Kapitel 31 - Viktoria

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Ein letztes Mal ordne ich meine Unterlagen und prüfe, ob der Bericht in dreifacher Ausfertigung mit dabei liegt. Heute halte ich den Vortag über die Quartalszahlen. Es ist die Gelegenheit meinem Vater zu beweisen, dass ich für diese Stelle qualifiziert bin und meinen Job gut mache. Bevor ich eine Frühstückspause gemacht habe, bin ich in den Konferenzraum gegangen und habe die Technik überprüft, damit gleich alles nach Plan laufen wird.

Gestern Nachmittag war ich sehr aufgeregt und bin zu Jake gegangen. Die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Ich habe mich ihm endlich anvertraut. Und es ändert nichts zwischen uns. Es ist ein befreiendes Gefühl gewesen, mit ihm über meine Affäre zu reden, auch wenn ich das dunkelste Geheimnis nicht angesprochen habe. Aber es war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich hatte solche Angst, dass er mich nicht mehr so ansehen würde, wie er es bisher getan hat. Aber all die Sorgen waren umsonst gewesen. Jakob hat jetzt keine andere Meinung von mir.

„Äh, hi..." Ich sehe von meinen Unterlagen auf und blicke zu Aileen hoch. „Hi, kann ich etwas für Sie tun?" Innerlich freue ich mich wie ein kleines Kind, weil ich von ihr angesprochen werde und nicht ich ein verkrampftes Gespräch beginnen muss, wie ich es sonst in der Küchennische versuche.

„Nein, ich...Sie halten doch gleich den Vortrag? Ich habe Herrn Dietrich eben im Konferenzraum gesehen. Hat ein bisschen mit Kabeln hantiert. Vielleicht schauen Sie gleich noch mal, ob auch alles funktioniert." Sie rückt sich schüchtern die Brille zurecht und ich kann sie einen Moment nur sprachlos anstarren. Seit wann ist sie so hilfsbereit?

„Danke, Aileen. Das war sehr aufmerksam von Ihnen.", antworte ich, bevor ich meine Manieren vergesse. Aileen lächelt mich scheu an. „Kein Problem. Wir Frauen müssen doch zusammenhalten." „Der Meinung bin ich auch." Ich nicke bekräftigend. „Dann wünsche ich für gleich viel Erfolg." Sie hebt zum Gruß die Hand und geht wieder an ihren Arbeitsplatz. Mit energischen Schritten eile ich zum Konferenzraum. Es war klar, dass mindestens einer versuchen würde, meinen Vortrag zu sabotieren, in welcher Form auch immer. Ich werfe einen Blick zu meiner Armbanduhr – in etwa 15 Minuten geht es los. Mit Schwung versuche ich die milchige Tür zum Konferenzraum zu öffnen, und laufe fast dagegen – es ist abgeschlossen.

„So eine Scheiße!" Am liebsten würde ich gegen die Tür treten, aber das würde weder meinem Fuß noch meinem Pump guttun. Einen Schlüssel habe ich nicht und bisher bin ich auch prima ohne einen ausgekommen. Bis jetzt.

Ich überlege kurz, ob ich zu Konrad gehen soll, damit er aufschließt, aber der Arme ist selbst aufgeregt genug und ich will ihn nicht noch mehr aus dem Konzept bringen.

Ich seufze resignierend. Dietrich wird wohl nicht völliges Chaos angerichtet haben, denke ich hoffnungsvoll. Wenn ich alle Stecker gleich überprüfe, werde ich schon herausfinden, was er da drinnen angestellt hat.

Ich kann nichts anderes tun, als wieder zu meinem Platz zurückzugehen und mich zu ordnen. Dietrich hat es darauf angelegt, mich zu provozieren und mich aus dem Konzept zu bringen. Diesen Gefallen werde ich ihm nicht machen.

Ich suche noch schnell die Toilette auf und mache mich dann mit den Unterlagen und Laptop auf den Weg zum Raum. Dieses Mal ist er geöffnet und niemand anderes als mein Vater ist schon da und lüftet den Raum durch. „Hast du den Raum abgeschlossen?", fragt er mich anstatt einer Begrüßung. Ich gehe nach vorne und konzentriere mich direkt auf die Kabel. „Nein, ich habe keinen Schlüssel." Es sieht alles normal aus. Vielleicht hat sich Aileen getäuscht? „Ich hoffe, du bist gut vorbereitet.", meint Papa, der sich nun am Ende des riesigen Tisches in die Mitte setzt. Genau gegenüber von mir. „Natürlich bin ich vorbereitet.", blaffe ich ihn an. Ich atme tief durch. Verdammt, jetzt werde ich doch aufgeregt. Papa runzelt lediglich die Stirn, aber ich ignoriere ihn. Mit einem Stoßgebet gen Himmel stecke ich den HDMI-Stecker in die entsprechende Buchse im Laptop und warte, bis er sich mit dem Projektor verbunden hat. So wie vorhin, als ich es ausprobiert habe. Hoffnungsvoll starre ich die weiße Leinwand an, auf der jede Sekunde das blaue Licht erscheinen muss.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt