, dass Erpressung keine Lösung ist.

Ich schüttle den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Elias ist hunderte Kilometer weit entfernt und was jetzt zählt ist Jake und der Abend, den ich mit ihm verbringen werde.

Bevor ich unter die Dusche steige und mich für den Abend fertig mache, erledige ich noch ein paar Hausarbeiten, die während der Woche liegen geblieben sind. Im Kopf gehe ich grob die Leute durch, die auch bei der Gala da sein werden. Es werden einige Arbeitskollegen der Firma da sein, einige der Stadtverwaltung, Sponsoren und andere wichtige Persönlichkeiten der Stadt. Die Begrüßungsrunde, bei der ich etlichen Leute die Hand schütteln werde, wird garantiert am meisten Energie kosten. Nun ja, die Auseinandersetzung mit meinen Eltern wird noch anstrengender.

Als ich gerade das Kleid angezogen habe, klingelt es an der Tür. Jakob. Sofort entspanne ich mich ein wenig. Ich habe das Gefühl, wenn er an meiner Seite ist, kann ich alles schaffen.

Sein unverschämtes Lächeln lässt mein Herz höher schlagen und sein Kuss ist atemberaubend. „Du siehst fantastisch aus.", sage ich und betrachte seine große und breite Gestalt in einem perfekt sitzenden Anzug. Sein Blick bleibt bei meinem Dekolleté hängen. „Du siehst einfach...ich bin sprachlos." Seine Augen sprühen Funken und ich strecke mich ihm entgegen, um ihn noch mal zu küssen. Wie gerne würde ich einfach hier bleiben. „Ich weiß, dass ich gut aussehe.", murmle ich an seinen Lippen. „Gut ist gar kein Ausdruck." Er lehnt seine Stirn an meine und so verweilen wir einen Moment, bevor ich mir meinen Mantel überziehe und wir ins Taxi steigen.

„Du bist nervös.", stellt Jake fest, als er mich eine Weile von der Seite betrachtet. Ich sehe aus dem Fenster und nehme die Lichter der Stadt nur verschwommen wahr. „Ja, ich bin nervös, aber mit dir heute zu erscheinen ist das Richtige. Ich habe langsam genug von all den Spielchen und Lügen der letzten Wochen. Es wird Tratsch und fiese Gerüchte über uns geben, aber es ist mir egal. Entscheidend wird sein, wie sich meine Eltern verhalten. Wenn sie einen Skandal daraus machen, wird es die Gesellschaft auch tun. Wenn meine Eltern gelassen reagieren, werden sich die Leute zwar einmal verwundert die Augen reiben, es dann aber gut sein lassen.", versuche ich ihm zu erklären. Jake nimmt meine Hand und verschränkt seine Finger mit meinen. „Ich fühle mich schlecht dabei, wenn du dich wegen mir mit deiner Familie streitest." Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. „Fühl dich dafür nicht verantwortlich. Es liegt allein bei meinen Eltern."

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt