Winternacht - Zurrenberg Romance

Kapitel 13 - Viktoria

 „Und du hast ihn wirklich nicht gebeten, mit rauf zu kommen?" Franzi stützt sich mit einer Hand auf meinem Schreibtisch ab, auf dem sie sitzt und so meinen Arbeitsradius beträchtlich einschränkt. Warum hat sie immer so früh Mittagspause? Ich mache erst in frühestens einer halben Stunde Mittag.

Ich schaue kurz zu ihr herauf, bevor ich mich wieder den Zahlen auf dem Computerbildschirm zuwende. „Du weißt, dass ich so was nicht mache." „Ja, du bist vorsichtiger geworden, nachdem..." Mein böser Blick lässt sie abrupt innehalten. Daran will ich jetzt nicht denken. Franzi ist die Einzige, der ich von damals erzählt habe. Und so soll es auch bleiben.

„Aber du musst schon zugeben, dass es ungewöhnlich für dich ist, wenn du in solchem Ausmaß von einem Mann schwärmst." In diesem Punkt hat sie recht. Der Abend mit Jakob war einfach...besonders. Und so schön. Und es macht mir Angst, dass ich so für ihn schwärme. Jakob kennt mich erst seit Kurzem und dennoch scheint er zu wissen, was er in welcher Situation zu mir zu sagen braucht. Und die Tatsache, dass ich mich bei ihm sehr wohl fühle, macht die Sache nicht besser.

„Vielleicht solltest du dein Misstrauen ein bisschen in die Schranken weisen.", sagt Franzi leise, als sie mich grübeln sieht. „Ich weiß, du bist nach der Sache keine Optimistin mehr, aber auf Dauer hältst du es nicht durch, niemanden zu vertrauen."

Ich seufze leise. Sie hat ja recht. Aber seitdem mein Vertrauen in den Grundfesten erschüttert wurde, fällt es mir sehr schwer, Menschen zu vertrauen. Und dann soll ich gleich auch noch einem fast-Fremden vertrauen? Nur weil ich bei ihm ein gutes Gefühl habe? Gefühle spiegeln nun mal nicht immer die Wahrheit wider.

„Konrad, ich habe die Ordner durch." Ich halte ihm einen Stapel entgegen, als er an meinem Tisch vorbeiläuft. „Du bist schnell.", kommentiert er meine Leistung mit Blick in einen Ordner. Mittlerweile darf ich sogar Arbeit verrichten, die unterbezahlte Assistenten nicht ausüben. Mit dieser Taktik hat es mein Vater nicht geschafft, mich mürbe zu machen.

„Hi, Konrad." Franzi setzt ein blendendes Lächeln auf und schenkt ihre ganze Aufmerksamkeit Konrad. Dieser bekommt schlagartig rote Ohren. Das sticht sich mit seiner orangen Haarfarbe.

„Franziska.", sagt er nur, aber ich höre seine Freude heraus. Die beiden haben sich am 18. Geburtstag von Basti kennengelernt und einen ziemlich schönen Abend miteinander verbracht. Aber mehr auch nicht.

Franzi verwickelt ihn in ein Gespräch und ich beuge mich weiter über meinen Bildschirm, lausche aber mit halben Ohr dem Gespräch. Es ist erstaunlich, wie sich Konrads Körperhaltung von verkrampft in locker wandeln kann. „Ich muss jetzt leider weitermachen." Er deutet mit seinem Daumen über seine Schulter. „Ich will dich nicht aufhalten. Aber vielleicht kann man mal ein anderes Mal weiterreden.", sagt Franzi lächelnd. Der arme Konrad bekommt nur ein schwaches Nicken zustande uns sucht dann schnell das Weite. „Er ist so zurückhaltend.", murmelt sie vor sich hin und zu mir sagt sie lauter: „Und was ist jetzt mit Elias?" Was ist mit Elias?

„Er hat mir gestern noch mal Rosen geschickt und mich daran erinnert, dass wir am Samstag zusammen zum Empfang gehen. Er hätte wahnsinnig viel zu tun." Ich verdrehe die Augen. Franzi springt von meinem Schreibtisch. „Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. So, ich muss los." Sie beugt sich zu mir herunter, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. „Wegen dieser Schmuck-Sache schaue ich morgen mal im Juweliergeschäft vorbei. Ich hoffe, dass ich dann nicht zu spät bin. Ich bin mal gespannt, mit welchem Collier ich die Aufmerksamkeit auf mich ziehen kann." Im Rampenlicht zu stehen ist generell nicht Franzis Ding, aber in diesem Fall wäre es das Schmuckstück und nicht sie. Außerdem kann sie Dinge unheimlich gut verkaufen. Ich hoffe einfach, dass Franzi somit Jakob und seinem Bruder helfen kann.