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Gereizt ließ Aaron sich wieder auf seinen Stuhl sinken.
Sein Blick wanderte durch das Zelt. Mit Genugtuung stellte er fest, dass seine Gefangenen sicher an die Stützpfeiler des Zeltes gefesselt waren.
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren, doch sogleich entspannte er sich wieder, als lediglich Gregori und Kjell - zusammen mit den ehemaligen Wachen von Skyldar -  vier weitere Männer in das Zelt brachten, um sie dort fest zu ketten.
Drei der Männer blickten Aaron wütend an und leisteten trotz straffer Fesselung erbitterten Widerstand.
Der Vierte hingegen schien keine Probleme zu machen und ließ sich widerstandslos fest ketten.
Aaron runzelte leicht die Stirn. Es gefiel ihm nicht wirklich, dass nun nur noch ein kleiner Teil seiner Garde außerhalb des Zeltes war um dort für Sicherheit zu sorgen.
Langsam erhob er sich, trat aus dem Zelt heraus und stockte bei dem Anblick, der sich ihm bot.
Sämtliche Männer des Fürsten, etwa zwanzig an der Zahl, hatten sich vor dem Zelt versammelt und beugten respektvoll das Knie als Aaron das Zelt verließ. Ganz vorne, an der Spitze, kniete Vindur. Noch während Aaron seinen Blick über die kniende Menge gleiten ließ, konnte er in den Gesichtern der Männer Erleichterung erkennen.
Verwundert schüttelte Aaron den Kopf.
„Hoheit...?"
Aarons Blick ruckte zu dem Sprecher.
„Ja, Vindur?"
„Wir alle hier unterstellen uns Eurem Urteil. Ihr habt unser Wort, dass wir kooperieren werden."
Zufrieden nickte Aaron. Erneut wanderte sein Blick über die Menge, doch alles, was er erkennen konnte war Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Respekt und....Dankbarkeit.
Schließlich nickte er den Männern zu. „Ihr könnt aufstehen. Geht Eurem Tagwerk nach und haltet Euch für eine Befragung bereit."
Damit ließ er die Männer stehen und ging, ohne sie noch weiter zu beachten, zu seinem Zelt, wo er hoffte, Finya zu finden.
Kaum, dass er das Zelt betreten hatte, stockte er erneut.
An der einen Seite des Zeltes hatte Finya eine schlichte Decke ausgebreitet, auf der Yunus mit entblößtem Oberkörper kniete. Neben sich hatte sie eine Schüssel mit Wasser stehen.
Aaron sog scharf die Luft ein. Auf dem Rücken des Sklaven waren nicht nur die Spuren des heutigen Schlags zu sehen, sondern auch ältere Wunden, zum Teil gerade frisch verheilt, zum Teil aber auch bereits vernarbt. Einige der Striemen waren aufgeplatzt, nässten oder hatten sich entzündet.
Finya hatte gerade begonnen, Yunus behutsam die Wunden auszuwaschen, als sie ihren Herren bemerkte und sich leicht verneigte.
Ruckartig hob Yunus den Kopf. Erneut begann er zu zittern und warf sich vor Aaron auf den Boden.
„Es...es tut mir Leid, Herr...Ich..ich wollte das nicht..." Ruhig trat Aaron auf ihn zu.
„Darüber reden wir später. Jetzt setz dich und lass deine Wunden versorgen."
Ungläubig hob Yunus den Blick, nur, um ihn genauso schnell wieder zu senken und dem Befehl des fremden Herren nachzukommen.
Erneut griff Finya nach dem Schwamm und fuhr fort, die Wunden zu reinigen.
„...ich nehme demnach an, Arvid hat gerade keine Zeit?"
Finya nickte. „Ja, Herr. Er hat mich angewiesen, die Wunden zunächst zu reinigen und danach eine Salbe aufzutragen. Nur..." sie zögerte.
„Ja, Finya?" 
„Yunus scheint starke Schmerzen zu haben...ich...weiß selbst, wie...unangenehm...diese Prozedur ist..."
Aaron nickte nur.
„...sieh mich an, Yunus..."
Unsicher hob der Mann den Kopf. Nur kurz huschten seine Augen zu Aaron, doch er schaffte es nicht, den Blickkontakt zu halten.
Schweigend und geduldig wartete Aaron ab, bis Yunus ihm seinen Blick erneut für einen Moment zuwandte.
„Ist es wahr, was meine Sklavin sagt?"
Yunus schluckte sichtlich. Was sollte er nur auf diese Frage antworten? War es nicht klar, dass er Schmerzen hatte? Andererseits...was war die richtige Antwort auf diese Frage? Bei Skyldar hätte er es genau gewusst...Doch wahrscheinlich waren in dieser Hinsicht alle Herren gleich. Diese Finya schien einen Sonderstatus zu haben, dass sie so mit ihrem Herren reden durfte...
