Kapitel 35 - Viktoria

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Ich wälze mich unruhig hin und her und während Jake neben mir tief und fest schläft, lasse ich die Geschehnisse revue passieren.

Hätte Papa mich nicht angerufen, wäre ich auf ihn zugegangen, um ihm zu sagen, dass ich mit Jake keinesfalls einen Fehler begehe und weiter mit ihm zusammen sein möchte. Dass er weiterhin meine Begleitung bei öffentlichen Auftritten sein wird. Und wenn es meine Eltern nicht akzeptiert hätten, dann wäre es eben so gewesen. Ich habe Jake gesagt, dass ich ihn in meinem Leben haben möchte und habe ihn aus Überzeugung mit zur Gala genommen. Die letzten Tage des Nicht-meldens tun mir leid, aber meine Eltern haben mich total durcheinander gebracht mit ihrer Reaktion und ihren Vorwürfen. Ich brauchte die Tage, um mir alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen, die Dinge zu ordnen und am Ende doch wieder nur den Kopf zu schütteln, weil ich mir doch schon sicher war, was Jake betrifft. Ich hasse es, dass mich meine Eltern so unsicher machen können.

Und dass Jake gestern Abend nach seiner spürbaren Überraschung über mich doch etwas verstimmt war, weil ich mich nicht gemeldet habe, kann ich ihm nicht verübeln. Ein Stück Vertrauen ist dadurch verloren gegangen, aber ich will alles dafür tun, um es wieder zurückzubekommen.

Papa hat mich, wie auch in den letzten Tagen, kaum eines Blickes gewürdigt, umso überraschter war ich über sein Anruf. Ich muss mich bei Alex bedanken, denn ohne seine wütende Rede, die man bis auf den Gang in der Firma gehört hat, hätte es den Anruf wohl nicht gegeben.

Ich rufe mir Papas Worte ins Gedächtnis: Alex meint, dieser Jakob hat eine exzellente Schulausbildung genossen, er ist seiner Meinung nach kein Herumtreiber oder Betrüger. Lass uns morgen in aller Ruhe im Büro miteinander reden. Du hast Mama und mich bei der Gala kalt erwischt, aber das hast du wohl beabsichtigt. Wir können über alles reden und uns nicht mit vollendeten Tatsachen drohen, immerhin sind wir eine Familie. Aber sei dir bewusst, dass deine Entscheidung nicht rückgängig zu machen ist. Für Jessica war es nicht einfach sich in die Familie zu integrieren.

Mein Blick fällt auf Jake, der von all meinen Gedanken nichts mitbekommt. Er wird sich prima in die Familie integrieren, das steht außer Frage. Langsam strecke ich den Arm aus und streiche zaghaft, um ihn nicht zu wecken, über seine stoppelige Wange. Von den Sorgenfalten von heute Abend sind keine mehr zu sehen. Ich betrachte ihn noch eine Weile mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht. Ich werfe einen Blick auf meine Handyuhr. 4:52 Uhr. Sollte es heute Nacht nicht schneien? Aus Neugierde stehe ich leise auf und tapse im Dunkeln zum Fenster und schiebe den Vorhang leicht zur Seite. Ich seufze wohlig auf. Vor dem Fenster fallen dicke Schneeflocken vom Himmel. Vergnügt versuche ich herauszufinden, wie viele Zentimeter es schon geschneit hat und öffne dafür das Fenster. Kalter Wind bläst mir entgegen und einige Schneeflocken verirren sich ins Schlafzimmer. Auf der einen Straßenlaterne sind einige Zentimeter Schnee zu sehen und als ich zur Straße blicke, kann ich nur einen großen weißen Teppich ausmachen, der alle Geräusche zu verschlucken scheint. Es ist herrlich. „Jake!", rufe ich leise und beuge mich etwas mehr aus dem Fenster. Obwohl mir kalt wird halte ich einen Arm von mir und versuche eine Schneeflocke zu fangen. „Jake!" Die Bettdecke raschelt. „Was ist los?" Verschlafen setzt er sich auf und reibt sich müde das Gesicht. „Sieh dir das an!" Wieder blicke ich nach draußen, wo der Schneefall überhaupt nicht mehr aufzuhören scheint.

Jake hievt sich aus dem Bett und stellt sich schließlich hinter mich. „Du weckst mich mitten in der Nacht, um mir Schnee zu zeigen?", fragt er mich ungläubig. Er hat für den Schnee nicht halb so viel Begeisterung übrig wie ich. „Oh, in der Schweiz schneit es wohl jedes Jahr so viel, hm? Aber hier nicht! Es hat die letzten fünf Jahre hier nicht so viel Schnee gegeben!" Jake schlingt seine Arme um mich und zieht mich eng an sich heran. „Tut mir leid, dass ich deine Begeisterung nicht teilen kann. Aber ja, es ist nichts Ungewöhnliches für mich." Für einen Moment blicken wir schweigend aus dem Fenster, bis er mich davon fort zieht. „Genug geguckt. Lass uns noch ein wenig schlafen." Entschieden schließt er das Fenster und zieht den Vorhang wieder vor. Aber ich bin viel zu aufgedreht, um noch weiter zu schlafen. Mir kommt eine verrückte Idee.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt