Kapitel 15 - Viktoria

20 3 0
                                    

„Mama, ich glaube, ich nehme doch das glitzernde Kleid. Ich weiß, es ist ziemlich kurzfristig, aber..." „Das ist doch kein Problem. Ich habe sie noch alle hier, du kannst es dir abholen.", sagt meine Mutter begeistert.

Ich reibe mir mit der Hand müde über die Stirn und presse mein Handy weiter ans Ohr. Die Zahlen auf meinem Laptop verschwimmen vor meinen Augen. Ich habe heute nach der Arbeit in meiner Wohnung begonnen, mir die Quartalszahlen anzusehen. Offiziell habe ich noch nicht Bescheid bekommen, dass ich mich darum kümmern soll.

Mein Vater setzt alles daran, mich ins kalte Wasser zu werfen. Und scheitern zu sehen. Aber so ist er nun mal.

„Kannst du nicht Mike schicken? Ich mache noch was für die Arbeit und..." Und außerdem fühle ich mich nicht in der Lage, auch nur einem Familienmitglied zu begegnen. Mir fehlt einfach die Kraft dazu. Seit gestern Abend fühle ich mich zu nichts mehr in der Lage.

„Du arbeitest sehr viel...", bemerkt meine Mutter mit ihrem typischen Unterton und ich habe keine Nerven mit ihr zu diskutieren. „Mama, ich muss jetzt Schluss machen. Schick einfach Mike mit dem Kleid vorbei. Bis morgen."

Ich drücke sie weg und lehne mich auf dem Sofa zurück. Auf der Arbeit eine freundliche Miene aufzusetzen hat mich unglaublich viel Kraft gekostet. Ich kann von Glück sagen, dass Alex kaum da war, sodass ich keine Sorgen hatte, ihm über den Weg zu laufen. Wenn er mich gesehen hätte, hätte er sofort gewusst, dass etwas nicht stimmt.

Als mein Handy anfängt zu klingeln, hoffe ich darauf, dass es Franzi ist. Aber es ist Jakob. Mit einem kleinen, ärgerlichen Schrei werfe ich das Handy von mir.

Es landet circa zwei Meter vor mir auf dem Teppich.

Er versucht schon den ganzen Tag mich zu erreichen.

Ich komme mir so dumm vor.

Gestern Abend war wirklich schön. Das Klettern hat mir Spaß gemacht und Jake hat mich, so oft ich wollte, an die Wand gelassen. Wir haben geflirtet. Wir haben uns geküsst. Dass sein Bruder mit Freundin dabei war, hat mich nicht gestört. Der Abend war einfach perfekt – bis ich meinen Schal in der Umkleide vergessen hatte. Und noch einmal zurück bin. Und deswegen das Gespräch von Jakob und Josef mitbekommen habe.

Jakob geht es nur um Sex. In der Hoffnung, irgendetwas falsch verstanden zu haben, immerhin habe ich das Gespräch nicht vollständig mitbekommen und das auch nur recht leise, habe ich ihm eine Chance gegeben.

Aber ich hatte wohl doch alles richtig verstanden. Ich wische mir wütend eine Träne von der Wange. Jakob ist es nicht wert, dass ich ihm auch nur eine Träne hinterherweine.

Ich habe mir nur gewünscht, dass er anders wäre. Dass er in mir mehr sieht als eine bedeutungslose Eroberung.

Er sagte, ich sei eine beeindruckende Frau. Damit meinte er wohl meine Brüste oder meinen Hintern.

Ich trete wütend ein paar Kissen auf den Boden. Mittlerweile komme ich mir sogar lächerlich vor. Ich selbst habe ihn gefragt, ob er noch mit in die Wohnung kommt. Was hätte er denn anderes denken sollen? Ich schüttle energisch den Kopf. Falsch. Er wusste, dass ich nicht leicht zu haben bin. Das habe ich bei unserem ersten Date deutlich gemacht und dennoch...

Ein Klingeln lässt mich zusammenfahren, bis ich merke, dass jemand vor der Wohnungstür ist.

Mike steht mit einem Kleidersack und grimmigen Gesicht davor. Ich bekomme direkt ein schlechtes Gewissen.

„Ich bin nicht Hermes.", raunzt er mich an und ich überlege, was er mit dem Götterboten meint.

„Tut mir leid. Ich hatte keine Zeit." Ich nehme mir den Kleidersack. Ich werde morgen Abend aussehen wie eine Diskokugel. „Danke.", schiebe ich noch hinterher, als Mike schon am Gehen ist. Er winkt mir über die Schulter noch zu. „Du kannst froh sein, dass ich dich mag. Man sieht sich." Bevor ich mich verabschieden kann, ist er schon die Treppe hinunter gegangen und aus meinem Blickfeld verschwunden.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt