Kapitel 5 - Viktoria

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Erneut suche ich die Menge nach Elias ab. Den ganzen Abend ist er nicht von meiner Seite gewichen, aber nun scheint er wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Insgeheim frage ich mich, ob er mit einer anderen Frau weggegangen ist. Und dann frage ich mich, ob mich diese Tatsache stören würde.

Ein wenig, gebe ich zu. Aber das liegt viel mehr daran, weil er sich selbst zu meiner Begleitung ernannt hat und er jetzt, ohne was zu sagen, einfach verschwunden ist. Und das macht man nicht. Einfach abhauen, ohne etwas zu sagen.

Vielleicht liegt er auch betrunken in einer Ecke. Wundern würde es mich nicht. Er hat mindestens eine Flasche Champagner getrunken und nicht zu vergessen, den Whisky, den er mit meinem großen Bruder getrunken hat.

Ich seufze und beobachte für einen Moment den Barkeeper, Viktor Neuhauser. Ich glaube seiner Großmutter ist mit meiner befreundet. Er ist dabei Gläser zu polieren.

„Willst du noch einen Drink?", fragt er mich, weil er meinen Blick bemerkt hat, aber ich schüttle den Kopf. „Ich habe heute Nacht schon genug getrunken."

Der gesamte Abend hat sich bisher sehr harmonisch gestaltet. Bis Mitternacht war die Stimmung gut und seitdem sind schon einige Leute gegangen. Außerdem sind meine Eltern nicht dabei. Sie und Luise sind auf einer Feier von Freunden und Basti hat den Jahreswechsel bei einem Freund verbracht, Tobias, glaube ich.

Ohne Eltern scheinen Feiern und Partys automatisch schöner zu sein. Kein Druck, keine nervtötende Blicke von Mama.

Viktor stellt mir unaufgefordert einen Cosmopolitan auf den Tresen. „Ich habe doch gesagt, ich will nichts mehr.", sage ich verwundert.

„Der kommt vom dem Typen da drüben." Er zeigt mit dem Daumen hinter sich ans andere Ende der Bar. „Ich habe nur einen Schuss Wodka reingemacht. Damit ich dich nicht noch abfülle." Er zwinkert mir zu, aber ich beachte ihn kaum noch.

Über die ganze Bar hinweg blicke ich zu der einzig anderen Person, die an der Bar sitzt. Wieso habe ich ihn bisher noch nicht bemerkt? Vielleicht liegt es daran, dass er mit dem dunklen Hintergrund fast zu verschmelzen scheint, denn seine Hautfarbe ist alles andere als hell. Weiße Zähne blitzen auf, als er mir offen zulächelt. So...locker und entspannt. Ich erwidere es. Vielleicht ist es dem Alkohol geschuldet oder es ist eine Trotzreaktion, weil Elias nicht mehr da ist. Ich weiß es nicht.

In meinem Bauch macht sich ein kleines Kribbeln bemerkbar. Was spricht gegen einen kleinen Flirt? Solange ich mit ihm an der Bar bleibe und Viktor in der Nähe ist, kann mir nichts passieren.

Also sehe ich nochmals zu ihm und lächle ihn an. Das nimmt er als Einladung, denn er nimmt sich seine Flasche Bier, die vor ihm auf dem Tresen steht und kommt zu mir herüber.

Von seiner Statue her erinnert er mich an einen Basketball- oder Footballspieler. Breite Schultern und schmale Taille. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass er sogar noch größer als mein Bruder zu sein scheint, und Alex ist 1,89 Meter groß.

„Darf ich mich zu dir setzen?" Ohne etwas zu sagen, nehme ich meine Clutch vom benachbarten Barhocker und gebe ihm so zu verstehen, dass es für mich in Ordnung ist.

Seine Haltung ist entspannt, einen Fuß hat er auf der Querstrebe am Hocker stehen.

„Vom äußerst freundlichen Barkeeper weiß ich, dass du Viktoria von Zurrenberg heißt. Ein bekannter Name in der Stadt?" Er nimmt einen Schluck von seinem Bier und ich versuche meine Augen von seinen Lippen loszureißen.

„Meinem Vater gehört eine große Immobilienfirma. Die Familie Zurrenberg ist also kein unbekanntes Gesicht, aber das solltest du nicht überbewerten." Um meine Hände zu beschäftigen, nehme ich meinen Cosmopolitan zur Hand. „Und du bist...?", frage ich, bevor ich einen Schluck vom Cocktail nehme. Viktor sagte die Wahrheit, als er meinte, er hätte lediglich einen kleinen Schuss Wodka dazu gemixt.

Winternacht - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt