Kapitel 34 - Jakob

18 3 0
                                    

 Mein Optimismus, den ich heute am frühen Abend hatte und der sich während des Gesprächs mit Vikis Brüdern verstärkt hatte, ist mit einem Mal verflogen. Und zwar, als ich das schiere Entsetzen in den Augen ihrer Mutter gesehen habe, als sie mich wahrnahm und verstand, wie ich zu ihrer Tochter stehe. Ich habe versucht Viki Mut zu geben und ihr ein zuversichtliches Gefühl zu geben und ich hasse es, dass ich jetzt nicht an ihrer Seite sein kann. So hart es auch klingt: das Gespräch mit ihren Eltern muss sie allein führen und ich hoffe, dass ihre Eltern nicht völlig ausrasten werden. Für mich ist es unvorstellbar, wie Eltern ihre Kinder in ihren Entscheidungen nicht unterstützen können.

„Du auch hier?" Leicht erschrocken drehe ich mich herum und blicke Richard an, neben dem ein schlanker junger Mann mit dunklen Haaren steht. „Ja, ich bin mit Viktoria hier." Er lässt einen beeindruckenden Pfiff los. „Ganz schön mutig von ihr. Sie hat wohl keine Lust sich mit dir vor ihren Eltern zu verstecken. Wo ist sie denn?" Er blickt sich im Saal um. „Sie redet gerade mit ihren Eltern.", bringe ich hervor. Richie scheint meine Anspannung zu spüren, denn er lächelt mir aufmunternd zu und lässt das Thema fallen. Stattdessen stellt er mir seine Begleitung vor. Markus habe nichts mit der Elite zu tun, wie Richard sagt. Markus studiert Grafikdesign im zweiten Semester. Während er vom seinem Studium erzählt, schweift mein Blick immer wieder zur Tür, hinter der Viki mit ihren Eltern verschwunden sind. Ist es ein gutes oder schlechtes Zeichen, wenn das Gespräch zwischen ihnen so lange dauert? Fakt ist, mit jeder weiteren Minute fühle ich mich schlechter, weil sie wegen mir diesen Konflikt mit ihren Eltern hat.

„Wir werden uns mal über das Büfett hermachen. Wir sehen uns bestimmt noch mal heute Abend.", meint Richie und klopft mir im Vorbeigehen kurz auf die Schulter. Und dann stehe ich wieder allein dar und lasse neugierige Blicke über mich ergehen. Sie interessieren mich nicht. Mein Herz setzt einmal aus und beginnt dann an wie wild zu pochen, als Viki schließlich wieder aus der Tür heraustritt. Sie hat ein leichtes Lächeln aufgesetzt und für einen kurzen Moment lässt sie mich glauben, dass alles okay ist. Dass sie einen fantastischen Abend genießt. Aber dann merke ich wie falsch dieses Lächeln ist. Ihre Augen strahlen nicht und ihre Haltung ist verkrampft. Mein Mund ist wie ausgetrocknet, als sie neben mir zu stehen kommt und mein Kopf ist wie leergefegt. Es ist offensichtlich, dass dieses Gespräch so verlief, wie sie es im schlimmsten Fall erwartet hat.

Mein Instinkt sagt mir, ich solle sie in den Arm nehmen und sie trösten. Aber nicht hier vor allen Leuten. Und will sie das überhaupt? Wieso bin ich auf einmal so unsicher? Weil sie Schluss machen könnte, fällt mir ein. Weil sie natürlich zu ihrer Familie hält, als mit ihr zu brechen, um stattdessen mit mir zusammen zu sein, ein Mann, den sie gerade einmal ein paar Wochen kennt. All das schießt mir in Sekundenschnelle durch den Kopf.

Viki dreht sich zu mir herum, kommt mir ganz nahe und legt mir eine Hand an die Brust. Behutsam lege ich eine Hand an ihre Taille. „Wir sollten kurz zu Anna gehen. Und dann: bring mich hier weg." Am Ende bricht ihre Stimme und sie atmet tief ein, um die Tränen zurückzuhalten. Mit klopfendem Herzen bewundere ich ihr Verhalten, als sie mich an der Hand nimmt und wieder dieses vergnügliche Lächeln aufsetzt. Wie kann sie das aushalten wo sie doch am liebsten so schnell wie möglich von hier verschwinden will? Nein, sie läuft seelenruhig durch die Menge und grüßt sogar ein paar Leute.

Der Zwischenstopp bei Anna ist kurz. Viki erzählt, sie hätte schreckliche Kopfschmerzen bekommen, die sie seit kurzem immer mal wieder habe. Die glänzenden Augen und ihr blasses Gesicht unterstreichen das Gesagte perfekt. Anna reagiert verständnisvoll. „Ruhe dich lieber aus. Es ist natürlich schade, aber es ist nicht die letzte Gala, die ich veranstalte." Sie drückt Viki kurz und lächelt mir herzlich zu, bevor wir Richtung Garderobe gehen. Im Augenwinkel meine ich Sebastian zu sehen, aber es ist keine Zeit, um ihm begreiflich zu machen, was hier gerade passiert. Ich selbst verstehe es auch nicht.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt