Heute sind es Blumen in allen möglichen Lilatönen. Über Gerbera und Lilien hinweg bis zu Chrysanthemen. Mit einem Dauerlächeln im Gesicht platziere ich den Blumenstrauß am Vormittag auf einem Sideboard in der nähe meines Schreibtisches. Meine Kollegen werfen mir neugierige Blicke zu, aber niemand traut mich zu fragen. Schnell schreibe ich Jake eine Nachricht, in der ich mich für die Blumen und den gestrigen Abend bedanke. Nach einem anstrengenden Tag konnte ich bei Jake einfach abschalten und entspannen, ganz ohne irgendwelchen Verpflichtungen. Es war ein wundervoller Abend, auch wenn Richie ihn etwas verkürzt hat. Ich hoffe, er macht seiner Schwester bald reinen Tisch und lügt nicht das Blaue vom Himmel. Wenn Franzi mit ihrer Mutter nicht ein Wellnesswochenende machen würde, würde ich mich mit ihr treffen. Und ihr sagen, dass ich dabei bin, mich Hals über Kopf in Jakob zu verlieben. Es ist seine Art, seine Offenheit und sein Lachen, das mir regelmäßig eine Gänsehaut bereitet. Und seine phantastischen Küsse. Oh Gott, seine Küsse. Gestern war ich so nah dran, weiterzugehen, als harmlos auf der Couch herumzuknutschen. Aber ich habe mich daran erinnert, welchen Mist er abgezogen hat. Also blieb das Kleid an.
Ich schiebe die Erinnerung an seine Küsse beiseite, um mich wieder auf meine Arbeit zu konzentrieren, aber wem mache ich was vor? Meine Gedanken schweifen immer wieder zu ihm ab. Als er auf meine Nachricht antwortet, schlägt er vor, zusammen zu Mittag zu essen. Und ich würde ihn so gern sehen. Aber meine Arbeit lässt es einfach nicht zu. Der Quartalsbericht muss perfekt werden, das heißt, dass ich die Zahlen bis ins kleinste Detail kennen muss. Und wie ich festgestellt habe, kratze ich bisher nur an der Oberfläche. Schweren Herzens sage ich Jake ab, verspreche aber, ihn am Abend anzurufen.
In der kurzen Mittagspause nehme ich einen kleinen Snack zu mir und unternehme den nächsten logischen Schritt, wie mir scheint. Ich bitte Elias um ein Treffen. Es kann so nicht weiter gehen. Ich muss einen Schlussstrich unter das ziehen, was auch immer zwischen Elias und mir war. Oder was nicht war. Ich rede mir ein, dass es Jake nicht fair gegenüber ist, noch jemand anderes zu treffen, aber er hat sich bisher nicht darüber beschwert. Tatsache ist, dass ich Elias nur noch als guten Freund wiedersehen will. Denn wenn ich an ihn denke, verspüre ich nicht das sanfte Kribbeln in der Magengegend. Im Gegensatz zu Jake.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber Elias schickt mir später einfach nur ein Daume-hoch-Zeichen. Er schreibt weder wann noch wo es ihm passt. Er liefert mir nur wieder den Beweis dafür, dass er die ich-will-es-mit-uns-versuchen-Phrase nie ernst genug genommen hat.
Mit einem Stapel Akten unter dem Arm, die ich am Wochenende durcharbeiten möchte, mache ich mich am späten Nachmittag auf den Weg ins Hotel. Wenn ich Elias treffe, dann dort, denke ich mir. Der Taxifahrer ist so freundlich, mir die Hintertür aufzuhalten, als wir vor dem Hotel parken. Ich werde vom Concierge des Hotels freundlich begrüßt und er ruft einen Pagen herbei, der mir die Akten abnimmt.
Von Zurrenberg zu heißen hat manchmal schon Vorteile. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?", fragt er mich, nachdem er die Akten neben mir auf den Bartresen abgelegt hat. „Nein, aber vielen Dank fürs Tragen." Ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln, schiebe ihm ein Schein zu und beobachte schmunzelnd, wie sich seine Wangen rot färben. Der Page scheint erst Anfang Zwanzig zu sein. Und etwas unbeholfen gegenüber flirtenden Frauen. Er nickt mir nochmals zu, ehe er wieder zurück an seinen Platz geht. Viktor Neuhauser, der Barkeeper, nickt mir zu. „Willst du was trinken?" „Ein Wasser wäre gut." Während er mir das Wasser bringt, versuche ich Elias anzurufen. Er geht nicht ran. Ich atme genervt aus, weil ich es überhaupt nicht mag, umsonst gekommen zu sein. „Kann ich sonst noch was für dich tun?" Viktor schiebt mir ein Glas Wasser hin und zwinkert mir zu. „Ich versuche Elias zu erreichen, aber er geht nicht ran." „Ich kann versuchen, ihn intern zu erreichen.", schlägt er vor und schnappt sich am Rande der Bar einen Hörer. Währenddessen sehe ich mich um. Da es noch zu früh ist, um Abend zu essen und erst recht zu früh, um an der Bar zu sitzen, bin ich fast die Einzige, die hier ist. „Er kommt gleich runter.", informiert mich Viktor und ich lächle ihn dankbar an. „Du warst in Alex Jahrgang, oder?", frage ich, während ich von meinem Wasser nippe. „Ja, aber wir hatten nie einen Kurs zusammen." Das erklärt, warum sie nicht wirklich befreundet waren. „Was ist eigentlich aus deinem Flirt geworden? An Silvester?" „Das wüsstest du wohl gern, was?", stelle ich als Gegenfrage, um nicht zu antworten. Viktor beugt sich über den Tresen zu mir hin und sieht mir in die Augen. „Viktoria von Zurrenberg ist wieder in der Stadt. Und ich bekomme das Gefühl, dass das Rennen eröffnet ist. Elias posaunt laut herum, dass ihr offiziell ein Paar seid. Was ich beim besten Wille nicht glaube. Sonst wärst du öfters hier. Außerdem..." Viktor stoppt abrupt und sieht auf den Tresen. „Außerdem?", bohre ich nach. Er schüttelt lachend den Kopf. „Also ich glaube nicht, dass ihr zwei ein Paar seid. Wie wäre es mit uns? Willst du mit mir ausgehen?" Er senkt auf eine Art seinen Blick, die ihm nachts bestimmt viel Trinkgeld beschert. Ich mustere ihn einen Moment. Er hat kurzes helles Haar und ein glatt rasiertes Kinn. Viele Frauen würden ihn als attraktiv beschreiben, aber mir fehlt das gewisse etwas.
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Winternacht - Zurrenberg Romance
RomanceDie zweite Geschichte der Zurrenberg Familie!! Viktoria von Zurrenberg möchte ihrem Vater zeigen, dass Frauen in einer männerdominierten Welt bestehen können. Jakob möchte sich zusammen mit seinem Bruder den Traum von einem eigenen Juwelierladen in...