Yunus setzte gerade an, etwas zu sagen, als Aaron leicht die Hand hob.
„Und ich möchte die Wahrheit hören. Nicht das, was du denkst, dass ich hören möchte."
Erneut schluckte Yunus. „Ja, Herr. Ich habe Schmerzen."
Aaron nickte zufrieden.
„Finya...geh an meine Tasche. Das, was du suchst, ist im Seitenfach..."
Lächelnd stand Finya auf und holte eine kleine, grüne Flasche aus der Tasche ihres Herren.
Während Yunus Blick noch verwirrt zwischen Finya und Aaron hin und her wanderte, griff die junge Frau bereits nach einem Becher und sah ihren Herren fragend an.
„Ein Schluck nur...ich brauche Informationen. Es soll ihn also nicht müde machen..."
Ohne sich weiter um Finya zu kümmern, verließ Aaron das Zelt, um nach Jaro zu sehen.
Er wusste, dass er sich auf Finya verlassen konnte.
Finya goss einen Schluck der grünen Flüssigkeit in den Becher und verstaute die Flasche wieder sorgfältig in Aaron's Tasche.
Mit dem Becher in der Hand kniete sie sich neben Yunus, der sofort ängstlich zurück wich.
Finya seufzte. „Du brauchst mich nicht zu fürchten, Yunus. Ich bin ebenso eine Sklavin wie du und nichts liegt mir ferner, als dir zu schaden."
Betreten senkte Yunus den Blick, doch Finya hob sanft sein Kinn an und setzte ihm den Becher an die Lippen. „Trink, Yunus...danach wird es dir besser gehen."
Yunus zögerte, doch schließlich ergab er sich in sein Schicksal und schluckte den bitteren Trank.
Finya nickte ihm zu und räumte den Becher weg. Als sie sich Yunus wieder zuwandte, wirkte dieser bereits deutlich entspannter. „Geht es schon besser?" fragte sie dennoch sicherheitshalber nach. Yunus nickte leicht. „Ich...habe kaum noch Schmerzen."
„Dann können wir jetzt weiter machen.."
Erneut griff Finya nach dem Schwamm und fuhr fort, Yunus Rücken behutsam zu reinigen.
Schließlich schien sie zufrieden mit dem Ergebnis und griff nach dem Tiegel, den Arvid ihr gegeben hatte. „Die Salbe, die ich dir jetzt auf den Rücken mache, kann unter Umständen leicht brennen. Das hört aber auch gleich wieder auf."
Yunus nickte nur. Eine Weile später verschloss Finya den Tiegel. „Das wäre geschafft. Ich bin mir jedoch sicher, dass Arvid sich deinen Rücken später noch einmal ansehen wird."
Sofort schien Yunus zu verkrampfen. „Wer ist dieser Arvid?"
Finya nickte ihm aufmunternd zu. „Er ist Teil der Garde von König Aaron."
Panisch sprang Yunus auf und wich nach hinten aus.
„Er wird dir nichts tun, Yunus. Mich hat er damals auch versorgt, als ich verletzt war. Setz dich bitte wieder. Ich möchte nicht eine Wache rufen müssen, damit sie dich bindet..."
Betreten senkte Yunus den Kopf und setzte sich wieder gehorsam auf die Decke.
Eine ganze Weile schwiegen die beiden Sklaven, während Finya das nur rasch aufgebaute Zelt weiter herrichtete. Ganz unvermittelt ergriff Yunus wieder das Wort.
„...du musst etwas für mich tun..." flehte er Finya an.
Überrascht blickte diese zu dem Mann vor ihr, der sie verzweifelt ansah.
„Geh in das Zelt von Fürst Skyldar. Meine Tochter muss dort sein...sie ist doch noch so klein..."
Finya zögerte. Dann schüttelte sie jedoch den Kopf.
„Ich kann nicht so einfach das Zelt verlassen, Yunus. Mein Herr hat bereits genug Stress mit der Situation hier. Er wird es nicht tolerieren, dass ich im Lager umher wandere..."
Sofort schienen sich Yunus Augen mit Tränen der Verzweiflung zu füllen.
Finya seufzte. „Ich kann mit einer der Wachen reden..." Neue Hoffnung glomm in Yunus Augen auf. „Danke."
Finya trat an den Zelteingang. Für einen Moment schien sie sich leise mit einer der Wachen zu unterhalten, dann kehrte sie bereits wieder zu Yunus zurück.
„Sie werden sich um die Angelegenheit kümmern..."
Yunus nickte langsam. „Ich will einfach nur, dass sie in Sicherheit ist und es ihr gut geht..."

Finya 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt